JACK (sehr verdutzt und beleidigt): »Also, Kaplan, wirklich! Wofür halten Sie mich? Einen Ihrer Spaghettis, oder was?«
Allgemeine Heiterkeit über den Fehler des Kaplans.
KAPLAN (an Jack gewandt; auf Englisch): »Verzeih mir bitte, alter Junge … Was für ein dummer Fehler! Anscheinend bin ich völlig durcheinander … Nun, was ich sagen wollte: Lasst uns zuerst die Kerzen auspacken und den Christbaumschmuck …«
JACK (brummt): »So ist’s besser. Das kann man wenigstens verstehen.«
KAPLAN (öffnet Pakete): »Genau, und Holz, Jackie – Holz ist wichtig! Viel Holz für den Kamin! Ich hoffe nur, dass noch etwas Hitze im Herd ist, um den Kakao aufzuwärmen … Wo ist denn unsere Gastgeberin?« (Wiederholt die Frage auf Italienisch:) »Wo ist Signora Silotti?«
Verlegenes Schweigen. Die FRAUEN aus dem Dorf tauschen heimlich Blicke, zucken mit den Schultern, vermeiden es, den Kaplan anzuschauen. Schließlich hat die knochige MATRONE den Mut zu sprechen.
MATRONE (auf Italienisch): »Wir haben sie bisher noch nicht gesehen. Sie ist wahrscheinlich in der Küche.«
KAPLAN (auf Italienisch): »In der Küche?« (An Jack gewandt; auf Englisch:) »Das ist eigenartig.« (An die andern gewandt; auf Italienisch:) »Wenn ihr mich eine Minute entschuldigen würdet …« (Er geht zur Küchentür, öffnet sie – und ist offenbar verwirrt durch das, was er sieht. Er wendet sich um zu den Anwesenden und sagt auf Italienisch:) »Nur einen Augenblick, bitte …« (Dann an Jack gewandt; auf Englisch:) »Fang einfach schon mal damit an, den Weihnachtsbaum zu schmücken. Ich bin gleich zurück.« (Geht in die Küche.)
SCHNITT AUF:
17. INNEN, KÜCHE …: SIGNORA SILOTTI sitzt neben dem Herd, sie hat das Gesicht in den Armen verborgen – sie weint. Der KAPLAN, der gerade den Raum betreten hat, steht neben der Tür – er betrachtet sie mit tiefem Mitleid.
KAPLAN (auf Italienisch): »Aber, meine liebe Signora – kommen Sie, kommen Sie … An Weihnachten weinen – was soll das denn?«
SIG. SILOTTI (steht auf, sobald sie seine Stimme hört; ihr faltiges Gesicht ist tränennass): »Oh, Mister Padre … Kaplan … es tut mir so leid … ich …«
KAPLAN: »Was ist passiert, Signora Silotti? Was stimmt denn nicht?«
SIG. SILOTTI (bricht wieder in Tränen aus): »Ich kann einfach nicht mehr … ich kann nicht …«
KAPLAN (führt sie behutsam zurück zu dem kleinen Hocker, auf dem sie gesessen hat): »Kommen Sie, kommen Sie … Beruhigen Sie sich. So ist’s besser. Und jetzt trocknen wir uns die Tränen und machen uns wieder hübsch. Wo ist das Taschentuch?«
SIG. SILOTTI (zieht ein großes buntes Taschentuch heraus)
KAPLAN (nimmt das Taschentuch, aber es ist schon ganz nass. Lächelnd sagt er, immer auf Italienisch): »Damit kann man nichts mehr anfangen, oder? Na, schauen wir mal, ob mein Taschentuch noch in vorzeigbarem Zustand ist …« (Er mustert sein Militär-Taschentuch.) »Es ist leider nicht sehr sauber; aber in einem Notfall …« (Er wischt ihr die Tränen aus dem Gesicht.)
