Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Pavlovic
Издательство: Bookwire
Серия: Feuerjäger
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958691506
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nach Fichtennadeln und Feuchtigkeit. Sie atmete tief durch und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. Der Auftrag war kein Erfolg gewesen, wirklich nicht. Was so harmlos begonnen hatte, war in ein Himmelfahrtskommando umgeschlagen, das die Hälfte der Gruppe nicht überlebt hatte. Sie tastete nach dem Goldbeutel, der an ihrem Gürtel hing. Ein kleiner Ortswechsel war das, was sie brauchte. Kein Grund, sich länger in Halmesholm aufzuhalten. Die Insel bot noch einige Flecken, die ihr unbekannt waren. Warum sich nicht dort einmal umsehen, bevor der Winter kam.

      »Und was machen wir jetzt?«, fragte Pintel. Krona schrak hoch. In einem flachen Erdloch brannte ein niedriges Feuer. Pintel saß ihr gegenüber und kramte in seinen verbliebenen Essensvorräten. Krona blinzelte irritiert.

      »Habe ich dich geweckt?«, fragte Pintel. »Tut mir leid. Ich habe nicht gemerkt, dass du schläfst.«

      »Das habe ich selber nicht«, sagte Krona und richtete sich mühsam auf die Ellenbogen auf.

      »Und?«, wiederholte Pintel seine Frage. »Was wollen wir denn nun tun?«

      »In welcher Angelegenheit?« Krona zog ihren Rucksack heran und kramte nach ihrem Wasserschlauch.

      »Das fragst du noch? In unserer Erbe-Angelegenheit natürlich.«

      »Ich verstehe nicht ganz. Ich habe zu keinem Zeitpunkt etwas geerbt. Ich hatte nur einen Auftrag.«

      »Den du leider nicht erfüllen konntest wie geplant.«

      »Das kommt vor.«

      »Und das ist alles?« Ungläubige Entrüstung klang aus Pintels Stimme.

      »Ja«, sagte Krona mit allem Nachdruck, den sie aufbrachte.

      »Das ist nicht dein Ernst«, sagte Pintel.

      »Doch«, sagte Krona. »Natürlich steht dir ein Anteil des Goldes zu, das wir da drin gefunden haben. Keine Bange. Ich habe noch niemanden um seinen Anteil beschissen.«

      »Es geht doch nicht um das Gold!«, schrie Pintel. »Wie kannst du nur an so etwas denken!«

      »Ganz einfach«, sagte Krona, plötzlich müde. »Ich habe mein Blut vergossen da drin. Ich mache das nicht für die Ehre und einen Händedruck. Es muss schon auch etwas dabei rüberkommen.« Ihre tastenden Finger stießen im Rucksack gegen eine kleine Feldflasche aus verstärktem Leder. Auch gut. Besser sogar. Sie zog die Flasche heraus, entkorkte sie und nahm einen tiefen Schluck. Eine heiße Welle brandete durch ihr Inneres und wärmte sie.

      »Das Gold steht dir nicht zu«, sagte Pintel.

      »Versuch, es mir wegzunehmen«, sagte sie gleichgültig.

      »Darum geht es doch nicht!« In einer entnervten Geste warf Pintel die Hände in die Luft. »Siehst du nicht, dass wir eine Verantwortung tragen? Etwas hier ist ganz schrecklich schief gegangen. Dieser Schädel hätte das Labyrinth nie verlassen dürfen, und nicht nur hat er es verlassen, sondern auch noch in den völlig falschen Händen! Oder glaubst du etwa, diese Feuerfrau wird seine Kräfte benutzen, um die Not der Armen und Kranken zu mildern? Wohl kaum! Was immer sie damit vorhat, es ist etwas Schlimmes. Und wir haben ihr den Weg geebnet!«

      »Es ist geschehen.« Krona schickte einen zweiten Schluck dem ersten hinterher. »Was willst du denn jetzt noch ändern?«

      »Nichts ändern«, erklärte Pintel. »Dazu ist es zu spät. Aber wieder gutmachen. Wir sollten versuchen, ihre Spur aufzunehmen. Vielleicht können wir den Schädel wieder an uns bringen.«

      »Wir beide.« Krona zog spöttisch eine Augenbraue hoch. »Eine lädierte Soldatin und ein zu kurz geratener Zauberer. Prima Idee, wirklich.«

      »Dann lass uns Verstärkung suchen. Ich habe ein paar Freunde, und du hast sicher auch welche. Oder wir finden etwas über diesen Schädel heraus. Aber, bei allen Göttern, lass uns irgendetwas tun!«

