Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
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Minister Oberländer in der Bundesregierung saß, der in Polen die Eindeutschungspolitik Hitlers betrieben hatte, und Dr. Globke, Kommentator der Nürnberger Gesetze, die rechte Hand des Bundeskanzlers Adenauer war, sowie Generäle, Polizisten, Ärzte und Juristen des ehemaligen Nazideutschland in höchsten Positionen untergebracht waren, glaubte ich nicht mehr daran, dass eine vernünftige Friedenspolitik in der Bundesrepublik betrieben werden würde.“ Warum er sich dann allerdings nicht vehement in der Bundesrepublik gegen derartige Strukturen aufgebäumt beziehungsweise das Ausland über seine Erkenntnisse informiert hatte und stattdessen ausgerechnet in der DDR untergetaucht war, war lange nicht nachzuvollziehen. Er begründete es später damit, dass „die wieder aufgeschürte Verunglimpfung der Widerstandskämpfer und Emigranten in der westdeutschen Presse ein Beweis vor aller Öffentlichkeit gewesen sei, nicht ungestraft gegen die amerikanische Kriegspolitik auftreten zu können und dass ihm nach seiner Flucht aus Deutschland im Jahre 1944 nach England klar geworden war, dass man von einem fremden Land aus nicht tätig sein könne“.

      Dennoch ist ihm nicht viel Freiraum in der DDR geblieben, sodass er 1956, nachdem er sich erkundigt hatte, ob ihm bei seiner Rückkehr in die Bundesrepublik die Verhaftung durch die westdeutsche Polizei beziehungsweise ein Gerichtsverfahren drohe, wieder zurückkehrte und sich völlig aus der Politik heraushielt.

      Der Mauerbau

      In den frühen Morgenstunden des 13. August 1961 traten schlagartig die von der sowjetzonalen Regierung verkündeten Maßnahmen zur Sperrung der Sektoren- und Zonengrenze in Kraft.

      Mit Ausnahme von 13 Sektorengrenzübergängen wurden alle weiteren Übergangsstellen zum SBS (Sowjetischen Besatzungssektor) sowie die bisher für Grenzgänge aus der SBZ (Sowjetischen Besatzungszone) geöffneten fünf Zonengrenzübergänge mit Stacheldraht, Betonpfählen und sonstigem Sperrgerät unter Einsatz starker Kräfte der VP (Volkspolizei), teilweise auch von „Betriebskampfgruppen“, gesperrt. Wie die „Bildzeitung“ damals aufmachte, „war das Brandenburger Tor am Abend Mittelpunkt einer hochexplosiven Situation. Etwa 6000 vor Empörung kochende Westberliner und die bewaffneten Schergen Ulbrichts standen sich gegenüber“. Der Kommandeur der Westberliner Schutzpolizei Duensing beorderte schließlich insgesamt 500 Polizeibeamte zum Brandenburger Tor. Nur mit Mühe gelang es diesen Kräften, die erregte Menge wieder in den britischen Sektor abzudrängen und Willi Brandt, damals Berlins Regierender Bürgermeister, sagte auf einer Pressekonferenz am 13. August 1961: „Es herrscht Trauer und Empörung in beiden Teilen Berlins.“

      Die Lage in der Stadt und damit in unmittelbarer Nähe des kommunistischen Machtbereiches bot beste Arbeitsvoraussetzungen für Agenten aller Couleur und Berlin war Ausgangspunkt vieler Nachrichtendienste aus aller Herren Länder. Wenn es bis zum Bau der Mauer noch mühelos gelang, von West nach Ost oder umgekehrt zu kommen, wurde dies zumindest für westliche Agenten nunmehr zu einem Abenteuer. Dabei zeigte sich das gewaltige von den Zonenmachthabern aufgebaute Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als der gefährlichste Gegner. Der lang andauernde Strom von Flüchtlingen, der vor dem Mauerbau durchaus auch vom MfS für seine Zwecke genutzt wurde, um Spitzel nach Westberlin einschleusen zu können, versiegte nach 1961 schlagartig.

      Das mühelose Überschreiten der Sektorengrenze war über Nacht unterbunden worden und das Passieren der Grenzen nur noch an bestimmten Übergangsstellen zulässig. Für den Staatsschutz oder wie es damals noch hieß, die Abteilung I, bedeutete dies, sich dieser Situation anzupassen. Unter der Bezeichnung „Unrechtstaten des Kommunismus“ waren nun auch allgemein kriminelle Tatbestände, Tötungsdelikte und Freiheitsberaubungen, bei denen ein politischer Hintergrund gegeben war, von der Abteilung I zu bearbeiten.

