Ich fiel schreiend und stöhnend auf die Knie, wie gleichzeitig die arme Margarita schrie und stöhnte. Meister Jouanne fragte mich nun, weshalb ich zu ihm käme und ob ich ihm den Namen des Verführers brächte, den er vergeblich von seiner Tochter durch die Tortur zu erzwingen versucht habe. Da gestand ich ihm meinen Fehler und bewies ihm, dass ich allein der Schuldige sei, nicht sein heiliges, tugendhaftes Kind.
Als der wilde und so grausame Meister Jouanne dies gehört hatte, warf er sich vor dem Torturbette, in Tränen ausbrechend, nieder; er nahm den spanischen Stiefel vom Beine seiner Tochter ab und, dieses ganz blaue und zerquetschte Bein zärtlich in seine Hände nehmend, küsste er die Wunden und verband die zerrissenen Stellen, wobei er sie mit so schmerzlicher Bewegung um Verzeihung anflehte, dass seine Verzweiflung einem Felsen Tränen hätte entlocken können. Dann klagte er laut über das schändliche Benehmen elender Menschen auf dieser Welt und sagte, Gott hätte alle armen Mädchen hässlich und abschreckend erschaffen sollen, weil Tugend und Keuschheit sie nicht vor den Begierden der Edlen und Mächtigen schützten.
Ich trat näher und teilte ihm meinen Plan mit, mein Vaterland zu verlassen; ich erklärte ihm, dass ich Margarita gern als meine Gattin mit mir nehmen wolle.
Meister Jouanne zeigte sich bewegter, als ich ihn je gesehen hatte, aber er blieb fest, und sich zu seiner Tochter wendend, sagte er, dass sie die Antwort zu erteilen habe. Sofort ergriff das junge Mädchen seine Hände, die sie so hart angegriffen und mit Blut bedeckt hatten, küsste sie und erwiderte, dass sie ihren Vater, der nur sie allein als Trost und Stütze in seinem einsamen Leben habe, nicht verlassen wolle, wenn ich ihr auch den Thron Indiens, wohin ich sie führen wolle, anbieten könnte.
Meister Jouanne umarmte seine Tochter sehr innig und zeigte mir die Tür, wobei er rief, er sei Henker, aber nicht Mörder, er wolle mich an diesem Tage nicht töten, aber ich möge mich hüten, in der Stadt oder Umgegend wieder zu erscheinen, wenn mir mein Leben lieb sei.
So ging ich denn gesenkten Kopfes und mit zerrissenem Herzen; als mein Fuß die Schwelle der Tür berührte, hörte ich hinter mir lautes Schluchzen, und als ich mich umdrehte, sah ich Margarita ohnmächtig in den Armen ihres Vaters.
Ich eilte zu ihr. Meister Jouanne stieß mich sehr roh zurück. Als ich nun an der Verzweiflung des Mädchens sah, dass ihre Seele ebenso bekümmert über diese Trennung war wie die meinige, und als ich erkannte, dass sie mich ebenso liebte wie ich sie, konnte mich nichts mehr bestimmen, fortzugehen. Ich bat daher den Vater, mir Margarita zur Frau zu geben, und sagte, dass wir alle drei in irgendeine ferne Gegend, wo wir unbekannt leben könnten, ziehen wollten.
Aber dieser Vorschlag sagte ihm ebenso wenig zu wie die früheren. Er antwortete mir, dass dieser späte Wechsel seines Handwerks seinen Schwiegersohn nicht abhalten werde, ihn zu verachten und diese Verachtung auch auf sein Kind zu übertragen, dass dieses, da es zu seinen Gunsten auf den eigenen freien Willen verzichtet habe, nur dann mein werden könne, wenn meine Liebe stark genug wäre, dem Hasse und dem Schimpfe zu trotzen, die ihrer beider Erbteil sei. Wenn ich ohne Scham die Tochter des Henkers verführt habe, könne ich meinen Fehler nur dadurch wieder gutmachen, dass ich selbst Henker werde wie er. –
Hier endigt das Manuskript meines Ahnen.
Er gibt ebenso wenig den Schluss seiner Geschichte, als er uns über die Vorfälle seines Lebens, die vorausgegangen waren, Bericht erstattet.
Colombe und Margarita hatten wahrscheinlich seinem Herzen zwei Wunden geschlagen, die ohne Aufhören bluteten und an die er nur mit Schmerz und Widerstreben rührte.
Die Folgen dieser beiden bis zum Wahnsinn getriebenen Leidenschaften waren ungleich, aber beide traurig.
Er heiratete Margarita Jouanne.
Ich finde in dem Protokoll einer zu Rouen vollzogenen Hinrichtung den Beweis, dass der wilde Meister Jouanne von seinem Schwiegersohne verlangte, dass er die Bedingungen ihres Handels rücksichtslos erfülle.