      »Ich habe keine Freunde.«

      »Das ist schade. Trotzdem kann es nicht dein erklärter Wille sein, die Angelegenheit einfach auf sich beruhen zu lassen. So abgebrüht bist du nicht.«

      »Du würdest nicht glauben, wie abgebrüht.«

      »Nein«, widersprach Pintel. »Sonst wärst du nämlich noch auf diesen Südlichen Inseln, und es wäre dir egal, für welche Sache du kämpfst.«

      »Das ist etwas völlig anderes.«

      »So? Warum denn?«

      »Erkläre ich dir ein andermal. Ich bin jetzt wirklich zu geschafft für große Diskussionen.«

      Sie schwiegen eine Weile, die Krona dazu benutzte, in Ruhe die Feldflasche zu leeren. Der Schmerz in ihrem Brustkorb ließ nach. Eine leichte, angenehme Schaukelbewegung des Waldbodens versetzte sie in Schläfrigkeit. Ohne sich unnötig zu bewegen, zerrte sie ihre Decke zu sich heran und wickelte sich ein.

      »Was ist mit Fenrir?«, fragte Pintel schließlich, der in der Zwischenzeit gedankenverloren an einem Stück getrockneten Fladenbrotes herumgekaut hatte.

      »Was soll mit ihm sein«, murmelte Krona. »Er ist tot.«

      »Aber tut dir das nicht leid?«

      »Doch. Natürlich. Ich kann’s aber trotzdem nicht ändern.«

      »Und hast du nicht das Bedürfnis, Rache zu nehmen?«

      »So nahe stand er mir auch wieder nicht«, erklärte sie. »Und jetzt halt den Mund und leg dich hin. Wir haben einen langen Tag vor uns.«

      Sie schloss die Augen und suchte nach einer bequemen Schlafhaltung, die den Schmerz in ihrem Brustkorb nicht wieder aufwecken würde. Auf der anderen Seite des Feuers hörte sie Pintel rumoren und herzzerreißend seufzen.

      »Ich kann nicht schlafen«, sagte er nach einer Weile, als Krona jenes schon beinahe gelungen war.

      »Schlaflied gibt’s nicht«, murmelte sie.

      »Es ist – es ist wegen ihm«, erklärte Pintel in beschwörendem Flüsterton. »Ich meine, drei Schritte neben uns liegt ein toter Mann. Ich fühle mich wirklich nicht wohl.«

      »Er wird deinen Schlaf sicher nicht stören«, sagte Krona und drehte sich stöhnend auf die andere Seite. »Im Gegensatz zu dir und meinem Schlaf.«

      »Dir macht das gar nichts aus«, stellte Pintel mit hörbarem Schaudern fest. »Wie kannst du nur.«

      »Ich habe auf Schlachtfeldern geschlafen, auf denen mehr als ein toter Mann herumlag. Man gewöhnt sich an alles.«

      »Ich nicht«, sagte Pintel. »In meinem Leben gab es bisher nicht so viele tote Menschen. Keine, genau genommen. Und ich will mich auch wirklich nicht dran gewöhnen.«

      Krona sammelte ihre verbliebene Kraft, um sich aufzurichten und zu Pintel hinüber zu sehen. Er hatte sich bis zum Hals in seine Decke gewickelt, nur sein spitziges Gesichtchen leuchtete hell im Schein des niederbrennenden Feuers.

      »Sollen wir ihn begraben?«, fragte sie. »Fühlst du dich dann besser?«

      »Ich glaube nicht«, sagte Pintel bekümmert. »Ich habe auch noch nie an einem Grab geschlafen. Es würde keinen Unterschied machen.«

      »Wir könnten uns danach einen anderen Lagerplatz suchen.«

      Pintel seufzte und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich will ihn anständig und in Ruhe begraben, wenn ich es schon tun muss, und dazu brauchen wir Tageslicht.«

      Krona ließ sich zurücksinken und verbarg ihre Erleichterung. »Versuch einfach, nicht so viel nachzudenken. Und sei für eine Weile ruhig. Reden und Einschlafen verträgt sich nicht.«

      »Es gibt etwas, wodurch ich mich besser fühlen würde«, sagte Pintel nach einer Weile.

      »Was«, murmelte Krona.

      »Ich würde gerne bei dir auf deiner Seite des Feuers schlafen«, sagte Pintel und klang schüchtern. »Ich würde mich dann nicht so allein fühlen.«

      »Du kannst schlafen, wo du willst«,