EQUALIZER. Michael Sloan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Sloan
Издательство: Bookwire
Серия: Equalizer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354616
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wieder den Kopf.

      »Vielleicht ein wenig Bettgeflüster? Sich die Geheimnisse anhören, die keiner hören soll, aber das bist ja nur du, eine bildhübsche tschetschenische Frau, die sehr gut Englisch redet, ein Engel, die erzählt das keinem. Abgesehen von ihrem Boss. Der dann die Information nutzt, wie es ihm in den Kram passt.«

      »Ich weiß nicht, wovon du redest.«

      »Erpressung.«

      »Ich kann nicht wieder heimgeschickt werden«, flüsterte sie. »Ich kann nicht zulassen, dass Natalya das passiert.«

      McCall nickte. Das war also die Drohung, die sie über ihrem Kopf baumeln ließen.

      »Hast du ihnen Nein gesagt? Dass du nur tanzen würdest und sonst nichts? Nicke einfach und lächle und lache dann.«

      Sie nickte und lächelte dann. Er flüsterte ihr etwas zu und sie lachte. McCall erhaschte einen Blick auf den Chauffeur in einem der vielen silbernen Spiegel, die an den Wänden um die Tanzfläche verteilt waren. Er entspannte sich. Katia wurde auch lockerer, fand sich langsam hinein. Das war gut.

      »Wie lange haben sie dir gegeben?«

      »Da ist ein Mann an der Bar. Er wartet auf seinen Tanz. Ich soll tun, was immer er verlangt. Er wird mich mit nach oben nehmen.«

      »Nicke ihm zu, wenn wir die nächste Drehung machen.«

      McCall drehte sie herum, als sie näher an der Bar waren. Sie musste gar nicht nicken. Er hatte ihn schon erspäht. Er war gut angezogen, trug einen kohlschwarzen Anzug mit dünnen roten Linien, dazu eine rot-weiße Krawatte mit kleinen Kreiseln darauf. Er trank einen Bourbon. In den Dreißigern. McCall kam er bekannt vor. Möglicherweise jemand, den er in den Lokalnachrichten gesehen hatte, vielleicht sogar auf CNN. Eventuell ein Anwalt, der für einen der großen Sender arbeitete und den Machtpoker in D. C. und die Hintergründe kommentierte. Er betrachtete die Tänzerinnen wie ein Sexualstraftäter. McCall kannte den Blick.

      »Was soll ich nur tun, Robert?«

      Diesmal war alle Fassade und jede Härte aus ihrer Stimme verschwunden. Sie war verängstigt und verloren. Er schwang sie von der Bar weg, spürte, dass der Anwalt sie ganz genau im Auge behielt.

      »Du sagst es ihnen noch einmal. Du wirst nur mit den Kunden tanzen. Die werden dich nicht zwingen. Du bist nur eine Frau. Die haben elf andere, die ihnen keinen Ärger machen. Du bist nichts Besonderes für die.« Sie wollte etwas sagen und überlegte es sich dann anders. Sie drehte den Kopf und sah zurück zu dem Mann an der silbernen Bar.

      »Kennst du seinen Namen?«, fragte McCall.

      »Mr. Frank Gardiner.«

      McCall konnte ihn endlich einordnen. Der Nachrichtenexperte von Fox für das Weiße Haus. Locker, zynisch und schmierig.

      »Der wird heute Abend nicht mit dir tanzen.«

      »Aber man hat mir gesagt …«

      »Er wird seine Meinung ändern.«

      Der dritte Song fing an. Die Bee Gees mit »Stayin’ Alive«. Aber McCall zog Katia von der Tanzfläche zu einem freien Tisch. Er ließ sie Platz nehmen.

      »Sie haben mit einem recht. Du tanzt wie ein Engel.«

      »Sobald du weg bist, wird er einfach hierherkommen und mir einen Hundertdollarschein in die Hand drücken.«

      »Nein, wird er nicht.«

      »Wieso nicht?«

      »Weil ich ihn bitten werde, es nicht zu tun.«

      McCall nahm eines der Dolls-Streichholzbriefchen aus einem Aschenbecher auf dem Tisch. Niemand durfte in dem Nachtklub rauchen, aber sie waren dekorativ und die Gäste sollten sie mit nach Hause nehmen. Er schrieb eine Nummer hinten auf das Briefchen und gab es ihr.

      »Das ist meine Handynummer. Ruf mich an, jederzeit, Tag oder Nacht. Wenn du mich brauchst, bin ich da.«

      Sie nahm das Streichholzbriefchen und sah zu ihm hoch, nun durch Tränen hindurch.

