Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
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einen Verbrecher erschießen mussten. Nur selten werden sie mit dieser Situation und der Tatsache, für den Tod eines Menschen verantwortlich zu sein, fertig.

      Sozialistischer Deutscher Studentenbund

      Zurück aber zur Konstellation des Linksextremismus Ende der sechziger Jahre, die in vielerlei Hinsicht aufschlussreich für die Entwicklung in der Bundesrepublik war.

      Es ergaben sich Umwälzungen und Neuerungen, und die Bildung linksextremistischer Gruppierungen waren von einer enormen Intensität geprägt. Wie in anderen Ländern auch (allerdings mit erheblichen Unterschieden zur Bundesrepublik), entstand eine studentische Protestbewegung, in der der Überdruss an der Demokratie ebenso zum Ausdruck kam wie das Unbehagen über die als satt empfundene Wohlstandsgesellschaft.

      Darüber hinaus bewirkte sie gravierende Veränderungen im kulturellen Milieu und verkündete linke Theorien, die sie entweder selbst entwickelt oder aber wieder entdeckt hatte.

      In dieser Bewegung kam dem von der SPD ausgeschlossenen SDS eine besondere Stellung zu, wobei die dem SDS beigetretene anarchistisch-revolutionäre „Subversive Aktion“, die Rudi Dutschke, Dieter Kunzelmann und Bernd Rabehl entwickelt hatten, den Versuch unternahm, den SDS zu unterwandern und ihm eigene Aktionsformen aufzuzwingen.

      Mit dem Tod von Benno Ohnesorg nahm der SDS eine dominierende Rolle in der studentischen Bewegung ein, die antiautoritär eingestellt war und mit den unterschiedlichsten Revolutionstheorien und - bewegungen der Dritten Welt sympathisierte.

      Führender Ideologe und gleichzeitiger Repräsentant dieser Bewegung wurde der 1940 geborene Rudi Dutschke, der wie kein Zweiter in der Lage war, seine rhetorischen Fähigkeiten einzusetzen und durch sein Charisma auch Andersdenkende in seinen Bann zu ziehen. So lehnten er und seine Anhänger das System in toto ab, entschieden sich für eine Art Doppelstrategie und propagierten „den Marsch durch die Institutionen“, der nur als „Mittel zum Zweck“ und letztlich zur Destabilisierung der Macht „der Herrschenden“ dienen sollte.

      Das Attentat auf Rudi Dutschke

      Am 4. November 1968 erschien ein zunächst Unbekannter in der Wohnung des „Kommunarden“ Rainer Langhans und befragte ihn, wo er Rudi Dutschke erreichen könne. Nachdem er die gleiche Frage auch in der SDS-Zentrale, Kurfürstendamm/Ecke Joachim-Friedrich-Straße, gestellt und erfahren hatte, dass dieser im Hause sei, wartete er so lange vor diesem Gebäude auf ihn, bis Rudi Dutschke es verließ.

      Als Dutschke auf sein Fahrrad stieg, stieß der Täter ihn Sekunden später vom Rad und feuerte aus nächster Nähe mit einem Neun-Millimeter-Trommelrevolver auf sein am Boden liegendes Opfer.

      Dutschke, von Schüssen in die rechte Wange, die rechte Brustseite und in den Kopf getroffen, brach zunächst zusammen, raffte sich wieder auf, taumelte zur SDS-Zentrale zurück und brach vor dem Haus zusammen.

      Die nur wenige Minuten später eintreffende Feuerwehr übernahm die Rettung des Schwerverletzten, während die zugleich eintreffenden Funkwagen die Verfolgung des Täters aufnahmen.

      Der Täter, der einige Zeit später als Josef Bachmann identifiziert werden konnte, hatte sich nach dem Verbrechen in den Keller eines Neubaus in der Nestorstraße geflüchtet, wo er auf die ihn verfolgenden Polizeibeamten mindestens 15-mal geschossen hatte, die daraufhin das Feuer erwidert hatten. Von zwei Kugeln der Polizei in Brust und Arm getroffen, konnte Bachmann überwältigt und ebenfalls in ein Krankenhaus transportiert werden.

      Der 23-jährige Josef Bachmann, ein junger Rechtsextremist aus München, wurde, offensichtlich aufgewiegelt durch einen provozierenden Artikel in der „Deutschen Nationalzeitung“, den man bei ihm gefunden hatte, zum Attentäter, der mit seinen Schüssen den „studentischen Aufwiegler“ zur Strecke bringen wollte. Bachmann überlebte seine Verletzungen, Rudi Dutschke aber starb, nachdem er sich zunächst von seinen schweren Verletzungen erholt hatte, elf Jahre später, am 24. Dezember 1979, an den Spätfolgen des Attentats.

