DASDA. Karoline Toso. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karoline Toso
Издательство: Bookwire
Серия: EDITION LIGHTHOUSE
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783941717442
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Hintergrund

       Der Abendgast

       Es regnet

       Ja

       Einsicht

       Eins sein

       Erkenntnis

       Ich bin

       Nichts wollen

       All Ein Sein

       Wortlos

       DIE AUTORIN

       Weitere Titel in der Edition Lighthouse

       Das Marienbild

      Sturm wehte heftig über das hübsche Köpfchen des Gänseblümchens hinweg und endlose Regenschauer oder Nebel ließen die kleine Blume frösteln. Sie stand allein inmitten kurzer dunkelgrüner Grashalme, die nun robuster waren, als im Frühling und auch weniger gesellig. Schon lange blieben die vielen lustigen Fluggäste aus, die im Sommer geschäftig über die Wiese schwirrten. Das Gänseblümchen bewunderte von ihnen vor allem die eitlen, aber so anmutigen Schmetterlinge. Was für ein schöner Anblick waren sie gewesen, tanzend im wärmenden Sonnenlicht.

      Jetzt aber blieb die Wiese einsam und still. Warum schlief das Gänseblümchen nicht schon längst mit seinen vielen Geschwistern in der bergenden gemütlichen Erde? Schuld daran war ein Eiskristall, der mitten im Sommer so unerwartet als Hagelkorn neben dem überraschten Blümchen gelandet war, schöner, als alles, das es im Leben des Gänseblümchens je gegeben hatte. Seine vornehm kühle Ausstrahlung beeindruckte das schlichte Gemüt des Blümchens.

      »Wer bist du und woher kommst du?« fragte es schüchtern. Der Eiskristall schaute das Blümchen einen Moment lang ganz bewusst an. Er fand Gefallen an diesem Anblick, schmiegte sich unauffällig an den zarten Stängel der Pflanze und weinte eine Träne der Rührung, weil von diesem kleinen Wesen mütterliche und freundschaftliche Wärme ausging.

      »Ich bin Eis und komme vom Himmel«, antwortete er schließlich. Die Begriffe ›Eis‹ und ›Himmel‹ waren der Blume fremd, doch sie spürte, dass beides etwas Besonderes sein musste. Darum flüsterte sie:

      »Du bist wunderschön, Herr Eis!« Ihre rosa Spitzen an den schmalen weißen Blütenblättern röteten sich dabei und zeigten die Absicht, sich verschämt über die gelbe Mitte zu neigen und damit die Blüte zu schließen.

      »Ach, liebe Blume, meine Kälte scheint dich zu stören«, meinte er.

      »Aber nein!« beeilte sie sich zu antworten.

      »Ich bin nur so ergriffen von deiner Schönheit und Würde.« Sie lächelte ihm zu.

      »Du bist sehr freundlich, aber in der Welt, aus der ich komme, gelte ich als plump und unförmig. Du solltest einmal die einzigartigen Schneekristalle in ihrer filigranen Perfektion sehen. Dieser Anblick würde dich glücklich machen«, antwortete er. Die kleine Blume konnte sich nichts Schöneres als den Hagelkristall vorstellen. Sie spürte Zuneigung zu ihm. Da schmiegte er sich eng an sie, seufzte tief und zerrann als Wassertropfen, der in die Erde sickerte und das Gänseblümchen an den Wurzeln sanft küsste, sich mit ihr verband und Teil von ihr wurde. Das Blümchen bebte vor Wonne und Glück.

      Ein Glück allerdings, das zur Trauer wurde, denn der Hagelkristall blieb für die Augen der Blume verschwunden und hinterließ zwar die Sehnsucht nach ihm, aber auch die Sehnsucht danach, jene Schneekristalle zu sehen, die himmlisch schön sein sollten. Dafür erlitt die zarte Sommerpflanze nun den rauen Herbst. Kälte und Einsamkeit waren hart, so hart, dass sich Zweifel breit machten. War es sinnvoll zu sehnen und zu hoffen? Hatte es die Begegnung mit dem hübschen Eiskristall wirklich gegeben, oder war es nur ein Traum gewesen?

      Tage und Wochen gingen wie ein trübes Einerlei dahin, ohne geflügelte Luftbesucher oder gar Schmetterlinge. Sturm und Nebel beugten das Gänseblümchen, bis zartes Singen es überraschend aus seiner Kältestarre weckte. Das beglückende Singen war überall in der Luft. Es fühlte sich wie sanfte Sonnenstrahlen an, die vor so langen Zeiten einst das Gänseblümchen aus der Erde gelockt hatten. Und doch war es anders, gegenteilig irgendwie. Tausend sanfte Küsse umschmeichelten die zusammengekrampfte Blüte der einsamen Pflanze. Sie riskierte einen Blick und erbebte vor heiligem Staunen.

      Kleine perfekte weiße Schneekristalle tanzten um sie herum, tanzten für sie, fächerten und lächelten ihr zu.

      »Da sind wir, liebe Freundin! Du hast nicht umsonst gewartet.

      Wir sind jetzt da für dich und sind viele und sind eins.

      Wir bringen dir Frieden und Glück.

      Wir bringen dir Ruhe und Erlösung.

      Wir betten dich sanft, damit du dann neu erstehen kannst, wenn die Zeit reif ist.

      Wir sind ein Gruß von deinem Freund und sind eins mit ihm.

      Wir sind wie er hergekommen und er ist in dir, ist Teil von dir

      und wird mit dir auferstehen, wenn uns die Sonne küsst, dann, nach unserer Zeit.«

      Das Gänseblümchen hörte und schaute und staunte und lächelte, bis es endlich glücklich einschlummerte.

      Ist es Sucht,

      dieser große Wunsch,

      dich wieder lachen zu sehen?

      Ist es Sucht,

      dich ausgelassen, unbeschwert und fröhlich

      sehen zu wollen,

      so,

      als ginge es um mein eigenes Glück?

      Ist es Sucht,

      zu merken, dass ich glücklich bin, wenn du es bist

      und dass ich leide, wenn du leidest?

      Es ist Sehnsucht.

      Es ist Empathie.

      Ist es Liebe?

      Ich suche die Oase,

      suche Wasser, Gras und Bäume.

      Doch da sind nur Steine, Sand und Trockenheit.

      Ich suche Schatten, Ruhe, Trost

      und finde Hitze, Eile, Traurigkeit.

      Im Traum, in den Gedanken

      trinke ich aus kühlen Quellen,

      ruhe aus auf sattem Grün

      und lass mich streicheln

      vom sanften Wind,