»Lieber ein Landstreicher als ein Dreckfresser!«
Gleichzeitig holten sie aus – und erstarrten beide gleichzeitig in der Bewegung.
»drek«, fluchte er leise.
»Ich kann sie hören.«
»Und ich sehe sie«, bestätigte Thork mit zusammengekniffenem Auge. »Drei, in meiner Richtung.«
»In meiner zwei. Was sind sie? Ich sehe nur Schatten!«
»Schrate. Sie haben uns eingekreist. Sie werden uns ...«
Kriegsgeheul und Äste, die unter Stiefeln zerbarsten, unterbrachen ihn. Aus verschiedenen Richtungen drangen ungeschlachte, langarmige Wesen auf sie ein, die Keulen und kurze Schwerter schwangen und einen üblen Geruch verbreiteten.
»... angreifen«, beendete Thork seinen Satz und brachte sich in Kampfposition.
Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie die junge Kriegerin sich mit einem wilden Kampfschrei den beiden Schraten entgegen warf, die auf sie zu stürmten, dann begegnete er selbst dem ersten Angriff. Axt und Keule prallten aufeinander. Die Wucht fuhr dem Zwerg bis hinauf in die Schultern und erinnerte ihn unangenehm an seine eigene Ermüdung.
Mit einer leichten Drehung brachte der Zwerg sich außer Reichweite, holte aus und schwang die Axt mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte, gegen die Körpermitte seines Gegners. Tief schnitt die Klinge, und der Schrat stürzte um wie ein gefällter Baum. Dunkles Blut sprudelte aus der Wunde und versickerte im weichen Waldboden. Der zweite Schrat, der seinen Angriff gerade hatte führen wollen, hielt für einen kurzen Moment inne, seine wildschweinartige Schnauze verzog sich im Schrecken. Thork ließ ihm keine Zeit, sich zu erholen. Knochen brachen mit dumpfem Geräusch, als der Schrat mit aufgerissener Seite seinem Gefährten auf den Waldboden folgte.
Keuchend blickte Thork um sich. Die Schwertkämpferin war bedrängt von zwei Gegnern. Sie hielt in der Linken ihr Messer, in der Rechten ein kurzes, dunkles Schratschwert, das sie offenbar einem ihrer Gegner abgenommen hatte. Der ehemalige Besitzer des Schwertes war gerade dabei, hinkend das Weite zu suchen.
Sie machte ihre Sache wirklich gut, stellte Thork mit einem raschen Blick fest. Mit den beiden Waffen wob sie um sich einen Zirkel aus wirbelndem Stahl, den kaum ein Angreifer durchdringen konnte. Sie würde klarkommen.
Mit einigen Sätzen holte der Zwerg den fliehenden Schrat ein und streckte ihn nieder.
Als er seine Axt aus der Leiche befreit hatte und sich dem Kampfgeschehen wieder zuwandte, hatte das Blatt sich gewendet. Die Kriegerin war in eine ungünstige Position zu nahe an den Adlerfelsen geraten und konnte das Schwert nur eingeschränkt gebrauchen. Auf dem weißen Ärmel ihres Hemdes zeichnete sich ein blutroter Fleck ab.
Thork zögerte einen winzigen Augenblick.
Sie war eine Fahrende, gehörte zu diesen Leuten, die auf der Welt spazieren gingen, als wäre sie ein einziger riesiger Spielplatz. Sie blieben nicht, gestalteten nicht, sie formten nicht, sie kamen, nahmen, was die Erde ihnen gab, und zogen weiter. Sie übernahmen keine Verantwortung für die Schöpfung der Götter.
Und sie wollte ihm seine Jagd streitig machen.
Wenn sie nun gegen die Schrate fiele, hätte er ein Problem weniger. Es wäre Schicksal. Niemand konnte von ihm erwarten, dass er sich für eine Sidarthi in Gefahr brachte.
Eine saubere Lösung.
Er sah ihr Gesicht, das im Feuerschein hell schimmerte, und in dem die Anstrengung zu lesen war. So jung.
Er rief die Kraft in sich wach, ließ sie wie einen heißen Lavastrom in seine rechte Hand strömen, die er mit nach vorne geöffneter Handfläche ausstreckte, atmete tief durch und gab den Fluss frei.
