Die Höhlenmalereien in Indonesien sind schon lange bekannt, aber erst 2014 konnte man feststellen, dass diese Werke nicht 10.000 Jahre alt sind, wie zuvor angenommen, sondern volle 40.000 Jahre. In diesem Fall war allerdings nicht mehr genug organischer Kohlenstoff für eine Radiokarbondatierung vorhanden. Trotzdem wurde der Kohlenstoff genutzt: In einer Karsthöhle hatten sich auf Teilen der Malereien Calcit- oder Calciumcarbonatknollen gebildet. Es handelt sich dabei um eine Verbindung von Calcium, Kohlenstoff und Sauerstoff (CaCO3). Calcit Page 29lagert Uran ein, das seinerseits eine bekannte Halbwertszeit hat (mehrere Millionen Jahre). Mit Hilfe einer Spezialsäge mit Diamantzähnen konnte man die Knollen mit chirurgischer Präzision in schmale Schnitte zerlegen. Aus den Änderungen im Verhältnis radioaktiver Uranisotope konnte man das Alter der ersten Ablagerungen auf der Kunst bestimmen. Diese entpuppte sich als älter als die meisten europäischen Höhlenmalereien, die zwischen 20.000 und 32.000 Jahre alt sind.9 Die Chauvet-Höhle in Südfrankreich hielt mit 35.000 Jahren, datiert über die 14C-Analyse, den früheren Rekord. Mittlerweile wurden noch ältere Bilder in Form von Handabrücken in einer Höhle in Malaga in Spanien gefunden. Das Alter wird auch dort mit 40.000 Jahren angesetzt. Kann es sich um eine Zeichnung von Neandertalern handeln? Alter und Ursprung der Zeichnungen werden noch untersucht. Dabei ermöglicht es uns der Kohlenstoff selbst, sein Alter genau zu bestimmen.
3Eine gute Übersicht dazu findet sich in: Roston, E. (2008): The CarbonAge. How life’s core element has become civilizations greatest threat. Walker & Co. Eine gelungen Synthese der Zeitreise des Kohlenstoffs durch das Universum und seiner unterschiedlichen Formen und Verbindungen. Es endet, wie so viele Bücher über Kohlenstoff, mit CO2 und Klima. Es gibt auch viele Bücher über das Periodensystem, die weitere Basisinformationen über Kohlenstoff geben. Darunter: Aldersey-Williams, H. (2011): Periodic tales. A cultural history of the elements from arsenic to zinc. Harper Collins Publishers.
4Kohlenstoff kommt sowohl in der Chemie als auch in der Biologie so gut wie nie allein, sondern immer in Kombination mit anderen Stoffen vor. Das Verhältnis zwischen Kohlenstoff und anderen Schlüsselelementen ist dabei kein Zufall, und besonders die Elemente Stickstoff und Phosphor sind in vielerlei Hinsicht wegweisend für Kohlenstoff. Mehr dazu in: Elser, J., Sterner, R. (2002): Ecological Stoichiometry. Princeton University Press. Ein aktueller Übersichtsartikel findet sich in: Hessen, D. O., Elser, J. J., Sterner, R. W., Urabe, J. (2013): Ecological stoichiometry: An elementary approach using basic principles. Limnology & Oceanography 58: 2219–2236.
5Es gibt viele Bücher über die verschiedenen Kohlenstoffzyklen, ganz zu schweigen von den zahllosen Artikeln. Eines der am besten lesbaren und doch wissenschaftlich korrekten ist: Archer, D. (2010): The Global Carbon Cycle. Princeton University Press. Viele von Archers Vorlesungen sind als Podcasts abrufbar. Eine gute Übersicht findet sich auch in: Falkowski, P. et al. (2000): The global carbon cycle: A test of our knowledge of Earth as a system. Science 290: 291–296.
6Die menschliche Evolution ist sowohl biologisch als auch kulturell enger mit dem Feuer verknüpft, als uns bewusst ist. Eine aktualisierte Darstellung der menschlichen Entwicklung, die auch diesen Aspekt beinhaltet, bietet: Harari, Y. N. (2015): Sapiens. A brief history of humankind. Harper Collins, New York. In diesem Buch wird auch die Rolle des Kohlenstoffs für die kulturelle Evolution angesprochen.
7Wrangham, R. (2009): Catching fire – how cooking made us human. Profile Books.
