Von der Schmiede her kam der dicke Balan. Der Stern blitzte an seiner Brust.
»Großartig, Mister. Das war ja enorm. Aber Sie werden es nicht glauben, so etwas Ähnliches hatten wir diese Woche schon einmal. Da war es Wyatt Earp.«
»Haben Sie ein Jail?« fragte der Spieler.
»Ein sehr schönes. Aber da hat noch niemand drin gesessen.«
»Dann wird’s Zeit, daß diese beiden Banditen es einweihen.«
Manuel Cherry Pika und Joe Mc
Lean waren endgültig aus dem Spiel.
Als Balan wieder auf die Straße kam, blickte er den Fremden an. Plötzlich blieb er stehen.
»Hören Sie, Mister, ich hab mir das überlegt. Wenn Sie nicht Doc Holliday sind, will ich auf der Stelle Abraham Lincoln sein.«
»Doch, Sheriff, Sie haben recht. Und jetzt würde mich interessieren, wie es um einen Brandy bestellt ist.«
»Ausgezeichnet. Sie sollen den besten Tropfen bekommen, Doc, den der alte Balan je ausgeschenkt hat.«
Als der Spieler die Station verließ, wußte er nur, daß Wyatt Earp nach Osten hinübergeritten war.
Und im Osten lag die Frenclyn Ranch. Teufel noch mal, alles schien auf diese Ranch hinzudeuten!
Am späten Nachmittag entdeckte der Spieler zufällig auf einer Anhöhe einen Indianer.
Er verbarg sich hinter einem Gebüsch und wartete, bis der Rote heran war. Dann tauchte er plötzlich vor ihm auf. Mit zwei gezogenen Revolvern. Nicht, weil ein Revolver etwa nicht ausgereicht hätte, sondern wegen der moralischen Wirkung.
»Was träumst du denn hier durch die Gegend, Rothaut?«
Der Indianer schwieg.
Er schwieg auf alle Fragen.
Plötzlich zog der Gambler die Brauen zusammen. Aus der ledernen Gurttasche blickte eine winzige Blechspitze hervor.
»Hör genau zu, Rothaut, was ich dir jetzt sage: Mein Name ist Holliday, Doc Holliday – wenn dir das etwas sagt. Ich bin der humorloseste Bursche, der je hier über diese Savanne geritten ist. Du siehst und hörst, daß ich hier diese beiden Revolver jetzt spanne. Wenn du jetzt nicht auf den ersten Anhieb das Metallstück da aus deiner Gurttasche ziehst und hier zur Seite wirfst, gehen die beiden Revolver los und pusten so viel Löcher durch dich, daß der Wind hindurch-pfeifen kann.«
Gebannt starrte der Indianer in die eiskalten Augen des Georgiers. Wie unter einem Zwang tastete seine Linke nach der Gurttasche, packte den Metallgegenstand und warf ihn auf den Boden.
Doc Holliday wurde um einen Schein bleicher. Das blitzende, handtellergroße Metallstück, das da auf der Erde lag, kannte er so genau wie seine Taschenuhr: Es war der Marshalstern Wyatt Earps.
Er hatte den Kopf ein wenig gesenkt, als er die nächsten Worte durch die zusammengebissenen Zähne preßte:
»Wo – ist – er…?«
Der Indianer kannte den Namen des berühmten Gunfighters, wie jeder ihn im ganzen Westen kannte. Und er wußte auch, daß dieser Doc Holliday der Freund Wyatt Earps war.
Heiser stieß er hervor: »Geronimo hat Wyatt Earp gefangen.«
»Geronimo? Bursche, wenn du mir eine Fabel andrehen willst, dann hörst du dich gleich schreien.«
Der Indianer hob beide Hände und blickte zum Himmel empor.
»Ich sage die Wahrheit. Geronimo hat den berühmten Sheriff Wyatt Earp gefangen.«
»Willst du mir vielleicht weismachen, daß irgendo so ein lächerlicher Indianer-Bandenboß Wyatt Earp einfangen konnte?«
»Es war Geronimo. Und mehr als vier mal zehn Krieger sind bei ihm gewesen.«
Wenige Minuten später wußte der Georgier, daß der abtrünnige Apachen-Chief Wyatt Earp in diesem Hügelland umzingelt und ihn ins Lager geführt hatte, wo er heute beim Sinken der Sonne sterben sollte.