Ein faustgroßer, wabernder Hitzeball löste sich von seiner Handfläche und traf einen Wimpernschlag später einen der beiden Schrate zwischen den Schulterblättern. Er war tot, noch ehe er den Boden berührte. Sein Kampfgefährte hielt inne, schockiert und überrumpelt, und die Schwertkämpferin ließ ihm keine Zeit, diesen Fehler zu bereuen. Mit einem blitzschnellen, sauberen Schnitt zog sie ihm die Schratwaffe über die Kehle und trat mit angeekeltem Gesicht beiseite, als dunkles Blut aus der Wunde sprudelte und der Schrat neben seinem Gefährten auf dem Waldboden zusammenbrach.
Über die fünf Schratleichen hinweg musterten sich Zwerg und Kriegerin.
»Du bist ein Zauberer«, sagte sie und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn.
»Nein«, sagte er. »Bin ich nicht.«
»Du hast einen Lichtball geworfen«, sagte sie überdeutlich, als sei er schwer von Begriff. »Dazu muss man ein Zauberer sein.«
»Es gibt verschiedene Wege zum gleichen Ziel«, sagte er und ärgerte sich, nicht die Axt benutzt zu haben.
»Ist mir eigentlich auch egal«, sagte sie.
Stille legte sich über den Kampfplatz.
»Nun«, sagte Thork nach einer Weile und wog seine Axt in den Händen. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»Wir wollten uns gerade wegen des Trolls schlagen«, erinnerte sie ihn. Er beobachtete die dunkel befleckte Spitze ihres Schwertes. Sie zeigte zum Boden.
»Richtig«, sagte er und senkte die Axt ein wenig.
»Was hältst du davon, wenn wir das auf später verschieben«, schlug sie nach einer weiteren langen Pause vor, die der Zwerg stoisch hatte verstreichen lassen. Mit der Linken fuhr sie sich durchs Haar, eine mädchenhafte Geste, die Unsicherheit verriet und nicht recht zu der kaltblütigen Schwertkämpferin passen wollte, die sie ihm bisher geboten hatte.
»Ich meine, nur wegen der Schrate«, fügte sie hinzu, als er weiterhin schwieg. »Für den Fall, dass noch mehr davon sich hier herumtreiben.«
Offenbar war es sein ruhiges, regloses Betrachten, was sie so nervös machte. Sie trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und kickte mit der Stiefelspitze einen kleinen Stein weg. Er begann, die Situation zu genießen.
»Jetzt sag was!«, herrschte sie ihn schließlich an.
»Wir müssen das Lager verlegen«, sagte er ruhig. »Diese Schrate stinken.«
Ihre Schwertspitze hob sich. »Ich sagte nicht, dass ich mit dir ein Lager teilen werde! Ich sprach von einem Waffenstillstand!«
»Nun, dann wirst du mit den nächsten fünf oder zehn Schraten, die höchstwahrscheinlich schon auf dem Weg hierher sind, alleine fertig werden müssen.«
Sie schwieg, sah ihn an, verunsichert.
»Lieber lass ich mich von Schraten aufschlitzen, als mit einem Zwerg zusammen ein Lager aufzuschlagen«, sagte sie schließlich, doch es klang nicht sehr überzeugt.
»Gut«, sagte er. »Dies ist ein freies Land. Es ist deine Entscheidung.« Er stieg über einen der toten Schrate hinweg und bückte sich zu den Resten seines Lagers. Teetopf und Trinkschale waren während des Gefechts weggetreten worden. In der Schale befand sich noch ein wenig Tee, in dem nun Erde und Fichtennadeln schwammen. Mit leisem Bedauern schüttete Thork den Tee in die schwelende Glut, wischte die Schale sorgfältig sauber und begann dann, seinen Rucksack zu schnüren.
»Einverstanden«, sagte sie hinter seinem Rücken. »Ich hole mein Pferd.«
»Dein was?«, fuhr er herum.
»Pferd«, wiederholte sie. »Du weißt schon, diese großen Tiere, vor denen Zwerge sich immer so fürchten.«
»Ich fürchte mich nicht vor Pferden«, stellte er richtig, und seine Stimme klang wie Donnergrollen. »Ich kann sie nur nicht leiden.«
»Ich bin sicher, das wird auf Gegenseitigkeit beruhen«, sagte sie süß. »Halte dich einfach fern, und es wird dir nichts passieren.«
Der Zwerg schnappte nach Luft. »Komm nicht ans Ende meiner Geduld, junge Dame«, drohte er, über die Frechheit der Kriegerin mindestens