Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Pavlovic
Издательство: Bookwire
Серия: Feuerjäger
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958691506
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auskostend.

      »Übrigens«, sagte sie, als er sich wieder seinem Rucksack zugewandt hatte. »Wer bist du überhaupt? Wenn wir nun schon ein gemeinsames Lager aufschlagen müssen, will ich zumindest deinen Namen wissen.«

      Er richtete sich auf. »Thork Eisenfels.«

      »Lianna Fengari Ranessa«, stellte sie sich vor, die Stimme voll Stolz. »Da staunst du, was?«

      »Warum sollte ich?«

      »Ranessa. Van Ranessa, der Zigeunerkönig. Er ist der Anführer aller Stämme, und er ist mein Vater. Unsere Blutlinie geht direkt zurück auf Ferinor den Barden!«

      »Nie von dem gehört«, knurrte Thork und wich dabei ein wenig von der Wahrheit ab. Ferinor der Barde war eine mythische Gestalt aus der Alten Zeit und wurde bei den Menschen als Schutzpatron der Reisenden und der Gaukler verehrt. Sein Lied sollte hartem Stein Tränen des Mitleids entlockt haben, so lautete die Legende. Die Zwerge hielten dies selbstverständlich für eine haarsträubende Übertreibung, wie sie nur den Menschen einfallen konnte.

      »Typisch«, schnaubte die Schwertkämpferin. »War nicht anders zu erwarten von einem Zwerg. Ihr habt keine Ahnung von dem, was auf der Erdoberfläche vor sich geht, oder?«

      »Wir beschränken uns auf das Wesentliche«, gab er unfreundlich zurück. »Irgendwelche Blutlinien, unsere eigenen ausgenommen, gehören nicht dazu. Und jetzt, Prinzessin, bewege deinen adligen Hintern und hol deinen Esel, bevor ich’s mir anders überlege.«

      Für einen Augenblick schien sie eine Antwort auf den Lippen zu haben, dann aber winkte sie ab, drehte sich um und verschwand unter den Schatten der Bäume.

      Er sah ihr nach und trat dabei die Reste des Feuers aus.

      Sie kämpften noch zwei weitere Male gegen Schrate, bevor die Sonne aufging.

      Lianna Ranessa erwachte kurz vor Sonnenaufgang aus einem leichten, unruhigen Schlaf, dessen Träume angefüllt gewesen waren mit Schwerterklirren und stinkendem Gedärm. Sie fühlte sich alles andere als erholt, im Gegenteil, sie spürte schmerzhaft jeden ihrer Muskeln, und ihr Körper war bedeckt von Prellungen und brennenden Schnittwunden. Mühsam wälzte sie sich herum und kam auf die Beine. Der Schwarze, den sie in einiger Entfernung angebunden hatte, hob den Kopf und schnaubte leise. Bestimmt nahm er ihr übel, dass sie ihm über Nacht den Sattel nicht abgenommen hatte, aber in einem Wald voller Schrate hatte sie beweglich bleiben wollen.

      Sie rollte ihre Decke zusammen und verstaute sie unter der Klappe ihres Rucksackes. Sie unterdrückte ein Stöhnen, als sie ihn schulterte, hielt dann inne und sah hinunter zu ihrem unfreundlichen Kampfgefährten.

      Der Zwerg schlief, aber seine Haltung, halb sitzend gegen einen Felsbrocken gelehnt, verriet, dass er nicht hatte schlafen wollen. Seine riesigen Pranken lagen auf dem Stiel seiner Axt.

      Götter, konnte der zuhauen. Kurze Beine, aber Schultern, die breiter waren als die eines Zugpferdes. Sein Mantel stand offen, und auf seinem Kettenhemd sah sie ein eigenartiges goldenes Symbol schimmern, das er an einer starken geflochtenen Schnur um den Hals trug.

      Sie sah ihm in das schlafende Gesicht. Das linke Auge musste er verloren haben, denn er trug eine lederne Augenklappe. Überdies war seine linke Gesichtshälfte durch eine lange, alte Narbe entstellt, die unter der Klappe hervor trat, seine Wange zerschnitt und irgendwo in seinem struppigen Bart endete, der wie sein schulterlanges Haupthaar fuchsrot leuchtete. Seine Nase war gebrochen und schief wieder zusammengewachsen, was ihm vollends das Aussehen eines Strauchdiebes verlieh.

      Sie biss sich auf die Unterlippe, während sie ihn betrachtete. Man wusste ja, was man von Zwergen zu halten hatte. Sie waren wilde, hartherzige Gesellen, die nichts auf der Welt höher schätzten als ihr teures Gold, an dessen Glanz sie sich erfreuten und das sie in unterirdischen Städten horteten.

      Intelligenz und Mitgefühl konnte man von einem Zwerg nicht erwarten. Dieser hier hatte nichts getan, um sie zu überzeugen, dass er eine Ausnahme machte. Man musste ihn schließlich nur ansehen. Es wäre nicht schade um ihn – einer mehr oder weniger von dieser Sorte machte nun wirklich keinen Unterschied.

