»Na ja, dann mach«, antwortete ich. Warum er auch immer alles so kompliziert sehen musste.
»Das geht nicht so leicht«, meinte er nachdenklich.
»Hat sie einen anderen Herrn? Dann solltest du dich nicht einmischen, das gibt die schlimmste Zänkerei sage ich dir. Aber du kannst ihr deine Gunst erweisen. Beschenke sie mit Nüssen, Kuchenstücken oder mit süßen Früchten.« Mein Dasda zog das Maul nach oben.
»Das ist es nicht. Sie ist frei, aber ich bin es nicht«, meinte er.
»Du hast also schon ein Weibchen?« fragte ich überrascht. Ich hatte bis dahin sein Weibchen noch nicht gesehen, doch fand ich, solange es mich als Nebenfreundin akzeptierte, müsste es auch anderen Weibchen gegenüber tolerant sein. Überhaupt kommt es ja vor allem auf zwei Dinge an: auf die Freude beim Fliegen allein und auf die gemeinschaftliche Freude beim Fliegen im Schwarm. Alles andere sind Teilaspekte davon. So ähnlich teilte ich es meinem Dasda mit, der es aber natürlich nicht verstand.
»Die Liebe zu einer Frau ist nicht für mich vorgesehen«, meinte er.
»Wieso vorgesehen. Entscheidest du das nicht selbst, wenn es sich eben ergibt?«, fragte ich, wusste aber gleich, dass er meine Intelligenz nicht fassen konnte und stattdessen lieber in seinen Gedankenirrwegen dümpeln wollte, die so typisch sind für diese Wesen. Ich wollte ihn aufmuntern, ihm irgendwie die Leichtigkeit des Lebens nahe bringen, so weit wenigstens, wie er es begreifen konnte. Darum drehte ich ein paar elegante Kreise um ihn und setzte mich dann vertraut auf seine Schulter.
Sein zähnefletschendes Bellen wirkte direkt schön und ich gewöhnte mich daran, es als etwas Freundliches zu akzeptieren. Wenn er das tat, kam außerdem bei mir die Botschaft an:
»Ja! Gut ist das! Fein ist das! Ja! Mehr davon!« Es war ähnlich wie unser unbeschreiblich großartiger Lobgesang abends, wenn wir uns versammeln, uns dann gemeinsam erheben und schließlich jubelnd über die Stadt hinweg ziehen, wie eine mächtige schwarze Wolke.
»Wenn du bei mir bist, ist alles gut. Gott lächelt mir durch dich zu, meine liebe Freundin«, sagte er glücklich über meinen Tanz und meinen vertrauten Landeplatz bei ihm.
»Ich lächle dir zu aus Großzügigkeit und aus Freundschaft und …« ich sagte es verschämt: »weil ich dich so sehr mag. Da lächelt kein anderer, nur ich. Wer soll das überhaupt sein, dieser Gott, den du ansprichst wie die Luft um dich herum?« antwortete ich.
»Ach, meine liebe Kleine, Gott ist in allem, er hat uns erschaffen und, wer weiß, vielleicht hat er uns hier zusammengeführt, damit wir Freunde werden.« Ich schaute mich um. Weiter hinten gingen andere Wesen. Bei einer Baumgruppe mit Holzgerüsten, mein Dasda nannte es ›Park‹, saßen welche und bliesen stinkigen Rauch aus ihren Nüstern und Mäulern. Doch jemand besonderen konnte ich nicht entdecken. Natürlich, überall verteilt gab es Meinesgleichen, wie wir ja nun ständig und immer mehr die Stadt als unser Zentrum betrachten.
»Wo ist dieser Gott?« fragte ich schließlich.
»Da in dir und da in mir« antwortete er glücklich. Dabei berührte er zart mit einer seiner Krallen meine Brust, ganz lieb und sanft machte er das. Dann deutete er auf seinen Körper.
Mir war sofort klar, wie wenig diese Wesen vom Sein und vom Leben verstehen. Mein Dasda wusste offenbar nicht, dass in uns roter Lebenssaft fließt und dass wir uns verwandeln und in ein neues Blau fliegen, wenn dieser Saft still steht. Anscheinend nennt er diesen kostbaren Saft ›Gott‹. Wir benennen ihn nicht, wie wir überhaupt selten etwas benennen. Wir leben einfach und jauchzen und fliegen und fressen und singen. Das ist ausreichend, um sich zu freuen und abends zufrieden auszuruhen.
Ich wollte ihm seine Kompliziertheiten aber nicht verderben und ließ ihm seinen Gott. Wenn ihn die eigenen Eltern nicht über den Irrtum aufgeklärt hatten, fühlte ich mich dazu auch nicht berufen. An diesem Abend aber hatte ich das erste Mal keine so große Freude daran, im gemeinschaftlichen Jubel über die Stadt hinweg zu ziehen. Ich wollte bei meinem Dasda bleiben, wollte sogar seine Höhle kennenlernen. Doch das schien mir verrückt. Darum flog ich mit einem fröhlichen »Auf Wiedersehen!« ganz ganz hoch hinauf, so weit, dass ich ihn nur noch als kleinen Fleck unter mir wahrnahm.