      Mord an der Mauer

      Aufgrund des nach dem Mauerbau erlassenen Schießbefehls der Zonenmachthaber kam es zu Tötungshandlungen an Menschen, die nichts weiter wollten, als ihren Unrechtsstaat zu verlassen und gemäß der Charta der Vereinten Nationen „Jeder Mensch hat das Recht, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen sowie in sein Land zurückzukehren“ von Ost nach West zu wechseln. So aber schossen Deutsche auf Deutsche, wurden Menschen getötet, Fluchtwillige nach fehlgeschlagenen Versuchen festgenommen und durch die DDR-Gerichte zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.

      Fluchthelfer

      Die Mauer zerriss – und so auch von den sowjetzonalen Machthabern gewollt – die schon vorher durch die politischen Verhältnisse getrennte Stadt völlig. Es entstand eine Situation, in der Familien auseinander gebracht und für viele die Lebensbedingungen unerträglich wurden.

      So beendeten viele die Trennung dadurch, dass sie trotz Mauerbau und Stacheldraht entweder selbst flüchteten oder aber durch Zuhilfenahme eigener oder professioneller Mittel bzw. von Helfern die Flucht wagten. Dabei gab es Gruppierungen, die mit diesem Unternehmen ausschließlich materielle Vorteile erzielten, aber auch solche, die dies aus Menschlichkeit und Hilfe für andere durchführten und dann wiederum die, die sich als Fluchthelfer anboten, nie eine Schleusungsmöglichkeit hatten und nur darauf aus waren, das Elend und die Not anderer ausnutzend, sich betrügerisch zu bereichern, oder dem Ministerium für Staatssicherheit zuzuarbeiten.

      Protestbewegung Ende der sechziger Jahre

      Im Laufe der sechziger Jahre setzte sich bei führenden Politikern in Bonn und bei den Westmächten die Erkenntnis durch, dass die Teilung Deutschlands die politische Lage Europas bestimmte. Diese Veränderungen trugen dazu bei, dass gesellschaftliche Konflikte als intern verursachte und nicht als von außen hineingetragene begriffen und die ungelöste Frage des Bildungs- und Hochschulwesens zum Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen wurden. Deutlich war schon seit 1966/67 in der studentischen Bewegung außerhalb der Hochschulen zu spüren, dass eine teilweise radikal geprägte Klientel geneigt war, besonders in Protesten gegen die militärischen Interventionen der USA in Vietnam Gewalt in Deutschland anzuwenden. Ein Wendepunkt in der Geschichte der studentischen Protestbewegung in der Bundesrepublik stellte zweifellos der Tod des Studenten Benno Ohnesorg dar, der am 2. Juni 1967 durch den Kriminalbeamten Kurras in Berlin erschossen wurde.

      Die ganze Situation in Deutschland war über mehrere Jahre durch eine Eskalation von Gewalt und Gegengewalt zwischen dem Staat und seinen Einrichtungen und der rebellierenden, radikalisierten Studentenschaft gekennzeichnet. Bereits im Vorfeld des Schahbesuches waren durch Senat- und Polizeiführung Signale gesetzt worden, alle als Störungen betrachtete Kundgebungen gegen den diktatorischen Machthaber aus Persien weitgehend zu unterbinden.

      So wurden Plakate, die sich kritisch mit der Rolle des Schahs in Persien auseinander setzten, durch die Polizei entfernt und sichergestellt.

      Nachdem der Schah gemeinsam mit seiner Gattin am 2. Juni 1967 in Berlin-Tempelhof eingetroffen war, besuchte er mittags das Schöneberger Rathaus, vor dem so genannte „Jubelperser“, mitgebrachte Bodyguards aus Persien, mit Holzlatten und Stahlruten auf Demonstranten einschlugen. Abends besuchte das Ehepaar die Deutsche Oper, wo es zu den folgenschweren Auseinandersetzungen und dem Tod des jungen Studenten kam.

      Was war geschehen? Die Auseinandersetzungen vor der Deutschen Oper beziehungsweise deren unmittelbarer Umgebung sind auch heute nicht bis ins Detail geklärt.

      Kurras behauptete in der Gerichtsverhandlung, durch junge Leute in die Enge getrieben worden zu sein und in dieser Situation aus Notwehr geschossen zu haben. Die „Saat der Gewalt“, so äußerte er sich vor Gericht, sei aufgegangen. Er bedauerte den Tod des Studenten, fühlte sich „auch heute (1967) noch unschuldig und mochte weitere Erklärungen im Gerichtssaal nicht abgeben und weitere Fragen auch nicht mehr beantworten“.

      Der Kriminalobermeister Kurras wurde dreieinhalb Jahre später nach dem tödlichen Schuss erneut, diesmal durch die 10. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin, freigesprochen, weil das Gericht eine strafrechtliche Schuld nicht nachweisen konnte. Dagegen wurde er von dem moralischen Vorwurf, den Tod eines Menschen möglicherweise durch „ungesteuertes Fehlverhalten“ verursacht zu haben, ausdrücklich nicht entlastet. Der Vorsitzende wies darauf hin, dass Kurras ein mögliches moralisches Verschulden mit sich selbst abzumachen habe.

      Doch