      Dennoch hatte er neben ihr gekämpft, und auch wenn sie den Gedanken hasste, hatte er sie doch aus einer Klemme befreit. Sie musste sich eingestehen, dass es kritisch hätte werden können ohne ihn. Dass er ein Zwerg war, dafür konnte er schließlich nichts.

      Aber der Troll gehörte ihr, und sie durfte nicht riskieren, dass dieser Zwerg ihr zuvor kam. Er war ein Zauberer. Nur die Götter konnten wissen, über welche Möglichkeiten er verfügte.

      Sie stellte sich vor, sie würde sich jetzt über ihn beugen, den Dolch in der Hand, bereit, seine Kehle zu durchschneiden. Sie hörte seinen Atem, sah, wie seine mächtige Brust sich hob und senkte, und dann würde sie ansetzen und die Klinge über seinen Hals führen, kaum hörbar, Blut würde sprudeln und er würde sterben, ehe er noch erwacht war, und Stille würde am Felsen einkehren, kein Atmen mehr, und zu ihren Füßen läge ein erschlaffter Körper in einer sich stetig vergrößernden Blutlache, die den Waldboden färbte.

      Sie schüttelte den Kopf und schimpfte sich eine Närrin. Sie konnte es nicht tun. Selbst wenn er in seinem kalten Herzen nicht das geringste Ehrgefühl tragen mochte, konnte sie ihn nicht einfach im Schlaf töten. Sie hatte neben ihm gekämpft.

      Sie würde so schnell reiten, wie das Gelände es zuließ, und hoffen, ihn abzuhängen.

      Lautlos schlich sie hinüber zu dem Schwarzen, nahm ihn beim Zügel und führte ihn durch die Bäume davon.

      Als Thork endlich erwachte, war er allein. Er richtete sich auf und blinzelte in die Sonne, die bereits hoch am Himmel stand. Von der Kriegerin und ihrem scheußlichen Höllenross war keine Spur mehr zu sehen.

      Thork fluchte lauthals und arbeitete sich in die Höhe. Sie hatte ihn abgehängt, das Miststück, sie klebte möglicherweise bereits seinem Troll am Hintern, und überdies war es schieres Glück, dass er noch in der Lage war, sich darüber zu ärgern. Irgendwann zwischen Mitternacht und Morgengrauen musste er die Kontrolle über sich verloren haben und eingeschlafen sein. Er hatte nicht schlafen wollen, nicht in einem Wald voller Schrate und in der zweifelhaften Gesellschaft einer Menschlichen, die am Abend zuvor mit einem Messer auf ihn losgegangen war.

      Sein Körper protestierte gegen jede Bewegung, als er zwischen den Bäumen einige Schritte machte, um zu sehen, ob sich Hufspuren auf dem unebenen Waldboden erkennen ließen. Tatsächlich wurde er fündig. Sie hatte die Richtung eingeschlagen, die auch er für die richtige hielt, um zurück auf die Trollfährte zu gelangen.

      Er suchte Halt am glatten, silbrig schimmernden Stamm einer alten Buche, während er sich umsah. Die Kämpfe der Nacht hatten ihn Kraft gekostet. Das Atmen verursachte ihm stechenden Schmerz in der Rippengegend. Er erinnerte sich an die riesige Keule des Schrats, der Schlag hatte ihn fast von den Beinen gehoben, und sein Kettenhemd hatte keinen ausreichenden Schutz gegen den dumpfen Aufprall bieten können. Schnittwunden brannten an seinem linken Arm – andere Schrate, andere Waffen, Schwerter und lange gezackte Messer – und immer trafen sie ihn links, da, wo er es nicht kommen sah, er konnte seine Schwäche keinem Gegner verbergen, sie stand ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

      Er schloss sein Auge und ließ mit der kühlen Luft Ruhe in sich strömen, richtete den Blick dann nach innen und nahm Kontakt auf mit der Kraft, die wärmend in ihm lag. Er zweigte etwas davon ab und lenkte es in die schmerzenden Regionen seines Körpers. Der Schmerz wich einem leichten Kribbeln, das allmählich versickerte.

      Thork öffnete sein Auge und blinzelte in das grün gefilterte Sonnenlicht, das durch die Baumkronen auf den Waldboden fiel. Er fühlte sich besser – bereit, seine Jagd wieder aufzunehmen, die nun zweien galt, seinem Troll und einer Schwertkämpferin auf einem Höllenross.

      Überall hier im Wald lagen dunkle Felsbrocken verstreut wie nach einem göttlichen Würfelspiel, bemoost, überrankt und überwuchert von Farn und Schlingpflanzen. Der Weg, den die Reiterin eingeschlagen hatte, zeugte von Rücksichtnahme auf ihr Pferd, das in felsigem Gelände offenbar Schwierigkeiten hatte. Thork hingegen kam gut voran und verkürzte seinen Rückstand, indem er Abkürzungen durch die