Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
Скачать книгу
Andreas Baader, Holger Meins und Jan Carl Raspe am 1. Juni 1972 in Frankfurt am Main.

      Als nur wenige Wochen später (7. Juni 1972) Gudrun Ensslin in Hamburg und am 15. Juni 1972 Ulrike Meinhof und deren Begleiter Gerhard Müller festgenommen werden konnten, hatte man die Hoffnung, den Kern der RAF zerschlagen zu haben.

      Allerdings war diese Ansicht trügerisch. Nachdem die RAF-Aktivistin Brigitte Mohnhaupt aus der Haft entlassen worden war, ging sie sofort wieder in den Untergrund und übernahm dort die Führung einer Gruppe, zu der Peter-Jürgen Boock, Knut Folkerts, Rolf Heister, Christian Klar, Rolf Clemens Wagner und Stefan Wiesniewski gehörten.

      Am 7. April 1977 ermordete diese Gruppe den Generalbundesanwalt Siegfried Buback und dessen Fahrer Wolfgang Göbel auf der Fahrt zum Gebäude der Bundesanwaltschaft durch Schüsse aus einer Maschinenpistole und verletzten den Justizhauptwachmeister Georg Wurster so schwer, dass dieser nur wenige Tage später seinen Verletzungen erlag.

      Am 30. Juli 1977 versuchten sie den Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, aus dessen Haus zu entführen.

      Kurz zuvor hatte sich die der Familie Ponto seit Jahren bekannte Susanne Albrecht über die Sprechanlage der Eingangspforte gemeldet.

      Nachdem man sie und ihre Begleiter eingelassen hatte, kam es zum Versuch der Entführung, in dessen Verlauf der sich heftig wehrende Ponto erschossen wurde.

      Am 5. September 1977 entführten die Mitglieder des RAF-Kommandos „Siegfried Hausner“ den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Beim Überfall wurden die Begleiter Schleyers, die Polizeihauptwachtmeister Ulmer und Brändle, der Polizeimeister Pieler sowie der Fahrer Marcisz erschossen.

      Nachdem im Anschluss an diese Tat die Forderungen der Erpresser, RAF-Häftlinge freizulassen, am harten Widerstand der Bundesregierung scheiterten, und auch das Kapern der Lufthansamaschine „Landshut“ durch palästinensische Terroristen zu einem Desaster für sie wurde (eine GSG-9-Einheit hatte die Maschine in Mogadischu gestürmt und die Geiseln befreit), begingen die in Stammheim inhaftierten Häftlinge Baader, Ensslin und Raspe Selbstmord (Ulrike Meinhof war bereits im Jahr zuvor freiwillig aus dem Leben geschieden).

      Am 19. Oktober 1977 fand die Polizei im Kofferraum eines geparkten Personenkraftwagens in Mühlhausen/Frankreich den ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Schleyer.

      Im Jahre 1982 gelang der Polizei die Festnahme von Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt.

      Mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten, Stasi-Unterlagen sichten zu können, wurde deutlich, wie eng die Kontakte der RAF-Mitglieder zum MfS gewesen sind. Inge Viett verhandelte ebenso mit dem MfS über die Lieferung von Sprengstoff und Waffen wie Christian Klar, Adelheid Schulz, Henning Beer und Helmut Pohl. Hinzu kam der Vorschlag des MfS zur Einbürgerung aussteigewilliger RAF-Kader, was den Vorteil beinhaltete, erstens eine gewisse Kontrolle ausüben und zweitens verhindern zu können, selbst Zielscheibe terroristischer Aktivitäten zu werden.

      Aktenfunde des Polizeilichen Staatsschutzes und anderer Dienststellen belegen darüber hinaus, das Viett, Klar, Schulz unter anderen an regelmäßiger paramilitärischer Ausbildung teilgenommen hatten. Da zum Übungsprogramm auch die Beschulung an der sowjetischen Panzerfaust RPG 7 gehörte und das Attentat gegen den US-General Kroesen in Heidelberg am 15. September 1981 mit einer solchen Waffe erfolgte, liegt zumindest der Verdacht nahe, dass das MfS bei der Vorbereitung dieses Verbrechens Hilfestellung geleistet hat.

      Mit dem „Untergang“ der DDR und dem „realen Sozialismus“ aber wurde den Linken und den Terroristen ein Großteil ihrer Basis entzogen. Eine Gruppe von Inhaftierten, der sich allerdings nicht alle RAF-Terroristen anschlossen, gab dann Anfang November 1992 die Erklärung ab, dass man nach Freilassung aus der Haft nicht mehr „zum bewaffneten Kampf“ zurückkehren werde.

      Da der Polizeiliche Staatsschutz in der Vergangenheit immer wieder mit Spionagetätigkeiten im ehemaligen Westberlin konfrontiert wurde, sollen nun einige Beispiele unterstreichen, unter welchen Voraussetzungen hier Aufklärungsarbeit betrieben wurde.