SIG. SILOTTI (halb weinend, halb lachend): »Sie sind so gut, Mister Padre …«
KAPLAN: »Jetzt sehen wir wieder besser aus. Keiner wird merken, dass wir geweint haben. Worüber haben wir denn eigentlich geweint?«
SIG. SILOTTI: »Ach, es ist nichts, Mister Padre … wirklich …«
KAPLAN: »Ich weiß, Sie haben es schwer. Ihr Mann ist fort – vielleicht tot oder gefangen …«
SIG. SILOTTI: »Es ist nicht nur das.«
KAPLAN: »Was noch?«
SIG. SILOTTI: »Ernesto …«
KAPLAN: »Stimmt was nicht mit dem Jungen?«
SIG. SILOTTI (klammert sich an den Kaplan, als habe sie es plötzlich mit der Angst bekommen): »Ich habe Angst, Mister Padre …«
KAPLAN: »Angst – wovor, Signora?«
SIG. SILOTTI (klammert sich noch immer an ihn; flüstert eindringlich): »Er ist ein guter Junge: glauben Sie mir!«
KAPLAN: »Ich bin sicher, dass er das ist.«
SIG. SILOTTI: »Ein guter Junge – und so klug! Sie nennen ihn den intelligentesten Jungen im Dorf. Wenn Sie mich fragen – es gibt keinen zweiten wie ihn im ganzen Land!«
KAPLAN: »Es ist schade, dass ich nie die Gelegenheit hatte, mit ihm zu reden. Vielleicht ergibt es sich ja heute Nachmittag …«
SIG. SILOTTI (verlegen): »Darauf hatte ich gehofft. Aber …«
KAPLAN: »Aber – was? Ist Ihr Sohn nicht zu Hause? Oder ist er krank? Oder redet er nicht gern mit Fremden?«
SIG. SILOTTI: »Das ist es. Er redet nicht gern mit Fremden. Er ist sehr schüchtern, wissen Sie. Es hat mit seinem … mit …«
KAPLAN: »Mit seiner Körperbehinderung zu tun?« (Als die Signora nickt:) »Ich verstehe. Das ist wirklich schade. Ich habe mich darauf gefreut, ihn heute zu treffen. Sind Sie sicher, dass er nicht an unserer Feier teilnehmen wird?«
SIG. SILOTTI: »Ich habe gebettelt, dass er kommt … Ich habe alles versucht … Er weigert sich.«
KAPLAN: »Haben Sie deshalb geweint?«
SIG. SILOTTI (fast tonlos): »Ja.«
KAPLAN: »Meinen Sie, es würde nützen, wenn ich mit ihm reden würde – von Mann zu Mann?«
SIG. SILOTTI (strahlend vor Hoffnung): »Wenn Sie das tun würden … Ich bin sicher, dass es helfen würde. Wenn irgendjemand, dann sind Sie derjenige, der einen Einfluss auf den armen Jungen haben kann.«
KAPLAN: »Wo ist Ernesto jetzt?«
SIG. SILOTTI: »Oben in seinem Zimmer.«
KAPLAN: »Ist er allein, oder sind Freunde bei ihm?«
SIG. SILOTTI: »Er hat keine Freunde. Er ist allein – und arbeitet.«
KAPLAN: »Was arbeitet er denn?«
SIG. SILOTTI: »Ich weiß nicht, was er tut. Lernen, nehme ich an. Er hat viele Bücher, wissen Sie. Er wirkt jedenfalls immer beschäftigt.«
KAPLAN: »Aber heute ist Feiertag.«
SIG. SILOTTI: »Das habe ich ihm auch gesagt.«
KAPLAN (an der Tür): »Gehen wir.« (Als sie zögert:) »Wollen Sie mir nicht sein Zimmer zeigen?«
SIG. SILOTTI (bekommt es plötzlich mit der Angst): »Ich bin sehr dankbar, dass Sie mit dem Jungen reden wollen … Es ist wunderbar, eine große Chance … Allerdings ist er ein schwieriger Junge: schwieriger, als Sie denken …«
KAPLAN: »Das macht nichts. Ich bin schwierige Menschen gewohnt.«
SIG. SILOTTI: »Trotzdem … Es gibt etwas, das sollten Sie über Ernesto wissen …« (Nach einem Moment des Zögerns – sie überwindet ihre Angst mit nahezu sichtbarer Anstrengung:) »Er mag die Amerikaner nicht.«
KAPLAN (lacht auf): »Das habe ich mir schon gedacht.«
SIG. SILOTTI (sie spricht hastig – bemüht, alles zu erklären): »Aber er ist kein schlechter Junge: Ich möchte nicht, dass Sie glauben, er sei schlecht … Es ist nur so … Nun, sehen Sie, er ist sehr ehrgeizig. Sie wissen, wie Jungs sind: Ruhm, Macht, Glanz – von solchen