Der Kaplan. Klaus Mann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Mann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783835345577
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…«

      LIEUTENANT (an einem anderen Tisch; im Gespräch mit einer Krankenschwester): »Ich habe nicht gesagt, dass sie schöner ist als du, meine Liebe. Alles, was ich gesagt habe, war: Sie hat eine ziemlich gute Figur.«

      KRANKENSCHWESTER (ziemlich beleidigt): »Na, wenn ihre Figur so wunderbar ist, warum hast du dann nicht s i e zum Weihnachtsessen eingeladen? Ich bin sicher, sie wäre l i e b e n d g e r n gekommen! Armes Ding, keiner geht mit ihr aus …«

      MAJOR (an einem anderen Tisch, im Gespräch mit zwei Captains): »Und ich bleibe dabei, sie werden die V-2 in Italien einsetzen. Kesselring ist ein Fuchs: er wartet auf den richtigen Moment. Alles eine Frage des Timings …«

      LIEUTENANT (an einem anderen Tisch, im Gespräch mit anderen Lieutenants): »Junge, das war ’ne heiße Nummer! Ich hab sie in Rom getroffen, im Excelsior. Es heißt, sie wäre eine polnische Gräfin.«

      ANDERER LIEUTENANT: »Polnische Gräfin, von wegen! Das war ’ne abgebrühte alte Professionelle, oder ich will verdammt sein!«

      LIEUTENANT: »Vielleicht war sie das – wo ist der Unterschied? Jedenfalls war ordentlich was an ihr dran. Junge, diese Kurven …« (Er pfeift bewundernd).

      DRITTER LIEUTENANT: »Das reicht, Bruder! Hier im Schlamm will ich nicht über Sex reden. Lasst uns noch was trinken. Hey, Barkeeper – noch drei von den scheußlichen Cognacs!«

      BARKEEPER (ein Sergeant – er trägt eine weiße Schürze über der Uniform und antwortet von der Bar aus): »Ja, Sir, noch drei scheußliche Cognacs. Pronto.«

      Die Kamera schwenkt zur Bar im Hintergrund des Raums. An der Bar steht eine Gruppe von Offizieren – darunter der junge LIEUTENANT aus der Eröffnungsszene.

      CAPTAIN: »Nein, ich bin ziemlich sicher, dass der alte Mann gegen Martins Weihnachtspredigt nichts einzuwenden hatte. Er hat seine eigene Art sich zu räuspern – ungefähr so …« (Er ahmt den General nach.) … »Mensch! Das heißt ganz klar ›no buono‹. Will sagen, ihm reißt gleich der Geduldsfaden.«

      LIEUTENANT: »Was war denn falsch an der Predigt? Was ich gehört habe, klang ganz vernünftig.«

      CAPTAIN: »’türlich war alles vernünftig. Kaplane sind immer vernünftig, oder? Martin besonders. Ein korrekter Kerl, könnte gar nichts Unvernünftiges anstellen. Nur was er da über den Hass sagt … Nun, wisst ihr, vielleicht ist er ein bisschen z u christlich – wenn man bedenkt, dass wir Krieg haben.«

      ANDERER CAPTAIN: »Einige meinen, er übertreibt es mit der Menschenliebe. Scheint sich mit den Leuten vom Dorf bestens zu verstehen.«

      LIEUTENANT: »Ich würde die Leute auch gern persönlich kennen lernen. Vielleicht schaue ich heute Nachmittag bei der Weihnachtsfeier im Haus des Bürgermeisters vorbei. Ich möchte gern wissen, wie die Menschen hier sind.«

      CAPTAIN: »Also, Jimmy, weißt du denn nicht, dass die meisten Spaghettifresser zwei Nasen haben und einen Schwanz, und ein Extra-Auge auf der Stirn? Und was die Frauen angeht …« (Er flüstert dem anderen Captain etwas zu, und der erzählt den Witz seinem Nachbarn weiter. Sie lachen.)

      LIEUTENANT: »Im Ernst, Jungs, als ich heute Morgen durchs Dorf gekommen bin, habe ich eine Gestalt am Straßenrand gesehen – ehrlich, wie aus einem Horrorfilm. Er hatte einen Buckel, aber das war noch nicht alles. Irgendwas war mit seinen Augen – keine Ahnung. Hab regelrecht ’ne Gänsehaut gekriegt.«

      CAPTAIN: »Und was hast du getan? Ihm gesagt, er soll sein hübsches Gesicht jemand anderem zeigen?«

      LIEUTENANT: »Sowas in der Art. Aber er fand das nicht lustig. Ich übrigens auch nicht. Ich habe ihn ausgelacht, aber ich gefiel mir selbst nicht dabei. Der Bursche tat mir leid. Albern, oder?«

      CAPTAIN (trocken): »Genau. Aber mach dir keine Sorgen, Jimmy. Auch du wirst noch erwachsen – irgendwann einmal. Auf dein Wohl.« (Er hebt sein Glas.)