»Es soll dir gut gehen, lieber Dasda! Wenn du sie brauchst, sollst du Liebe finden oder zumindest alles, was für dich Freude bedeutet!« wünschte ich ihm. Der Gedanke, dass auch ich ihm so etwas wie Freude sein konnte, bei all seinem begrenzten Verstand, erschütterte mich direkt und machte mich klein und groß gleichzeitig. Mein Inneres war heiß und aufgewühlt bei diesem Gedanken und in mir klopfte etwas, als wolle es heraus, als sei ihm dieser, mein eleganter schwarz gefiederter Körper, zu klein vor lauter Lust. Vielleicht war es auch dieses innerliche tobende Jubeln, das mein Dasda ›Gott‹ nannte.
Am Tag darauf setzte ich mich auf das, was er ›Fenster‹ nannte. »Da ist mein Fenster« hatte er einmal gesagt, als ich neben ihm herflog und ihn zu seiner Höhle begleitete. Erstaunt bemerkte ich Luft, die mich wie Stein blockierte. Ich sah ihn an einem dieser Holzgerüste sitzen, mit zwei Runddingen vor sich, eines bedeckt mit guten Happen, das andere, kleinere aber tiefere, gefüllt mit braunem Wasser. Von diesem Wasser nahm er immer wieder einen Schluck. Er wirkte müde und traurig, irgendwie auch einsam. Seinem Schwarm begegnete er offenbar nur in diesen Abständen im Haus der schönen Klänge. Sonderbarerweise interessierten mich seine Happen auf dem Rundding gar nicht. Mich interessierte nur, ihn zu sehen. Wieder spürte ich das in mir, das sich wie Wind im Flug, wie frisches Wasser und wärmende Sonne gleichzeitig anfühlte. Sein Anblick weckte meinen Gott in mir.
»Lieber Dasda, du!« Mich störte die Steinluft. Verärgert klopfte ich mit dem Schnabel kräftig dagegen.
Da blickte er mich an, sehr überrascht, und im selben Augenblick verwandelte sich sein Gesicht. Alle Traurigkeit war weg und es war, als sei in seinem Gesicht die Sonne aufgegangen. Mit gebleckten Zähnen und Augen, die wie Sterne funkelten, kam er zu mir und schob die Steinluft hinfort.
»Was für ein lieber Besuch!« teilte er erfreut mit. Ich trippelte auf seine ausgestreckte Pranke und schaute mich um. Sonderbare Höhle, kein Baum, kleines lächerliches Grün eingesperrt in ein Rundding, Holzgestelle, kein Gras am Boden, auch kein Sand, alles glatt. Etwas wirkte weich und sah aus wie Schatten. Ich hob leicht die Flügel und segelte darauf zu.
»Ein Platz auf der Couch für meinen lieben Gast«, teilte mir Dasda mit. Ich verstand kein Wort, sagte ihm aber freundlich: »Schön, dich zu sehen!«
»Wie laut dein Krächzen hier drinnen klingt!« teilte er mit und ich erkannte an den schwammigen Geräuschen, die aus seinem Maul drangen, dass er diese Botschaft mit Geräuschen ausdrücken wollte. Nur gut, dass es ihm besser von Kopf zu Kopf gelang, denn seine Maullaute waren wohl nicht dazu geeignet, sich mitzuteilen, so wie wir das können. Und was meinte er mit ›krächzen?‹. Vielleicht nannte er meine Sangesstimme so. Das Wort gefiel mir aber nicht und, abgesehen von meinem Dasda, gefiel mir kaum etwas von diesen Wesen, außer ihr Proviant natürlich.
»Nun kennst du also mein Zuhause«, vernahm ich von ihm.
»Ja, du armes Wesen du«, antwortete ich mitleidig.
»Dein Himmel ist ja winzig klein. Du bist eingesperrt da drinnen«, fügte ich hinzu.
»Ich fühle mich aber geschützt und geborgen hier. Für mich ist es hier schön« antwortete er feierlich. War ja klar. Sein Verstand begnügte sich mit dieser Enge.
»Wo ist dein Weibchen?« fragte ich.
»Ich habe keine Partnerin« antwortete er überrascht.
»Ach ja, die will ja nicht in deine Höhle kriechen. Vielleicht ist sie wie wir; unabhängig und wohnt unter freiem Himmel«, versuchte ich mehr über dieses Anliegen zu erfahren, denn ich spürte, dass es ihn beschäftigte. Mehr sogar als dieser Gott, den er zu kennen glaubte. »Ja, sie ist frei und ich bin es nicht. Es ist wie es ist. Ich sollte darüber nicht mehr nachdenken«, antwortete er etwas kurz angebunden.
»Außerdem bist du zu mir gekommen. Das ist