C -Die vielen Leben des Kohlenstoffs. Dag Olav Hessen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dag Olav Hessen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 9783952440193
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der Wissenschaft, Jöns Jacob Berzelius16, der letztlich diesem Buch den Namen gegeben hat. Der Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert war eine Page 38Revolutionsperiode für die Chemie im Allgemeinen und für den Kohlenstoff im Besonderen. Berzelius nun machte den Kohlenstoff zu C. Versehen mit der Atomnummer 12, schuf das C Klarheit in einer babylonischen Verwirrung von verschiedenen muttersprachlichen Bezeichnungen. Wie sein bekannterer Landsmann Carl von Linné einige Jahre zuvor in der Biologie die binäre Nomenklatur für alles Lebendige etabliert hatte (beispielweise Homo sapiens und Rattus norvegicus), arbeitete Berzelius an der Entdeckung weiterer chemischer Elemente und deren Benennung durch einzelne Buchstaben. Wahrscheinlich ließ Berzelius sich bei diesem Strukturierungsprozess von Linné inspirieren. Einige Stoffe mussten zwei Buchstaben bekommen. Da C bereits für Kohlenstoff stand, bekam Calcium zum Beispiel das Kürzel Ca. Berzelius führte auch die Schreibweise für die Atomanzahl in chemischen Bindungen ein. Noch heute schreiben wir H2O, um zu verdeutlichen, dass Wasser zwei Wasserstoffatome enthält (wobei Berzelius zunächst die Schreibweise H2O verwendete).

      Eben jener Berzelius schlug auch vor, dass Stoffe in organische und anorganische Stoffe eingeteilt werden sollten. Er zählte fast alle Kohlenstoffverbindungen zu den organischen Stoffen, während Salze, Metalle und Wasser als anorganisch klassifiziert wurden. Die Einteilung in die organische und anorganische Chemie haben wir beibehalten. Die organische Chemie ist dabei im weiteren Sinne auf die Sphäre des Lebendigen bezogen, auch wenn es keine messerscharfe Trennung gibt. Kurz gesagt beschäftigt sich die organische Chemie mit allen Verbindungen, die C und H enthalten, die anorganische mit dem Rest. Berzelius, Robert Boyle, John Dalton und Antoine Lavoisier formen das Quartett, das heute als Begründer der modernen Chemie gilt. Ich persönlich sehe Berzelius auch als Begründer der Stöchiometrie – aber dazu später mehr.

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      Heute wird die Systematisierung der Chemie durch die Beilstein-Datenbank fortgeführt, die größte Datenbank der Welt für organische Chemie. Nach ihr ist die Zeitschrift Beilstein Journal of Organic Chemistry benannt, in der regelmäßig neue Verbindungen und Reaktionen publiziert werden. Geschätzt gibt es per dato ungefähr genauso viele Kohlenstoffverbindungen wie Arten auf unserem Planeten: 10 Millionen. Wir werden hier nicht alle beleuchten. Auch wenn Kohlenstoffatome sich in ihrer eigenen Gesellschaft sehr wohl fühlen und sich mit bis zu 60 anderen Kohlenstoffatomen zusammentun können, ohne ein anderes Element einzuladen, kann man ihnen nicht absprechen, keine Freunde zu haben. Es ist leichter, Verbindungen aufzuzählen, die kein C in sich tragen, als Verbindungen mit C.

      10Jan Baptiste (oder Jean-Baptiste oder Johannes Baptist) van Helmont (1580–1644) war einer der ersten Universalgelehrten, der den Weg zur Aufklärung mitebnete (die oft der Zeitspanne von 1650 bis 1800 zugerechnet wird, obwohl es natürlich keinen abrupten Übergang vom »dunklen Mittelalter« zur Aufklärung gibt). Er war selbst Schüler von Paracelsus, einem der großen Alchimisten, die definitiv noch mit einem Fuß im Mittelalter standen, mit dem anderen schon in der Aufklärung. Aber für unsere Geschichte sind seine Beschreibungen von CO2, das er Sylvestergas nannte, am interessantesten, inklusive der Versuche an Pflanzen, auch wenn er einige falsche Ergebnisse aufzeichnete. Für weitere Informationen siehe: Van den Bulck, E. (1999): Johannes Baptist van Helmont. Katholieke Universiteit Leuven.

      11Joseph Black (1728–1799) ist einer von vielen, die als Erfinder des CO2 gehandelt werden. Aber wie viele Leute können dieses Gas eigentlich entdeckt haben? Die Wissenschaft ist davon geprägt, dass große Entdeckungen nach und nach gemacht werden und CO2 kann in verschiedenen Präzisions- und Informationsstufen beschrieben werden. Außerdem werden Entdeckungen oft parallel gemacht, besonders früher, als weder das Internet noch andere blitzschnelle Publikationskanäle zur Verfügung standen. Aber Black ist ohne Zweifel einer der Erfinder der »latenten Wärme« (Energie, die beispielsweise in Kohle oder Kohlenwasserstoffen gelagert ist), und seine Ideen sind somit Vorläufer der Thermodynamik. Mehr Information zu Black und anderen großen Helden der Wissenschaft unserer Zeit: Gribbin, J. (2002): Science: A History 1543–2001, Allen Lane, New York.

      12Es kann gut sein, dass der Begriff »Universalgenie« in diesem Buch inflationär gebraucht wird, aber wie soll man jemanden wie Joseph Priestley (1773–1804) sonst betiteln? In diesem Rahmen ist es unmöglich, seiner ausschweifenden Biografie gerecht zu werden. Von seinen eigenen Werken wird das folgende Wesentliche hier genannt: Priestley, J. (1772): Directions for Impregnating Water with Fixed Air. Als Vorgeschmack auf seine weitere Arbeit können folgende Werke genannt werden: The Rudiments of English Grammar (1761), A Chart of Biography (1765), Essay on a Course of Liberal Education for Civil and Active Life (1765), The History and Present State of Electricity (1767), Essay on the First Principles of Government (1768). Der Konkurrenzkampf in akademischen Kreisen war früher nicht so stark, doch wenn Priestley kein Universalgenie war, dann weiß ich auch nicht. Es mangelt nicht an Aufzeichnungen über Priestleys Leben – die beste Übersicht findet man jedoch in Collins English Dictionary – Complete & Unabridged 2012 Digital Edition.

      13Schweppes ist bis heute voll im Geschäft, wenn auch heutzutage eher bekannt für sein Tonic Water.

      14Antoine Lavoisier (1743–1794) ist einer der Gründerväter der Chemie und revolutionierte das Fach im Revolutionsjahr 1789 mit der Veröffentlichung des ersten richtigen Lehrbuchs für Chemie: Traité Élémentaire de Chimie. Eine Übersicht über seine wesentlichen Schriften zu Kohlenstoff und Sauerstoff findet sich in der Essaysammlung: Essays, on the Effects Produced by Various Processes On Atmospheric Air; With A Particular View To An Investigation Of The Constitution Of Acids, trans. Thomas Henry (London: Warrington, 1783). Einfacher ist es jedoch, auf folgende Übersicht über Lavoisier und andere große Namen der Chemie zuzugreifen: Eddy, M. D., Newman, W. R., Mauskopf, S. (2014): Chemical Knowledge in the Early Modern World. University of Chicago Press.

      15Es lässt sich nicht bestreiten, dass