      »Du bist kein Barkeeper, oder?«

      »Klar bin ich das.«

      »Aber du warst nicht immer einer.«

      »Nein.«

      Er machte eine kleine, höfliche Verbeugung vor ihr, nur damit es der Chauffeur sah, als würde er ihr für die drei Tänze danken. Dann ging er an die silberne Bar. Frank Gardiner trank gerade den letzten in der Kehle brennenden Schluck seines Bourbons.

      Jetzt war er dran.

      Er rutschte vom Barhocker. McCall nahm seine rechte Hand am Handgelenk und steuerte ihn von den Cocktailtischen weg.

      »Was zur Hölle glauben Sie …«

      Weiter kam Gardiner nicht. McCall redete leise, aber irgendwie verstand der Washington-Korrespondent jedes Wort, als würden sie plötzlich in einem Kokon stecken.

      »Wenn ich meine Hand ein paar Zentimeter bewege, dann breche ich Ihr Handgelenk. Wenn Sie Ihre andere Hand einen Zentimeter bewegen, dann breche ich die.«

      Gardiner versuchte reflexartig, den Arm freizubekommen, aber McCall hielt ihn wie ein Schraubstock fest.

      »Okay, das lass ich mal durchgehen«, sagte McCall. »Dieses eine Mal. Hören Sie genau zu, denn ich werde das nicht wiederholen. Sie werden die junge Dame nicht um einen Tanz bitten. Sie werden mit gar niemandem tanzen. Der Klub ist zu überfüllt und laut heute Abend. Das werden Sie allen sagen, die Sie fragen. Sie hatten den ganzen Tag Migräne. Das war eine schlechte Idee. Sie gehen heim. Vielleicht haben Sie eine Frau, die da auf sie wartet, ein paar Kinder. Vielleicht eine Freundin. Vielleicht sind Sie einfach nur sehr allein. Das passiert in der großen Stadt. Sie werden nie wieder ins Dolls gehen. Nicht heute Abend und auch an keinem anderen mehr.«

      Gardiners Stimme zitterte. Es lag keine Aggression darin.

      »Wer zur Hölle sind Sie? Ihr Liebhaber?«

      »Nur ein Freund. Ich begleite Sie hinaus. Wenn Sie wieder reingehen, dann werde ich das wissen. Ich werde Sie finden. Ist mir egal, wo Sie wohnen. Ist mir egal, wer es weiß. Ich werde Ihnen sehr wehtun. Klar?«

      McCall hoffte, er würde nicht »wie Kloßbrühe« sagen. Das machte eigentlich keiner. Gardiner sah Robert McCall an und es war wieder wie bei dem Rausschmeißer an der Tür. Er sah etwas in diesen plötzlich kalten, reptilienhaften Augen. Nichts anderes als Tod.

      Gardiner nickte. McCall ließ sein Handgelenk los und blieb stehen. Er tat nichts. Gardiner ging Richtung Ausgang des Nachtklubs. McCall wartete, folgte ihm dann, aber nicht zu nahe. Er drehte sich einmal um und hielt Ausschau nach Katia. Sie war auf der Tanzfläche und tanzte mit einem jungen Typen, der aussah, als würde er bei Vampire Diaries mitspielen. McCall versuchte, die Bedrohungslage einzuschätzen. Es gab keine. Er warf einen Blick über die Tanzfläche, aber Kuzbec war verschwunden. Sonst sah er niemanden, den er erkannte. Er glaubte, dass Borislav Kirov vermutlich alles auf einem Monitor irgendwo in einem Büro mit ansah. Es gab kleine, silberne Kameras an sämtlichen Wänden, die ins Dekor eingearbeitet waren.

      McCall dachte daran, ihr fröhlich zuzuwinken, aber entschied sich dagegen. Er ging Richtung Ausgang.

      Draußen war die Menge größer und lauter geworden. Der Türsteher stritt sich mit einem jungen Pärchen und schubste ein bisschen. Niemand kam an ihm vorbei. McCall ging nach draußen, tippte dem Türsteher auf die Schulter und nickte in Richtung des Paars, das er gerade weggeschubst hatte. Die können rein. Der Türsteher machte einen Schritt zur Seite und das Pärchen betrat den Nachtklub. Er trat dem nächsten Pärchen in den Weg und warf McCall einen nervösen Blick zu. Alles cool? McCall nickte. Spaßig, Gott zu spielen. Er blieb stehen, um sich aus dem stets zerdrückten Päckchen in seiner Brusttasche eine Camel zu fischen und anzuzünden, und sah sich um. Keine Spur von Gardiner. Niemand kam aus dem Klub hinter ihm her. Die Nacht war kalt, aber er beschloss, nach Hause zu laufen.

      Er stieg die Treppe zu seinem Apartment hoch.