Das kalte Licht. Ludger Bollen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludger Bollen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863935436
Скачать книгу
aber auch Zustimmung in den Augen des anderen.

      „Habt Ihr von einer solchen Begebenheit schon einmal gehört?“

      Er schüttelte den Kopf.

      „Nein, … oder vielleicht, … ich hörte von einem Gerücht, wonach Boyle in Oxford einen edlen Stein besitzen soll, welcher bisweilen auf eine seltsame Art zu leuchten vermag. Aber ich habe nie vernommen, dass derlei Kraft sich auf die Haut eines Menschen übertragen hätte. Alles in allem muss ich Euch gestehen, dass ich in dieser Begebenheit nicht mehr als bloße Vermutungen zum Besten gebe. Doch sollte ich recht haben, so würde es uns vielleicht möglich sein, den Lichtschimmer wieder von der Haut abzuwaschen. ohnehin scheint mir, das Geheimnis, welches wir beide gerade gesehen haben, sollte tunlichst keine Verbreitung erfahren. Die Leute fürchten sich vor den Dingen, die sie nicht verstehen, und sehen alsbald Teufelskünste am Werk. Es möchte euren Freund am Ende übel beleumden, sollten sich Gerüchte verbreiten von einem höllischen Licht, welches seinem Körper anhaftete.“

      Falls Lengsdorp noch Unschlüssigkeit und Zweifel in sich getragen hatte, so bewirkte allein die letzte von Ulrichs Überlegungen, dass diese verflogen.

      „Was kann ich tun?“, fragte er, wie jemand, der Unterweisung von seinem Lehrer erhofft.

      „Vorerst versucht bitte einfach nur eine Schüssel mit guter Seifenlauge und eine Bürste zu besorgen. Derweil werde ich während eurer Abwesenheit versuchen, ob sich nicht wenigstens eine kleine Probe des Schimmers von den Fingerkuppen abnehmen und aufbewahren lässt.“

      Lengsdorp drückte nur kurz seinen Arm, sein Einverständnis zu signalisieren. Vor der Türe angelangt stellte Ulrich mit Erleichterung fest, dass die wortkarge Ergebenheit der beiden Soldaten im Gewölbe durch nichts zu erschüttern war.

      Weder schienen sie sich darüber zu wundern, dass die Herren ein weiteres Mal das Licht ihrer Laterne verlöschen ließen, noch zeichnete sich eine Spur fragender Neugier in den Gesichtern ab, derweil einer von ihnen mit Lengsdorp auszog, die Lauge heranzuschaffen.

      Im Licht der neu entzündeten Laterne mühte Ulrich sich wenig später mit einem kleinen Schaber, dessen Metallblatt einer stumpfen Schneide gleichkam, eine winzige Spur des nunmehr freilich wieder gänzlich unsichtbaren Lichtschimmers von den Fingern abzulösen und in einem weiteren seiner Gläschen aufzufangen. Er tat dies mit größter Vorsicht, da die Haut spürbar bereits alle elastische Spannkraft, wie man sie vom lebenden Gewebe gewohnt ist, verloren hatte.

      Der Ertrag war am Ende kaum auszumachen. Hätte er nicht mit einem scharfen Skalpell noch etwas von den Fingernägeln abschneiden können, so mochte man ebenso glauben, das frisch verschlossene Glas in seiner Hand sei leer, doch war Ulrich sicher, dass er einige Hautschuppen hatte gewinnen können.

      Es klopfte an der Tür, und gleich darauf trat Lengsdorp wieder in die Kammer, einen grob gearbeiteten Holzeimer vor sich her schleppend. Etwas von der hellgrau gefärbten, leicht dampfenden Lauge darin spritzte über den Steinboden, als er ihn absetzte und so weit zurecht schob, dass Ulrich mit der Waschung beginnen konnte. Die obenauf schwimmende Bürste war allerdings derart groß und klobig, dass sie nicht zu gebrauchen war. Bald hatte er seine kleine Taschenbürste wieder hervorgekramt, die für ihr Ansinnen weit besser geeignet schien. Es war die wohl seltsamste Waschung, die man sich vorstellen konnte, da sie bei Lichte besehen als überflüssiges Possenspiel erscheinen mochte. Weder war die Hand schmutzig, noch wollte sich durch das Waschen überhaupt eine sichtbare Veränderung einstellen.