8Libby, W. F. (1969): Radiocarbon dating. Chemistry in Britain, Dec. 1969: 548–552.
9Die Datierung von Höhlenkunst ist ein ebenso spannendes wie umstrittenes Thema. Wer waren die ersten, die Asiaten oder die Europäer? Moderne Menschen oder Neandertaler? Was stellte die Kunst dar? Metaphysische Sehnsüchte, Rituale, Gebete oder waren die Werke einfach nur Ausdruck purer Lust am Zeichnen? Vermutlich werden wir auf diese Fragen niemals Antworten erhalten. Außerdem hat das Thema nur am Rand mit dem Kohlenstoff zu tun. Gute Übersichten über die Datierung finden sich in: Valladas, H. et al. (2001): Palaeolithic paintings: Evolution of prehistoric cave art. Nature 413: 479. Whitley, D. (2009): Cave Paintings and the Human Spirit. The Origin of Creativity and Belief. Prometheus. http://en.wikipedia.org/wiki/Cave_painting; https://de.wikipedia.org/wiki/Höhlenmalerei (beide geöffnet am 24.06.2019).
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Das Feuer erklären
Obwohl die Faszination für Feuer und seine sichtbaren Reste wie Holzkohle, Asche und Ruß als solches verständlich war und ganz praktische Gründe hatte, stieß doch das unsichtbare Endprodukt CO2 auf größeres wissenschaftliches Interesse. Ja, es war ein wundersames Rätsel, wie sich ein schweres Holzscheit einfach so in Luft auflösen konnte und nur einen dünnen Hauch von Asche hinterließ, der mit einem Windstoß im Nichts verschwand.
Auch hier können wir uns erlauben, die alten Griechen zu übergehen, und wagen den Sprung von 40.000 Jahren vor unserer Zeit hinein in ein Europa, das sich mit großen Schritten auf die Zeit der Aufklärung zubewegte. Der erste, der einsah, dass zwischen Feuer, Sauerstoff und Kohlenstoff eine Schicksalsverbindung bestand, und der erste, der CO2 als Resultat von brennender Holzkohle beschrieb, war Jan Baptiste von Helmont, geboren im Jahre 1580 in Brüssel.10 Ihm wurde auch die Ehre zuteil, als Erfinder des Wortes Gas gehandelt zu werden. Helmont machte Versuche an Pflanzen und wog die Erde, in der sie wuchsen, sowohl vor als auch nach der Wachstumsphase. Das Gewicht der Erde änderte sich nicht, aber die Pflanzen waren schwerer geworden. Was war der Grund für diese Gewichtszunahme? Wasser, lautete Helmonts Schlussfolgerung, die Pflanzen Page 31bekamen Wasser, und dieses wiederum verschwand. Bezüglich dieser Schlussfolgerung könnte man, zumindest im Lichte der aktuellen Erkenntnisse, ein bisschen Respekt vor Helmont verlieren, der in seine Überlegungen CO2 nicht mit einbezogen hatte. Alle Forscher treten in die Fußstapfen ihrer Vorgänger, doch es ist unwahrscheinlich, dass Helmonts Entdeckungen allgemein bekannt waren. Das Rad wird verblüffend oft neu erfunden, und zu jener Zeit waren neue wissenschaftliche Erkenntnisse nicht einfach mit ein paar Mausklicks zu finden und herunterzuladen.
Zu denjenigen, die um einen Platz auf dem Siegertreppchen für die Entdeckung von CO2 kämpfen, gehört auch der Schotte Joseph Black11, geboren im Jahre 1728 und seit 1756 Professor der Anatomie und Chemie(!). Scharfsinnig, wie er war, registrierte er, dass Kalkstein, dem Säure zugeführt wird, ein Gas produziert, das er »fixierte Luft« nannte. Er kam zu dem Schluss, dass es sich dabei um dasselbe Gas handelt, das wir ausatmen. Ein weiterer Pionier, der in die unsichtbare Welt der Gase vordringen wollte, war der Engländer Joseph Priestley. Priestley und Black waren gleichen Alters, doch Priestley hatte noch ein paar Talente mehr als sein Namensvetter: Er war Theologe, Philosoph, Chemiker und Pädagoge. Seine Ideen zum Utilitarismus inspirierten zentrale Denker wie Jeremy Bentham, John Stuart Mill und Herbert Spencer. Page 32Der Utilitarismus beschreibt vereinfacht, dass alle Handlungen und Dinge die höchst