      Während der SDS unmittelbar nach den Schüssen auf Rudi Dutschke behauptete: „Ungeachtet der Frage, ob Rudi das Opfer einer politischen Verschwörung wurde: Man kann jetzt schon sagen, dass dieses Verbrechen nur die Konsequenz der systematischen Hetze ist, welche der Springerkonzern und der Senat in zunehmendem Maße gegen die demokratischen Kräfte dieser Stadt betrieben haben“, kam es zu Protestversammlungen an der TU, warfen Demonstranten dort Scheiben ein und gerieten mit Druckereiarbeitern und Angestellten in handgreifliche Auseinandersetzungen.

      Auf den Fuhrpark des Springer-Konzerns flogen Molotow-Cocktails, es wurden Fahrzeuge in Brand gesetzt, was ein „Fanal“ für die deutsche und französische Studentenbewegung sein sollte.

      Erste Straßenschlachten in Berlin

      Zu den Osterfeiertagen 1968 entwickelten sich Straßenschlachten, wobei allein in Berlin bis zu 10 000 Polizisten im Dauereinsatz waren, 388 Demonstranten festgenommen, unbeteiligte Spaziergänger und über 200 Polizisten verletzt wurden. Der Staatsschutz hatte Hochkonjunktur.

      Eine weitere Eskalation erlebte die Stadt am

      4. November 1968, als es immer mehr zu Anarchismus und ersten militanten Aktionen gegen polizeiliche Einsatzkräfte kam. Den Anlass bildete das Ehrengerichtsverfahren gegen Rechtsanwalt Horst Mahler beim Berliner Kammergericht.

      Mahler wurde vorgeworfen, die Standesehre und seine Berufspflichten als Anwalt verletzt zu haben, als er sich am Gründonnerstag nach dem Attentat auf Rudi Dutschke an einem Marsch auf das Axel Springer-Haus beteiligte und von Axel Springer wegen der bei der Demonstration entstandenen Schäden auf über eine halbe Million D-Mark Schadensersatz verklagt worden war.

      Darüber hinaus hatte die politisch motivierte Gewaltbereitschaft eine „Qualität“ erreicht, bei der Brand- und Sprengstoffanschläge in verschiedenen deutschen Städten an der Tagesordnung waren. Örtlich agierende „Tupamaro“ übernahmen zum Teil die „Verantwortung“ dafür.

      Bedeutsamer als diese Verbrechen erwies sich für die kommende Entwicklung des Terrorismus in Deutschland jedoch die Brandstiftung in einem Kaufhaus Anfang April 1968 in Frankfurt am Main.

      Unter den Verhafteten, die einen erheblichen materiellen Schaden angerichtet hatten, befanden sich der aus München stammende Andreas Baader sowie die schwäbische Pfarrerstochter Gudrun Ensslin, die die Brandstiftung als „politische Aktion“ deklarierte und aussagte, diese aus Protest gegen die Gleichgültigkeit, mit der die Menschen den Völkermord in Vietnam hinnahmen, begangen zu haben.

      Baader und Ensslin wurden im Oktober 1968 zu drei Jahren Haft verurteilt, jedoch bereits im Juni 1969 wegen eines Revisionsantrages aus der Haft entlassen und kehrten nach Ablehnung dieses Begehrens nicht in die Haftanstalt zurück.

      Baader-Meinhof-Bande

      Erst 1970 nahm die Westberliner Polizei Baader bei einer Verkehrskontrolle fest, während Gudrun Ensslin endgültig in den Untergrund ging, um das „kapitalistische System in der Bundesrepublik“ mit Gewalt zu bekämpfen. Dazu sollte jedoch Baader befreit werden.

      Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, die sich in Berlin kennen gelernt hatten, bereiteten die gewaltsame Befreiung vor. Am 14. Mai 1970 holten sie ihn gewaltsam aus der Bibliothek des Instituts für soziale Fragen in Berlin-Dahlem heraus, in die sich Baader zuvor vom Gefängnis aus hatte bringen lassen, und fügten einem Institutsangestellten eine schwere Schussverletzung zu.

      Neben Ensslin und Baader hatte nun auch Ulrike Meinhof den Weg in die Illegalität beschritten, und als sich ihnen auch noch Horst Mahler anschloss, sorgten sie in ganz kurzer Zeit als „Baader-Meinhof-Bande“ für Schlagzeilen.

      Sie gab sich zudem den programmatischen Namen „Rote Armee Fraktion“ (RAF) und war, nachdem sie in einem palästinensischen Camp in Jordanien paramilitärisch ausgebildet worden war, für Banküberfälle, mehrere Attentate, die Tote und Verletzte forderten, für Sprengstoffanschläge auf amerikanische Einrichtungen und anderes mehr verantwortlich.

      Nachdem