Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
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sie zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt wurde.

      Bewegung „2. Juni“

      Im Gegensatz zur RAF, die sich als hierarchisch strukturierte Kaderorganisation mit marxistisch-leninistischer Ausrichtung organisiert hatte, blieb die Bewegung „2. Juni“ mit ihren Mitgliedern Ralph Reinders, Fritz Teufel, Juliane Plambeck, Inge Viett, Andreas Vogel, Gabriele Rollnick, um nur einige zu nennen, lange Zeit ein lockerer Verband kleiner und weitgehend autonomer Gruppen.

      Ihre Straftaten reichten, angefangen bei dem Bombenanschlag auf den englischen Yachthafen am

      2. Februar 1972, bei dem ein Mann getötet wurde, über Bankraubzüge, die Ermordung des Anarchisten Ulrich Schmöker durch ein Hinrichtungskommando am 5. August 1974, die Ermordung des Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann am 10. November 1974 bis zur Entführung des Berliner Parlamentspräsidenten Peter Lorenz am 27. Februar 1975 und der damit verbundenen Freipressung der inhaftierten Terroristen Verena Becker, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Ralf Pohle, Ina Siepmann und Rolf Heisler.

      Horst Mahler, der ebenfalls freigepresst und gemeinsam mit den oben angegebenen Personen über Westberlin in ein noch zu nennendes Land ausgeflogen werden sollte, verzichtete darauf.

      Alle anderen aber wurden in Begleitung des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters von Westberlin und Pfarrers Heinrich Albertz ausgeflogen.

      Attentat von Drenkmann

      Bereits im Falle des Attentats auf den Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann war es Absicht der Terroristen, ihn zu entführen.

      Unter dem Vorwand, ihm anlässlich seines Geburtstages einen Blumenstrauß überbringen zu wollen, gelang es einem der Täter, sich an Frau von Drenkmann, die heftigen Widerstand leistete, vorbeizudrängen. Als ihr Ehemann im Hintergrund den Krach wahrnahm und nach der Ursache forschen wollte, schoss ihn sein Mörder ohne Vorwarnung nieder und flüchtete.

      Die eigentlich geplante Entführung, wie später an Peter Lorenz vollzogen, endete mit dem Tod des Kammergerichtspräsidenten.

      Am 26. März 1976 konnten in einer Wohnung in der Steinmetzstraße in Berlin-Schöneberg zwei Männer festgenommen werden. Während Eberhard Dreher, einer der Festgenommenen, eher der Sympathisantenszene zugerechnet worden war, gehörte Andreas Vogel, bei dem die Waffe gefunden wurde, mit der man von Drenkmann erschossen hatte, zum engen Kern der Bewegung „2. Juni“.

      Im Zuge der Ermittlungen wurde bei Ralf Reinders, Mitglied der Bewegung 2. Juni, die Tatwaffe gefunden. Zudem gab es Selbstbezichtigungen innerhalb der Gruppe.

      Anlässlich der Kammergerichtsverhandlung, in der mehrere Mitglieder wegen zahlreicher Straftaten angeklagt waren, wurde Reinders wegen Geiselnahme mit erpresserischem Menschenraub, Nötigung, schweren Raubes, unbefugtem Waffenbesitz und anderem zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

      Eine Verurteilung im Zusammenhang mit der Tötung des ehemaligen Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann war wegen fehlender individueller Beweise nicht möglich.

      Die Entführung von Peter Lorenz

      Am 27. Februar 1975 wurde der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses morgens kurz nach halb neun wie üblich von seinem Kraftfahrer an seiner Wohnung in Berlin-Zehlendorf abgeholt. Die Fahrt im Dienstwagen ging durch den Villenvorort in Richtung Stadtautobahn.

      Gegen 8:50 Uhr wurde sein Wagen auf dem nur wenig befahrenen Quermatenweg durch einen einbiegenden Kleinlastwagen blockiert, und als sein Fahrer scharf bremste, fuhr von hinten ein roter Fiat auf, dessen Fahrerin, offensichtlich schockiert, im Wagen sitzen blieb.

      Der Fahrer von Peter Lorenz aber stieg aus, um sich den Schaden anzusehen und wurde in diesem Moment durch ein mittels Isolierband umwickeltes Eisenrohr von hinten niedergeschlagen.

      Im gleichen Moment fielen mehrere Männer über Peter Lorenz her und zerrten den sich heftig wehrenden Mann aus dem Wagen, legten ihm Handschellen an und trugen ihn in das Entführungsfahrzeug.