      Mordfall Moldenhauer

      Am 16. Juli 1980 wurde der in Heilbronn wohnhaft gewesene Bauarbeiter Bernd Moldenhauer auf einem Autobahn-Parkplatz zwischen Bad Hersfeld und Kirchheim erdrosselt aufgefunden.

      Nachdem bekannt geworden war, dass sich Moldenhauer noch am Wochenende zuvor in Westberlin aufgehalten hatte und hier mit Personen aus seinem Bekanntenkreis zusammengetroffen war, wurden diese auf Ersuchen der Kripo Bad Hersfeld beim Polizeilichen Staatsschutz vernommen, da bei diesem Treffen politische Hintergründe vermutet wurden.

      Zu ihnen gehörte der 45-jährige BVG-Angestellte Aribert Freder aus Berlin-Reinickendorf.

      Dieser brachte sich mit seiner Aussage in engen, persönlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang sowohl zum Getöteten als auch zur Tatzeit und zum Fundort der Leiche. Er wurde noch während seiner Vernehmung vorläufig festgenommen und später dem Vernehmungsrichter vorgeführt, der Haftbefehl erließ.

      Die Ermittlungen wurden vom Polizeilichen Staatsschutz weitergeführt, da Freder in seiner ersten Vernehmung angegeben hatte, seit 1971 für das MfS tätig gewesen zu sein. Freder legte in mehreren Vernehmungen ein umfangreiches Geständnis sowohl hinsichtlich seiner geheimdienstlichen Agententätigkeit als auch des Tötungsdeliktes ab.

      Wegen des Tötungsdeliktes, das er im Auftrag des MfS durchgeführt hatte, wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.

      Auftreten einer Einsatzgruppe des sowjetischen militärischen geheimen Nachrichtendienstes (GRU)

      In enger Zusammenarbeit mit dem LfV Berlin und US-Sicherheitsbehörden wurde in einem integrierten Einsatz von Beamten des SEK und des Polizeilichen Staatsschutzes der unter dem Decknamen „George“ auftretende 41-jährige angebliche Journalist Jörg Wilke aus Ostberlin (alias Jörg Willing) während eines geheimdienstlichen Treffens am 1. Dezember 1981, gegen 17:00 Uhr, am Schmetterlingsplatz/Grunewald vorläufig festgenommen.

      Dieses Treffen war einsatztaktisch für ihren Spion abgesichert durch den 1. Sekretär der Botschaft der UdSSR in der DDR Tscherbakow, den 39-jährigen Major der Roten Armee Virsow, den 38-jährigen Major der Roten Armee Petruschin und den 36jährigen Oberstleutnant der Roten Armee Ganin, die ebenfalls im Bereich des S-Bahnhofs Grunewald ergriffen und vorläufig festgenommen wurden. Wilke hatte unter der Legende eines Potsdamer Filmschaffenden einen Angehörigen der US-Schutzmacht im Juli 1981 geheimdienstlich angesprochen, der diese Anbahnung sofort seiner vorgesetzten Dienststelle meldete.

      Die vier Staatsangehörigen der UdSSR wurden noch in der Nacht vom 1. zum 2. Dezember 1981 auf Weisung der US-Behörden einem Vertreter der Botschaft der UdSSR in der DDR im Polizeipräsidium übergeben.

      Jörg Wilke wurde am 2. Dezember 1981 einem Richter vorgeführt, der Haftbefehl erließ.

      Geheimdienstliche Verstrickung der Lebensgefährtin eines Kriminalbeamten

      Am 8. Mai 1984 wurde die Medizinstudentin Christine Mohr wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für das MfS festgenommen.

      Sie hatte zuvor, einer entsprechenden Weisung des MfS Folge leistend, gegenüber ihrem Lebensgefährten, einem bis zu diesem Zeitpunkt beim Polizeilichen Staatsschutz dienstversehenden Kriminalbeamten, ausgesagt, dass sie sich seit 1982 in Ostberlin unter Druck schriftlich zu einer geheimdienstlichen Zusammenarbeit mit dem MfS verpflichtet habe. Man habe ihr den Auftrag erteilt, die Bekanntschaft mit dem Kriminalbeamten zu suchen, um ihn unter Umständen ebenfalls anzuwerben.

      Die Beschuldigte gab zu, dies weisungsgemäß durchgeführt und dem MfS ausführlich über den Kriminalbeamten und Einzelheiten aus dessen privatem Bereich berichtet zu haben.

      Hinsichtlich der Angaben zur Beschäftigungsdienststelle und des Arbeitsgebietes des Kriminalbeamten will sie nur dessen dienstliche Telefonnummer beziehungsweise sein Beschäftigungsfeld „Bearbeitung kommunistischer Unrechtstaten“ mitgeteilt