Als Lager für Wasserstoffgas in gasbetriebenen Motoren stellen außerdem Kohlenstoffnanoröhren einen der vielversprechendsten Ansätze dar. Darüber hinaus finden sie als Basis für elektrochemische Detektoren, zur Bestimmung von Metallen und in der Pharmaindustrie Anwendung. Bis jetzt haben wir nur über reine Kohlenstoffverbindungen gesprochen. Richtig interessant sind jedoch all die anderen Verbindungen, die Kohlenstoff sonst noch eingehen kann. Wie schon erwähnt, gibt es etwa 10 Millionen unterschiedliche Kohlenstoffverbindungen, und täglich kommen neue hinzu. Der Kohlenstoff hat zweifelsohne noch ein paar Asse im Ärmel, mit denen er uns in den nächsten Jahren überraschen wird.
19Die Systematik der anorganischen Chemie ist gut beschrieben in: Nelson, D., Cox, M. (2010): Lehninger Biochemie 4. Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg, New York.
20Diamanten leben ewig, auf jeden Fall nach unseren Maßstäben, wenn sie nicht einer extremen Kombination aus Druck und Hitze ausgesetzt werden. Eric Roston geht auf dieses Thema in seinem Buch The Carbon Age ein. Die Geschichte des Koh-i-Noor und anderer mythenumwobener Diamanten findet sich in vielen Büchern, die sich aber alle auf ein grundlegendes Werk beziehen: Streeter, E. (1882): The great diamonds of the world. Their history and romance. Ein Auszug findet sich hier: http://famousdiamonds.tripod.com/koh-i-noordiamond.html. Mehr über synthetische Diamanten und die moderne Verwendung von reinem Kohlenstoff findet sich in: Krueger, A. (2010): Carbon Materials and Nanotechnology. Wiley-VCH, Weinheim.
21Krueger, A. (2010): Carbon Materials and Nanotechnology. Wiley-VCH, Weinheim
22Richard Buckminster Fuller (1895–1983) spielt in unserer Geschichte keine besondere Rolle und trug nicht weiter zum Verständnis der Kohlenstoffchemie bei. Er ist aber verantwortlich für die Konstruktion seltsamer Gebäude, die wie eine Vorahnung der Struktur der Fullerene erschienen, weshalb diese Moleküle seinen Namen erhielten.
23Kroto, H. W. et al (1985): C60: Buckminsterfulleren. Nature 318:162–163.
24Biosphere 2 war vermutlich das extravaganteste, visionärste Experiment, das je auf der Erde ausgeführt wurde. Eine Art CERN der Ökologie. Ob der Ansatz realistisch war, darf diskutiert werden, das Experiment selbst fand aber viel Aufmerksamkeit. Am besten beschrieben ist Biosphere 2 in: Poynter, J. (2008): The Human Experiment. Two Years and Twenty Minutes Inside Biosphere 2. Thunders’s Mouth Press, New York.
25Ravve, A. (2012): Principles of polymer chemistry. Springer, New York. Ein Meister der Verkleidung: das Weiche, Harte, Runde
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Die Nachkommen der Nylonstrümpfe
Der Erfolg des Kohlenstoffs als chemischer Partner ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass er sowohl Einzel- als auch Doppel- oder Dreifachbindungen sowie je nach Bedarf auch Kombinationen dieser Verbindungen eingehen kann, solange alle vier Elektronen einen passenden Partner finden. Bei der Kohlensäure hat der Kohlenstoff sich mit einer Doppelbindung an das eine freie Sauerstoffatom gebunden, und an die beiden anderen mit einer Einzelbindung, da diese jeweils noch eine Einzelbindung zum Wasserstoff haben. Beim CO2 existiert eine Doppelbindung zwischen dem C und beiden Sauerstoffatomen. Nun könnte man vermuten, dass es bei Kohlenmonoxid (CO) vier Bindungen gibt, doch stattdessen finden wir hier eine Dreifachbindung, weswegen das Molekül schwach geladen ist. Das trägt dazu bei, dass sich CO unangenehm effektiv an das Hämoglobin der Blutzellen bindet. Weil CO den Konkurrenzkampf gegen O2 in den Blutzellen gewinnt, wirkt es im Gegensatz zu CO2 giftig.
Die Lieblingsposition von C scheint sich in einer Ringstruktur zu liegen, wie wir sie in Graphit, Graphen und Fulleren beobachten können, aber auch in Millionen anderen organischen Strukturen wie DDT. Derartige Kohlenstoffringe sind zentral für alle Lebewesen und sie finden sich auch in zahlreichen synthetischen Komponenten – nicht zuletzt in der Pharmaindustrie. Ungefähr 75 Prozent aller organischen Moleküle enthalten zyklische Verbindungen in der einen oder anderen Form – oft eine Kombination aus verschiedenen Formen. Wenn die Kohlenstoffatome sich in derartigen Familiengruppen zu sechst zusammenfinden, gehen sie oft eine Doppelbindung zu dem einen Nachbarn und eine Einzelbindung zu dem anderen ein – und nur unsere Fantasie kann eingrenzen, Page 53womit sie sich mit ihrer freien, letzten Bindung verknüpfen. Eines der einfachsten Moleküle aus dieser enormen Gruppe ist Benzol, erstmalig beschrieben von August Kekulé im Jahre 1865.
Abbildung 5: Benzol – die rechte, vereinfachte Version ist für die Eingeweihten unter uns.
Auch wenn das Molekül eine einfache Struktur aufweist, so war doch ihre Entdeckung ein Meilenstein der Wissenschaft. Kekulé leitete die Molekülstruktur auf Grundlage seiner Theorie darüber her, welche Bindungen die Elektronen auf der äußeren Schale logischerweise eingehen müssten. Wobei er diese Bindungen »Verwandtschaftseinheiten« nannte. Kekulé gehört zu den »Bekehrten«, die nach der Offenbarungserfahrung einer großartigen Vorlesung ihr eigentliches Wissenschaftsfeld verlassen haben. Justus Liebig inspirierte Kekulé dazu, sein Architekturstudium aufzugeben und sich der Chemie zu widmen. Eben dieser Liebig war auch der Lehrer Friedrich Konrad Beilsteins, des Mannes also, der mit der Klassifizierung aller organischer Verbindungen begann. Wir werden später noch auf Liebig zurückkommen, der auch den Autor dieses Buches inspiriert hat.
Benzol wurde bereits 1825 aus Steinkohleteer gewonnen – von keinem geringen als Michael Faraday. Etwas später wurde es in Benzen umbenannt – nicht zu verwechseln jedoch mit dem Benzin, das wir heutzutage Page 54in unsere Tanks füllen, welches eine Mischung aus unterschiedlichen, verzweigten Kohlenwasserstoffen mit vier bis zwölf Kohlenstoffatomen ist. Die Bezeichnung Benzol etablierte sich nach und nach, und hinter dem charakteristischen, beinahe süßlichen Geruch steckte die Verbindung C6H6. Aber welches Verhältnis diese C’s und H’s zueinander hatten, blieb zunächst ein Mysterium. Wie auch bei dem viel später entdeckten Fulleren gab es keine logische Struktur, die eine stabile Verbindung ergeben hätte. Erst 1865, fand der »Herr der Ringe«, Kekulé, der mittlerweile Professor an der Universität