      ANDERER CAPTAIN (hebt ebenfalls sein Glas; er spricht mit lauter, betrunkener Stimme – wendet sich an alle Anwesenden): »Ladies und Gentlemen! Freunde! … Ein kurzer Trinkspruch … mit Ihrer freundlichen Erlaubnis …«

      STIMMEN (von verschiedenen Tischen): »Sei still! … Bloß keine Reden! … Lass ihm seinen Spaß! … Was soll’s?«

      BETRUNKENER CAPTAIN: »Habt keine Angst, Ladies und Gentlemen … Das wird keine Rede – bestimmt: keine Rede, das verspreche ich. Was ich sagen will, ist … nun, um’s kurz zu machen … Ich hoffe, jeder von uns wird dabei sein, wenn wir nächstes Jahr Weihnachten feiern – in Bologna!« (Allgemeines, donnerndes Gelächter.)

      BETRUNKENER CAPTAIN: »Auf Ihr Wohl, Ladies und Gentlemen …«

      In dem Moment betritt der GENERAL die Messe – begleitet vom COLONEL. Ein OFFIZIER, der in der Nähe des Eingangs sitzt, ruft: »Ach-tung!« Alle stehen auf.

      GENERAL: »Aber, Gentlemen, ich bitte Sie! … Behalten Sie Platz! Bitte rühren! Nur ein inoffizieller Besuch …«

      BETRUNKENER CAPTAIN (vom Tresen, immer noch das Glas erhoben; mit irgendwie erstickter, unsicherer Stimme): »Auf Ihr Wohl, General …«

      BLENDE

      9. AUSSEN, KAPELLE …: KAPLAN und JACK (der Sergeant mit Brille) beladen einen Jeep mit Paketen, Konserven, Körben voller Backwaren, Orangen und Süßigkeiten.

      KAPLAN (mit zufriedenem Blick auf die Sachen, die im Wagen aufgestapelt sind): »Es ist wundervoll, stimmt’s? So viele Sachen!«

      JACK: »Sieht aus wie Dads Auto, wenn er am Tag vor Weihnachten aus der Stadt zurückkam. Wissen Sie, wir waren acht Kinder zu Hause – und außerdem die Landarbeiter und ihre Familien …«

      KAPLAN: »Muss eine tolle Sache gewesen sein, Weihnachten auf dem wunderbaren alten Bauernhof deines Vaters! Aber mach ein fröhliches Gesicht, Jack, alter Knabe! Wir werden hier auch viel Spaß haben!«

      JACK: »Und wie! … Ehrlich, Kaplan, ich freue mich auf dieses Kinderfest – als ob ich selbst noch ein Kind wäre.«

      KAPLAN: »Das ist die richtige Einstellung! Das wird das Fest unseres Lebens, Jackie – du und ich! Haben wir das etwa nicht verdient? Es war schließlich kein Pappenstiel – im Apennin den Weihnachtsmann zu spielen!«

      JACK: »Das stimmt – aber es war die Mühe wert.«

      KAPLAN: »Du sagst es. – Alles drin? Dann los. Wir dürfen die Kinder nicht warten lassen.«

      JACK: »Soll ich fahren?«

      KAPLAN: »Ehrlich gesagt … wenn es dir nichts ausmacht … Du weißt, es ist viel Verkehr …«

      JACK: »Wenn Sie mir nicht t r a u e n – bitte!«

      KAPLAN (lachend): »Ich traue dir nun mal eher am Harmonium – das ist alles.«

      Sie steigen in den Wagen und zwängen sich zwischen die Berge von Myrthe-verzierten Paketen und Körben. Der Wagen setzt sich in Bewegung.

      10. STRADA STATALE 65 …: Zwischen dem Hauptquartier und dem Dorf. Verkehr und Matsch wie vorhin. Der Jeep des KAPLANS fährt langsam in einer endlosen Fahrzeugkolonne. Der KAPLAN und JACK sind beide über und über mit Schlamm bespritzt.

      JACK (lacht über das schmutzige Gesicht des Kaplans):

      »Mensch, Kaplan – seien Sie mir nicht böse, aber Sie sehen s c h o n sehr lustig aus!«

      KAPLAN (mit gespieltem Ärger): »Und was meinst du, wie du aussiehst, wenn ich fragen darf, junger Freund? In meinem ganzen Leben habe ich kein schmutzigeres Gesicht gesehen! Und du wagst es … Mann, was für eine Straße! Ich hoffe nur, dass unsere Schätze nicht allzu schmutzig werden …«

      Ein TRUPP