EQUALIZER. Michael Sloan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Sloan
Издательство: Bookwire
Серия: Equalizer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354616
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als sei es ein großes Abenteuer. Eine alte Frau in einem Pelzmantel und Pantoffeln trat mit einem weißen Pudel an einer Leine aus dem modernen Aufzug. Sie sprach angeregt in ihr Handy. Margaret hatte die Mets-Kappe abgenommen und schüttelte ihre Haare aus. Die Jacke stand offen und enthüllte das Red-Sox-T-Shirt und eine bemalte Jeans. Die alte Frau sah sie ein wenig missbilligend an, während sie den Hund zwischen den schweren Möbelstücken hindurchführte.

      Sie gingen zu dem alten Rezeptionstresen aus Teakholz, der ebenfalls auf Hochglanz poliert war. Dahinter waren kleine Fächer aus Teak, die früher die Schlüssel enthalten hatten und in denen nun die Post der Gäste lag. Neben einem Computer stand eine große graue Maschine, die vermutlich die digitalen Zimmerkarten verarbeitete. Mancher Fortschritt ließ sich eben nicht aufhalten.

      Niemand war hinter dem Rezeptionstresen. Darauf stand eine altmodische Klingel, die neben dem Dell-Computer unpassend wirkte. McCall drückte auf den Knopf und die Glocke bimmelte laut genug, dass man sie bis in den Central Park hätte hören können. Aus einem Büro auf der rechten Seite waren Schritte zu vernehmen und dann kam ein Mann hinter dem Tresen herausgeschlurft. Er trug dunkle Hosen und einen blauen Blazer, auf der Brusttasche war der Name Liberty Belle Hotel eingestickt. Sein Haar war immer noch braun, aber dünn geworden und grau gesprenkelt. Er war vermutlich Anfang 70, sehr dünn und er hatte etwas an sich – eine gewisse Wachsamkeit; die wässrigen braunen Augen wirkten unstet in dem langen Gesicht. Sein Atem rasselte asthmatisch. Und er war eindeutig überrascht von dem Gast, der da vor ihm stand.

      »Robert McCall«, sagte er leise.

      »Meinst du, du kannst mit dem Rumgeschlurfe irgendjemand hinters Licht führen, Sam?«

      »Die Bösewichter sehen nur einen alten Mann, der außer Form ist und schlecht zu Fuß, der schnauft, dass man es eine Meile weit hören kann – und dann werden sie unachtsam. Das verschafft mir einen Vorteil.«

      »Den Vorteil brauchst du doch gar nicht mehr.«

      »Den braucht man immer. Man weiß ja nie, wann die Geister der Vergangenheit in die Lobby spaziert kommen. Was willst du, McCall?«

      McCall antwortete nicht. Die alte Frau beendete ihr Handygespräch, winkte Sam zu und zerrte den Pudel zur Vordertür. McCall beobachtete in den Spiegeln neben den Postfächern auf beiden Seiten des Tresens, wie sie ging. Niemand betrat nach ihr die Lobby.

      Sam Kinney warf Margaret einen Blick zu. »Wir vermieten nicht nach Stunden.«

      »Du kennst mich doch wohl besser, Sam. Ich brauche ein Zimmer für die junge Dame.«

      »Wer ist sie?«

      »Verhörst du alle deine Gäste?«

      »Ich muss es wissen.«

      »Sie ist eine Freundin«, sagte er.

      »Du hast keine Freunde, McCall. Weißt du auch, wieso? Weil sie nicht sehr lange leben, wenn sie dir erst mal die Hand geschüttelt haben oder aus deinem Bett gekrochen sind.«

      McCall streckte blitzschnell die Hand über den Tresen aus, schnappte das Handgelenk des alten Mannes und hielt ihn fest.

      »Deine Reflexe waren auch schon mal schneller.«

      »Nicht so schnell wie deine. Lässt du mich vielleicht los?«

      McCall ließ los.

      »Ich brauche ein Zimmer«, sagte McCall noch mal, diesmal leiser. »Erdgeschoss. Mit Aussicht auf den Park, wenn du eines hast.«

      Sam rieb sich das Handgelenk. »Wir haben eine Menge leere Zimmer mit Aussicht auf den Park. Das Plaza schickt uns schon seit 1959 keine überzähligen Gäste mehr vorbei. Aber wir haben immer noch viele Konferenzen. Früher hattest du deinen Jähzorn besser im Griff. Ich schätze, für uns beide hat sich in all den Jahren eine Menge geändert.«

      Seine Finger flogen über das Computerkeyboard. McCall bemerkte, dass sie leicht zitterten. Ein Schlüssel in Form einer Kreditkarte wurde aus der grauen Maschine gespuckt. Sam steckte ihn in ein kleines Etui aus Pappe, auf dem Liberty Belle Hotel stand.