      Nach einigen Minuten in denen er die Finger wieder und wieder eingeseift und gestriegelt hatte, entbot sich Lengsdorp, ihn ablösen, doch Ulrich fand, dass die Haut unter der Behandlung, die er ihr angedeihen ließ, bereits gelitten hatte, und er fürchtete, sie möchte stellenweise endlich vom Fleisch reißen, und so erklärte er, dass sie es stattdessen wagen wollten, ein weiteres Mal das Laternenlicht auszublasen, denn ob seine Bemühungen den erhofften Erfolg erzielt hatten oder nicht, konnte allein die Dunkelheit ihnen verraten.

      Als die Nachtschwärze sie ein weiteres Mal umfing, verspürte er den pochenden Herzschlag in seiner Brust. Er hörte die Atemzüge des anderen, der jetzt ebenso angestrengt in die Schwärze starrte wie er selbst, und hielt unwillkürlich seinen eigenen Atem an, als vermöchte dies seine Sinne zu schärfen.

      Nichts.

      Er schloss die Augen, öffnete sie wieder und wartete, wie er es in den beiden Malen zuvor getan hatte. Die Finsternis blieb unverändert. Sein Herz schlug jetzt langsamer, eine Welle der Zuversicht breitete sich in seinem Körper aus.

      „Es ist verschwunden“, flüsterte Lengsdorp schließlich.

      Ja, das rätselhafte, schimmernde Licht war von dem Toten gewichen. Wenn sie später von Brempts Leichnam herrichteten und ihn ins Totenhemd kleideten, so würde niemand mehr eine Spur dessen entdecken, was sie beide gesehen hatten, und er wusste, das war gut so.

      Als Lengsdorp sich einige Minuten darauf von ihm verabschiedete, hatte sein Gesicht das einnehmende Lächeln wiedergefunden, mit dem er Ulrich gut zwei Stunden zuvor begrüßt hatte, und dies obwohl ihn der ungewollt lange Aufenthalt im Zeughaus, wie er erklärte, um eine recht bedeutsame Unterredung an anderer Stelle gebracht hatte. Sie verabschiedeten einander mit einem herzlichen Händedruck und Ulrich versprach, seinen Bericht zügig niederzuschreiben und dafür Sorge zu tragen, dass er dem Kaufmann so schnell wie möglich übereignet werde. Als Lengsdorp das Eingangsportal durchschritt, schien ihm noch etwas eingefallen zu sein, da er inmitten der Bewegung innehielt und sich ein letztes Mal umwandte.

      „Hesenius?“

      Ulrich blickte fragend in des anderen Gesicht. Nun, da auch für ihn eine Sache ausgestanden war, trat die Müdigkeit darin umso deutlicher hervor.

      „Ihr habt Euch klug und besonnen verhalten. Ich bin sehr froh, dass ich Euch begegnet bin“, sagte Lengsdorp. Dann drehte er sich um und schritt hinaus durch das Tor.

      __________

wps1E7B

       3. Kapitel

       Worin die Ungereimtheiten kein Ende nehmen wollenund schließlich alles zu Papier gebracht wird,worin Ulrich ferner bedeutenden Herren die Augen öffnetund diese darüber einen bedeutsamen Beschluss fassen.

      Wenngleich seine Aufgabe hier nun eigentlich beendet war und die Aussicht, einen ausführlichen Bericht über seine Untersuchung schreiben zu müssen, Grund genug gewesen wäre, sich auf den Heimweg zu begeben, beschloss Ulrich für sich, noch einmal Hauptmann van Horn aufzusuchen, von dem er sich eine besondere Auskunft erhoffte. Diesmal war es ein Leichtes, zur Offiziersstube zu gelangen, wo er einen jungen Burschen bat, ihn anzumelden. Fast unverzüglich durfte er eintreten. Van Horn empfing ihn mit wohlwollendem Lächeln. Er schien die Anwesenheit des jungen Gelehrten, wie er Ulrich zu nennen pflegte, weiterhin als willkommene Bereicherung dieses Tages zu sehen. Er saß entspannt hinter einem mit Karten und großformatigen Büchern bedeckten Tisch. Das Wams zur größeren Bequemlichkeit halb aufgeknöpft, wirkte er gleichwohl auch jetzt schneidig und elegant. Ulrich hatte den Eindruck, dass ein beträchtlicher Teil des Solds der Offiziere in den Taschen von Barbieren, Schneidern, Schuhmachern und Sattlern der Stadt landen müsse.

      „Ah, unser junger Gelehrter hat noch etwas auf dem Herzen. Sprecht nur rundheraus“, sagte er lächelnd.

      „Hauptmann, sollte es wohl möglich sein, einen der Männer zu befragen, die vergangene Nacht des Ratsherrn Leichnam hierher gebracht haben?“

      Van Horn schlug zur Antwort einen schweren Lederband auf, blätterte zu einer bestimmten Seite und fuhr mit dem Finger über die dort eingetragenen Zeilen.