Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
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deren Tötung nach sich zog, sollte den größten Massenmord aller Zeiten zur Folge haben.

      Hier Aufklärungsarbeit nach dem Krieg zu betreiben, stellte deshalb hohe Anforderungen an Kriminalbeamte und Justiz.

      Wenngleich wir wissen, dass viele Nazi-Verbrecher unter falschem Namen in Deutschland, vor allem aber auch in Südamerika, untertauchen konnten, war der Beitrag der Abteilung I zur Aufklärung dieser Verbrechen ein nicht unwesentlicher Teil zur Aufarbeitung der Deutschen Geschichte.

      Alle Erkenntnisse über nationalsozialistische Verbrechen gingen in die Zentrale Stelle in Ludwigsburg, die 1958 auf Veranlassung der Justizminister der Länder eingerichtet worden war. Sie hatte die Aufgabe, alle bekannt gewordenen NS-Gewalttaten, die bis 1945 außerhalb der alten Reichsgrenzen verübt worden waren, zu erfassen und sie nach Beendigung der Vorermittlungen an die zuständigen Staatsanwaltschaften des jeweiligen Landes abzugeben.

      Berliner Buchhändler von Neonazi niedergeschossen

      Am 19. Februar 1997 betrat der Neonazi Kai Diesner, mit Sturmhaube über dem Gesicht und einem halbautomatischen Gewehr in der Hand, den Laden des 65-jährigen Buchhändlers Baltruschat in Alt-Marzahn. Ohne ein Wort zu sagen, schoss Diesner, der die DDR immer gehasst hatte, dreimal mit seiner Waffe auf ihn.

      Diesner, der das Haus in Alt-Marzahn als Geschäftsstelle der PDS und als Wahlkreisbüro Gregor Gysis kannte, legte sich an diesem Tage auf die Lauer und wartete auf PDS-Mitglieder. Baltruschat, der der erste an diesem Morgen war und das Haus betrat, wurde deshalb auch ein willkürliches Opfer.

      Diesner, der, wie das Gericht in Lübeck später feststellte, aus hemmungsloser Rachsucht und Hass gegen die von ihm abgelehnte Partei PDS handelte, hätte auch auf jeden anderen geschossen, denn schließlich galt sein Angriff der PDS.

      Baltruschat überlebte diesen Überfall schwer verletzt, verlor dabei aber seinen linken Unterarm und einen Finger der rechten Hand.

      Diesner flüchtete nach der Tat und konnte zunächst nicht ermittelt werden. Am 23. Februar 1997 wurde er auf einem Autobahnparkplatz in Schleswig-Holstein erneut zum Täter. Diesmal schoss er bei einer Routine-Verkehrskontrolle ohne Vorwarnung auf die ihn überprüfenden Polizeibeamten.

      Ein Polizist verstarb noch am Ort, der zweite erlitt schwerste Verletzungen.

      In einer sich anschließenden Großfahndung wurde Diesner überwältigt, festgenommen und später wegen Mordes von der großen Strafkammer des Landgerichts Lübeck zu lebenslanger Haft verurteilt.

      Berliner Kameradschaften

      Aus der Entwicklung der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ seit Anfang 1997 ergaben sich tiefgreifende Auswirkungen auf die Situationen der seit 1992 agierenden neonazistischen unabhängigen Kameradschaften in Berlin, die sich vor allem unter dem Eindruck des Verbots der neonazistischen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) nach dem Vorbild der linksextremistischen autonomen Szene etabliert hatten.

      Anfang Dezember 1997 stellten Kriminalbeamte des Polizeilichen Staatsschutzes in den Wohnungen der Mitglieder der Berliner „Kameradschaft Treptow“ Messer, Gaspistolen sowie Materialien zum Bau von Rohrbomben sicher. Einer der Festgenommenen gestand bei der Polizei, mit seinen Kumpanen einen Anschlag auf ein PDS-Mitglied geplant zu haben, wobei eine Bombe am Balkon des Mannes gezündet werden sollte.

      Noide, Kameradschaftsführer der Treptower, war jahrelang Schulungsleiter der Berliner FAP, der seine Mitglieder zum Aufbau einer „Feierabend-Gestapo“ trieb und schwarze Listen von politischen Gegnern anlegen ließ. Am 17. April 1997 überfielen Noide sowie der Neonazi Schillok zwei Gesinnungsgenossen, mit denen sie über Zuständigkeiten in der Kameradschaft in Streit geraten waren. Schillok, der auf die beiden einstach und sie tötete, wurde nach seiner Verhaftung zu 14 Jahren Haft verurteilt, während Noide zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung erhielt.