      »Zimmer 602. Hast du Gepäck?«

      »Kein Gepäck.«

      Er gab Margaret die Schlüsselkarte. »Wir haben so spät keinen Zimmerservice mehr. Ich habe gerade die Küche zugemacht, aber wenn du was brauchst, dann ruf einfach an der Rezeption an. Ich kann normalerweise alles für die Gäste besorgen.«

      Sie nickte.

      »Geh schon mal hoch, aber warte auf mich vor der Tür«, sagte McCall.

      »Geh noch nicht ins Zimmer.«

      Sie nickte erneut und steuerte ein wenig unentschlossen auf den Aufzug zu. Sie tippte auf den Knopf. Die Aufzugtür öffnete sich, sie betrat ihn und die Tür schloss sich wieder. McCall sah zu, wie die leuchtenden Ziffern bis zur 6 zählten. Sam Kinney umrundete den Rezeptionstresen.

      »Sag mir, dass du sie nicht vögelst.«

      »Zu alt für mich?«

      »Hat sie Ärger?«

      »Im Moment nicht.«

      Die Fahrstuhlanzeige verharrte auf Nummer 6.

      »Hör mal, McCall. Ich bin im Ruhestand. Ich mag es still und ruhig. Ich mag die alte Mrs. Gilmore und ihren fetten Pudel und die anderen Stammgäste, die hier wohnen. Ich bin zu alt für Typen in dunklen Mänteln mit Knarren, die hier reinkommen und mir die Birne wegballern wollen.«

      »Ich kann auch woanders hingehen.«

      Sam seufzte. »Nein, kannst du nicht.«

      »Ich rechne nicht damit, dass du mir den Rücken freihältst, Sam. Aber wenn die bösen Jungs hier auftauchen und nach ihr suchen, dann ruf mich an.«

      Er nahm eine Karte mit Goldschrift vom Tresen. Darauf stand Sam Kinney – Manager. Er schrieb seine Handynummer auf die Rückseite.

      »Du bist der Nachtportier?«

      »Und normalerweise der Tagrezeptionist. Ich schlafe nicht viel. Man munkelt, dass du ausgestiegen bist.« McCall schwieg. »Kontrolle hatte nichts dagegen? Der hat keinen jungen Schlägertypen geschickt, so als kleinen Schwanzvergleich? Um zu beweisen, dass er einen von der alten Garde umlegen kann?«

      »Sie haben jemanden geschickt, aber nicht, um mich zu töten.«

      »Das heißt nicht, dass sie es nicht tun.«

      »Nein, heißt es nicht.« McCall gab Sam die Karte. »Ich rechne hier nicht mit Ärger, Sam. Ich bleibe nicht hier. Das Zimmer ist allein für die junge Dame. Und nicht lange. Das ist eine Extraktion. Brauchst du ihren Namen?«

      »Nein.«

      »Soll ich den Meldezettel unterschreiben?«

      »Wo sind wir denn hier, wieder zusammen im Tangiers? Ich hab keine Meldescheine.«

      »Willst du eine Kreditkarte?«

      »Alles, was ich von dir will, McCall, ist, dass du deine Freundin hier so schnell wie möglich wieder rausholst. Und dann kommst du nicht zurück.«

      »Das ist der Plan. Kannst du eine Tube Brandsalbe besorgen?«

      »Sicher, hier gibt es einen Geschenkshop, der verkauft so Zeug.«

      »Kannst du das aufs Zimmer bringen? Zusammen mit einem Glas Glenfiddich. Ohne Eis.«

      »Brandsalbe und Scotch. Ich stell lieber keine Fragen.«

      McCall ging zum Aufzug und drückte auf den Knopf. Die Leuchtanzeige bewegte sich vom sechsten Stock nach unten.

      »Womit haben sie dich denn erwischt?«, fragte Sam.

      »Baseballschläger.«

      »Nach einem solchen Schlag gegen die Schläfe müsstest du eigentlich tot sein.«

      »Der Angreifer war kein Experte.«

      »Und wird er noch mal zuschlagen?«