      Während der Wagen zur Autobahn fuhr, gelang es Peter Lorenz, die Windschutzscheibe mit den Füßen zu zertreten. Danach jedoch erhielt er eine Beruhigungsspritze, so dass er für kurze Zeit „außer Gefecht“ gesetzt war.

      In einer Tiefgarage in Berlin-Charlottenburg wurde Peter Lorenz in den Kofferraum eines Pkw Golf gezwängt, anschließend bei einem erneuten Fahrzeugwechsel an einem Friedhof in Kreuzberg in eine große Kiste gesteckt und mit einem Ford Transit zur nahe gelegenen Schenkendorfstraße 7, ebenfalls in Kreuzberg, gebracht.

      Beim Tragen öffnete sich die Kiste ein wenig, so dass er einen Blick auf die Häuserfront werfen konnte. Diese Kriterien waren später wichtig bei der Suche nach dem „Lorenz-Versteck“ und führten letztendlich auch zur Auffindung dieses, wie die Terroristen es nannten, „Volksgefängnisses“.

      Die dann anlaufenden Fahndungsmaßnahmen sind als einmalig zu bezeichnen. Eine Sonderkommission, bestehend aus 133 Kriminalbeamten, übernahm diesen Part der Ermittlungen, während Hunderte von Schutzpolizisten im Stadtgebiet unterwegs waren, um das Versteck des Parlamentspräsidenten ausfindig zu machen.

      In diese Ermitt-lungstätigkeit hinein kam die erpresserische Forderung der Terroristen, „Peter Lorenz – Gefangener der Bewegung 2. Juni“ werde nur wieder freigelassen, wenn, wie bereits erwähnt, die Inhaftierten Verena Becker und andere in ein noch zu benennendes Land ausgeflogen werden würden.

      Nachdem überzeugende Beweise übermittelt worden waren, dass Peter Lorenz noch lebte, gab die politische Führung der Stadt nach. Die Terroristen wurden am 3. März 1975 ausgeflogen.

      Am Dienstag, dem 4. März, war Pfarrer Albertz, der die Terroristen begleitet hatte, wieder in Frank furt am Main, wo er eine Erklärung der „Befreiten“ in der ARD-Tagesschau verlas.

      Am 4. März 1975 meldete sich Peter Lorenz nachts aus einer Telefonzelle bei der Polizei und am 5. März 1975 um 00:03 Uhr war er im Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke.

      Nachdem der Generalbundesanwalt wegen „Nötigung von Verfassungsorganen“ das Verfahren an sich gezogen hatte, durften nach dem 6. März 1975 aus Berlin keine Erklärungen mehr an die Presse abgegeben werden, was dazu führte, dass nichts mehr über Sinn und Zweck bestimmter Maßnahmen gesagt werden durfte und recht bald der Unmut der Medien und der Öffentlichkeit über die Polizei hereinbrach. „Aktion Wasserschlag“ bezeichneten die Medien die nicht zu übersehenden Durchsuchungswellen mit über 4000 Beamten aus Berlin und anderen Bundesländern, und die linke Szene jubelte laut und voller Häme.

      Diese aber ließ schnell nach, als in den weiteren Monaten die Terroristen Klöpper, Fritzsch, Reinders, Meier, Viett, Plambeck, Teufel, Rollnick, Siepert und Dömeland der Polizei ins Netz gingen.

      Am 14. November 1975 entdeckte der Staatsschutz den Keller, in dem die Verbrecher das „Volksgefängnis“ für Lorenz eingerichtet hatten. Bis zum Ende des Jahres 1975 waren in diesem Verfahren insgesamt 23 Haftbefehle vollstreckt.

      „NS-Gewaltverbrechen“

      Die Abteilung I war weiterhin zuständig für die Bearbeitung der Straftaten, die unter der Bezeichnung „NS-Gewaltverbrechen“ geführt wurden. Man verstand darunter alle Gewalttaten, die bis 1945 von den NS-Machthabern und ihren Helfern und Helfershelfern in Deutschland und in den während des Krieges von Deutschland besetzten Ländern verübt worden waren.

      Dabei stellte neben all den von Deutschen begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor allem die, wie es die Nazis formuliert hatten, „Endlösung der Judenfrage“ eine der größten Herausforderungen für die Ermittlungstätigkeit dar.

      Die am 20. Januar 1942 von Heydrich in eine Villa am Wannsee eingeladenen 15 Staatssekretäre, von denen sieben Doktortitel, hauptsächlich der Philosophie, der Medizin und der Jurisprudenz hatten, beschlossen gemeinsam mit Eichmann und Gestapo-Chef Heinrich Müller die „Endlösung des jüdischen Problems“,