Dieses Protokoll sagt:
»Da Meister Pierre Jouanne, der Scharfrichter, dem genannten Martin Eslau die Glieder zu zerbrechen hatte, zwang er seinen neuerdings verheirateten Schwiegersohn, einen Schlag mit der Eisenbarre auf den Delinquenten zu führen, wobei genannter Schwiegersohn in Ohnmacht fiel und von der Volksmenge mit Spottgelächter begrüßt wurde.«
Dieses Glück, das Charles Sanson so teuer erkauft hatte, sollte wie ein Traum vorübergehen. Margarita verließ ihn bald, um in eine bessere Welt zu gehen, nachdem sie ihm einen Sohn geschenkt hatte. Sie starb an der Krankheit, die man die Auszehrung nennt und deren Sitz mehr in der Seele als im Körper liegt.
Der Henker von Paris
Ankunft in Paris
Zu Ende des Jahres 1685 verließ mein Ahne Charles Sanson von Longval die Normandie, wo er die Asche dieser Margarita Jouanne zurückließ, die er mit einer so traurigen Mitgift geheiratet hatte.
Er nahm den Vorschlag, der ihm gemacht wurde, an, nach Paris zu kommen und seine provinzielle Jurisdiktion mit der der Hauptstadt des Königreichs zu vertauschen.
Die lange Reihe der plötzlichen Todesfälle, die auf den Stufen des Thrones die königliche Familie dezimiert hatten, die geheimnisvollen Prozeduren der Chambre ardente, dieses Gerichtshofes, der bei Gelegenheit der Wiederanwendung des durchdringenden Giftes der Borgia, das man das Sukzessionspulver genannt hatte, errichtet worden war, das alles hatte aufgehört, und nichts würde die ruhige Klarheit des Horizontes getrübt haben, wenn eine der unpolitischsten Handlungen unserem Vaterlande, das unglücklicherweise nur zu sehr an die religiösen Streitigkeiten gewöhnt war, nicht eine neue Ära von Widerwärtigkeiten bereitet hätte. Ich meine die Widerrufung des Edikts von Nantes.
Auch andere Umstände verdüsterten die erste Zeit des Aufenthaltes Sansons von Longval zu Paris. Bei seiner Ankunft hatte er in dem Hause des Schandpfahles bei den Hallen wohnen müssen, das von dem Volke mit dem Namen »das Hotel des Henkers« belegt worden war. Nichts als eine solche Wohnung war weniger geeignet, die Melancholie, die an ihm nagte, zu zerstreuen. Dieses Haus war ein düsterer achteckiger Bau, auf dem sich eine durchbrochene Haube von Holz befand, die sich auf einem Pivot drehte und in einen spitzen Glockenturm auslief. Die Verbrecher, die zur Strafe des Schandpfahles verurteilt waren, wurden in dieser Laterne befestigt, in der man ihnen der Reihe nach das Gesicht nach den vier Himmelsgegenden drehte. Man wird sich erinnern, dass diese Art von Ausstellung gewöhnlich an den Markttagen stattfand, damit ihr eine desto größere Volksmenge beiwohne und durch ihre Spöttereien und Verhöhnung noch mehr zur Demütigung beitragen könne.
Die Nebengebäude bestanden aus einem Pferdestall und einem Anhange in Form eines Schuppens, wo man die Nacht über die Körper der Hingerichteten aufbewahrte, ehe sie begraben wurden.
In diesem sonderbaren Schuppen lernte das Haupt meiner Familie einen eigentümlichen Ehrgeiz kennen, als er diese Opfer seines grausamen Berufes, diese bleichen Körper betrachtete, denen er eine letzte und traurige Gastfreundschaft gewährte. Wenn er dadurch, dass er den Tod gab, die Geheimnisse des Lebens finden könnte! Wenn er, ehe er diesen menschlichen Körper auf den Schindanger warf, wie ihm befohlen worden, ihn untersuchte, statt zu dem tötenden Schwerte zu dem Messer greifend, das mit Fleiß durchwühlt, die Mysterien des Organismus sondierte, um daraus nützliche Erfahrungen zur Erleichterung der menschlichen Leiden und zu dem großen Kampfe des Lebens gegen den Tod, der das unwiderstehliche Gesetz der Natur ist, zu ziehen!
Dieser Gedanke bemächtigte sich ganz und gar seines Geistes, und gewiss war er in der Nacht, als er ihn zum ersten Male zur Ausführung brachte, nicht weniger erregt als André Bésale, der sich über die religiösen Skrupel seiner Zeit fortsetzte und zuerst die Ehrfurcht vor den Toten zu verletzen wagte, um die Fackel der Anatomie anzuzünden.
Seine Bemühungen blieben nicht unfruchtbar; wir haben von ihm interessante Beobachtungen über das Spiel der Muskeln und der Gelenke sowie mehrere Rezepte gegen die Affektionen dieses Teiles des Organismus aufbewahrt gefunden.