      Ausländerextremismus: Anschlag auf das „Maison de France“

      Am 25. August 1983 detonierte im „Maison de France“, Kurfürstendamm/Ecke Uhlandstraße, ein hochbrisanter militärischer Sprengstoff.

      Die dadurch verursachte Druckwelle brachte die Decke zwischen dem dritten und vierten Stock des Gebäudes zum Einsturz, scherte einen Doppel-T-Eisenträger und riss große Teile des Baugerüstes ab. Die Trümmer flogen umher und begruben im dritten Stock und dort im Französischen Generalkonsulat Mitglieder der Friedensgruppe „Fasten für das Leben“, die gegen die Atombombenversuche der Franzosen im Mururoa-Atoll protestieren wollten.

      Ein Mensch wurde getötet, 23 Personen erlitten zum Teil schwerste Verletzungen.

      Anfang Oktober 1983 ging bei der Deutschen Botschaft in Jedda, Saudi Arabien, ein Brief mit einem Selbstbezichtigungsschreiben des seit Jahren gesuchten Terroristen „Carlos“ ein, in dem er zum Ausdruck brachte, dass „wir“ am 25. August um 11:50 Uhr das französische Konsulat in Westberlin zerstört haben. Das Schreiben war mit „Carlos“ unterschrieben und trug die Abdrücke des rechten und linken Daumens des Mannes.

      1984 durchsuchte der ungarische Geheimdienst eine konspirative Wohnung in Budapest und fand neben zahlreichen Unterlagen auch einen Brief, den der gesuchte Terrorist Johannes Weinrich, ein enger Vertrauter von „Carlos“, geschrieben und in dem er über die geglückte Operation in Berlin berichtet hatte. Elf Jahre danach konnte Weinrich festgenommen und in Berlin angeklagt werden. Wenngleich er nicht der Ableger des Sprengstoffs war, so konnte ihm aber vom Gericht nachgewiesen werden, dass er die Tat geplant, organisiert, den Sprengstoff beschafft und einem Mittäter übergeben hatte.

      Weinrich wurde wegen Mordes sowie des versuchten fünffachen Mordes in Tateinheit mit der Herbeiführung eines Sprengstoffverbrechens schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt.

      Anschläge auf die Deutsch-Arabische-Gesellschaft und die Diskothek „La Belle“

      Am 30. März 1986 explodierte eine Bombe vor der Deutsch-Arabischen-Gesellschaft in Berlin-Kreuzberg, Adalbertstraße 4, wobei es glücklicherweise keine Toten, aber viele Verletzte gab.

      Während die Ermittlungen nach den Tätern noch auf Hochtouren liefen, explodierte am 5. April 1986 in der Diskothek „La Belle“ in Berlin-Schöneberg eine weitere Bombe. Ein entsetzliches Bild für alle, die den Tatort erreichten.

      Einem amerikanischen Soldaten, der in der Diskothek getanzt hatte, waren durch die Explosion der linke Unterarm sowie der linke Unterschenkel abgerissen und seine Genitalien zerfetzt worden. Er verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus. Einem weiteren Soldaten waren beide Unterschenkel aufgerissen und durch dem Sprengstoff beigemischte Metallteile schwerste Verletzungen und Verbrennungen zugefügt worden. Er verstarb, nachdem man ihm die Beine amputieren musste, qualvoll am 7. Juli 1986 im Krankenhaus. Einer jungen Türkin, die in unmittelbarer Nähe des Sprengstoffablageortes gestanden hatte, waren der linke Augapfel herausgerissen und der linke Unterschenkel zerfetzt worden. Sie verstarb am Tatort, verschüttet durch herabstürzende Deckenteile.

      Von den insgesamt 284 Besuchern und Angestellten wurden 231 verletzt, 53 von ihnen schwer. Amputationen waren erforderlich, großflächige Verbrennungen mussten behandelt werden, Hauttransplantationen wurden vorgenommen. Menschen wurden aus ihren Lebensbahnen gerissen und sind auch heute noch nicht in der Lage, wieder zu arbeiten beziehungsweise sich in unserer Gesellschaft problemlos zurechtzufinden.

      Was die Ermittlungen zu diesem schweren Verbrechen anbelangt, so sind diese im Nachhinein, heute nach 15 Jahren, relativ schnell erzählt.

      „Hasi“ und Salameh, zwei jordanische Terroristen, wurden zum Anschlag auf die Deutsch-Arabische-Gesellschaft gefasst und in Berlin zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Dabei war „Hasi“ zu diesem Zeitpunkt der erste und einzige Araber, der ein Geständnis im Ausländerterrorismusbereich abgelegt hatte. Die Verbrecher, die für den Anschlag auf die Diskothek „La Belle“ dingfest gemacht werden konnten, wurden erst nach Öffnung der Mauer und der damit verbundenen