»Vorwärts, Rothaut, dreh dich um. Lauf vor mir her und hol deinen Gaul. Und dann geht’s los! Und wenn wir beide nicht vor Sonnenuntergang in Geronimos Camp sind, siehst du die Sonne nicht mehr aufgehen.«
Der Indianer trottete vor dem weißen Reiter her, holte das Pferd aus einem Gebüsch, wo er es versteckt hatte, und dann ging es in fliegendem Galopp nach Norden.
*
Das Apachenlager war längst nicht so weit entfernt gewesen, wie Wyatt nach den Reden Geronimos vermutet hatte. Der Indianer-Chief hatte sich für den Ritt unendlich viel Zeit gelassen.
Wyatt saß in einem primitiven Zelt, ungefesselt, und hörte den Wächter, den Geronimo ihn bestellt hatte, ununterbrochen die Runde um die kleine Lederhütte machen. Sie hatten ihm die Waffen abgenommen, den Stern, die Zigarren und die Zündhölzer.
Drüben am Feuer saß der »große Geronimo«, starrte in die Glut und freute sich hinter seinem unbeweglichen Gesicht an dem Gedanken, daß er morgen den großen weißen Sheriff Wyatt Earp am kahlen Baum sterben lassen würde.
Der Bursche, der das Zelt bewachte und neben Wyatt saß, hatte den Buntline-Revolver bekommen. Er hatte ihn rechts in seinen Waffengurt gesteckt.
Von dem Augenblick an, da der Marshal auch sein Pferd sehen konnte, das die Roten nicht abgesattelt hatten und das nur wenige Schritte vom Zelt entfernt stand, wußte er, daß er fliehen würde.
Aber dazu mußte er abwarten, bis die Roten sich zum Schlafen gelegt hatten. Und leider schienen sie in dieser Nacht nicht daran zu denken. Sie waren, nachdem Geronimo ihnen das große Ereignis verkündet hatte, in eine Art Hysterie verfallen und hatten sich in stummer Versunkenheit um ihren Häuptling geschart.
Endlich, als die Sterne schon zu bleichen begannen, gab der »Rebell von Arizona« ein Zeichen, worauf sich die Roten niederlegten.
Wyatt, der diesem Augenblick entgegengefiebert hatte, mußte zu seiner Enttäuschung feststellen, daß Geronimo nicht daran dachte, auch zu schlafen.
Er blieb noch am Feuer sitzen, erhob sich aber plötzlich und kam auf das Zelt zu. Deutlich verstand Wyatt die Worte in der Apachen-Sprache:
»Auch du wirst dich jetzt hinlegen, und ich werde die Wache selbst übernehmen.«
Da wußte der Missourier, daß er keine Sekunde mehr zu verlieren hatte.
Die beiden Indianer standen etwa anderthalb Yards auseinander. Wyatt schätzte, daß das Reaktionsvermögen des Häuptlings größer sei als das des Wächters, und hatte beschlossen, Geronimo zuerst anzugreifen.
Mit einem federnden Satz schnellte er aus dem Zelt heraus und war sofort zwischen den beiden Männern. Ein fürchterlicher Uppercut, tief aus der Hüfte hochgerissen, traf den Kinnwinkel des Häuptlings.
Wyatt wußte um die Wirkung dieses Schlages, kümmerte sich deshalb nicht mehr um den stürzenden Indianer, sondern wandte sich blitzschnell dem Wächter zu, der vor Schreck ganz starr dagestanden hatte, jetzt aber die Luft zu einem Schrei einzog. Noch im Ansetzen des Tones wurde er von einem Handkantenschlag an die Kehle getroffen und fiel hintenüber.
Wyatt nahm den Buntline-Revolver an sich und sah sich um.
Als er hinüber zu den Pferden ging, richtete sich drüben beim Feuer einer der Indianer auf. Entgeistert starrte der Apache zu dem Zelt hinüber und stieß dann einen gellenden Schrei aus.
Jetzt spurtete Wyatt los.
Rasch war er bei dem Rappen. Er mußte feststellen, daß die linke Zügelleiste an einem Lasso verknotet war. Blitzschnell hakte er den Zügel unten an der Kandarre aus, nahm das andere Zügelende und schwang sich auf den Rappen.
Im Lager war alles erwacht. Sogar der niedergeschlagene Wächter hatte sich wieder hochgerappelt.