Waypoint FiftyNine. Sandra Florean. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Florean
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783945230503
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leicht. Keine Schmerzen. Nur ein leichter Hauch von Schleier war durch ihr Nekromantenauge zu sehen.

      Kay rappelte sich auf und klopfte sich den Schmutz von den Kleidern. »Wieso bei allen Sternen der Galaxis hing hier eine antike Nekromantenholzmaske?«

      Virginio, der nun hinter dem Tresen Scherben zusammenfegte, zuckte mit den Schultern. »Ach, das Zeug an den Wänden bringen Stammkunden mit, da kommt halt was zusammen über die Zeit.«

      »Und die Maske, wo kam die her?«

      »Keine Ahnung, die hing da schon, als ich hier angefangen habe.«

      »Schien von der Erde und schon ziemlich alt zu sein.« Cornelius zuckte mit den Schultern. So nüchtern wirkte er richtig seriös, auch wenn er immer noch abgerissen aussah. »Solches Holz gibt es schon nicht mehr seit mindestens vier- oder fünfhundert Jahren.«

      »Das heißt, hier hing unbemerkt all die Jahre ein wahnsinnig altes, nekromantisches Artefakt von ungeahnter Macht?«, fragte Kay ungläubig. »Die Maske muss unfassbar wertvoll gewesen sein.«

      Virginio leerte die zusammengekehrten Scherben mit Schwung von der Kehrschaufel in den Mülleimer. »Hier hat sich jedenfalls nie eine Sau dafür interessiert.«

      »Beim richtigen Käufer hätte das ein Vermögen eingebracht«, seufzte Cornelius.

      Kay fühlte sich schwach auf den Beinen und ließ sich wieder auf ihren Barhocker plumpsen. »Na ja, die hab ich zertrümmert, da ist nichts mehr zu machen.« Sie fühlte sich nahezu euphorisch, nun, da die Gefahr überstanden war.

      »Das habe ich inzwischen auch begriffen.« Cornelius ließ sich wieder neben ihr nieder.

      Kay war eine erfahrene Nekromantin, aber wenn selbst sie die Kontrolle über ihre Kräfte in der Nähe dieser Maske verlor, was wäre erst geschehen, wenn dieses Artefakt in die völlig falschen Hände geraten wäre? Nein, es war gut so. Allerdings sagte sie das besser nicht laut, denn Cornelius schien beim Ausnüchtern in ein dunkles Loch gefallen zu sein.

      »Und wieder ein miserabler Arbeitstag«, murmelte er gerade deprimiert.

      »So übel war er doch gar nicht. Diesem Alfredo hast du es echt gegeben«, merkte Kay an und gestikulierte Virginio, dass sie gerne nochmal einen Cocktail hätte. Diesmal würde sie ihn auch austrinken und nicht nur auf den Boden kicken.

      »Leider bin ich dafür aber nicht bezahlt worden«, merkte Cornelius an.

      »Du brauchst eindeutig bessere Auftraggeber und Geschäftspartner.« Kay nickte mitfühlend. Nicht dass es ihr in naher Zukunft sonderlich besser ergehen würde als Cornelius. Noch hatte sie Geld, aber nicht mehr lange. »Der Markt ist echt unbarmherzig, wenn man allein ist.«

      »Wem sagst du das?« Cornelius rieb sich die Augen. »Mein einziger Gesprächspartner ist meine KI, und die ist fürchterlich schnell beleidigt.«

      »Ich hab seit Wochen mit niemand anderem als meiner KI geredet, also … ich kann’s verstehen«, gab Kay zögerlich zu.

      »Ist deine auch immer gleich sauer?«

      »Nein, aber Benedict bemuttert mich inzwischen. Wir wissen alle, was das heißt: Wir sind erbärmlich.«

      »Das stimmt wohl.«

      Virginio stellte ihr den Cocktail hin.

      »Ihr solltet euch zusammentun«, meinte er und griff sich die Schnapsflasche, während er zu Nova hinüberging.

      Kay lachte über seinen Witz und griff nach ihrem Glas. Dann hörte sie auf zu lachen und sah Cornelius an. »Warum eigentlich nicht?«

      Cornelius nickte nachdenklich. »Eine Nekromantin und ein Archäologe? Könnte funktionieren.«

      Das eröffnete ganz neue Möglichkeiten.

      »Virginio, wir brauchen noch einen Drink. Aber keinen FiftyNiner.« Kay wartete, bis Cornelius das Glas zwischen den Fingern hatte und hob dann ihren Cocktail. »Auf uns, Geschäftspartner. Auf ganz neue Zeiten.« Sie stieß mit ihm an und wollte gerade trinken, als sie nochmal innehielt. »Aber in Zukunft ohne Maden.«

      Sie tranken. Das darauf eintretende Schweigen war diesmal ganz und gar nicht unangenehm.

      »Sag mal«, sagte Kay nach einer Weile, während sich ein wohliges Gefühl von Zugehörigkeit in ihr ausbreitete. »Was ich mich schon immer gefragt habe: Wie lange muss etwas tot sein, damit der Fund als Archäologie und nicht als Grabräuberei durchgeht?«

      

      Venus

      (Ein Intermezzo von Günther Kienle)

      

      Eine Explosion in einer Bar hatte ich auch noch nie erlebt. Seit Minuten klingelten mir die Ohren. Ich hatte mich an Mora und Sora vorbeigeschlängelt, die versuchten die Ordnung wiederherzustellen, und war Nova gefolgt, die eine Gruppe Männer hinausgedrängt hatte. Wenn der Kurze nicht in der Bar auftauchte, fand ich ihn vielleicht irgendwo auf der Station.

      Hier, in der Nähe der Dimensionsschleusen, steckte er schon mal nicht. So langsam ging er mir auf den Sack – wieder einmal.

      Einer der Waffenchecks öffnete sich und ein Schwebetransporter kam mir entgegen. Er trug eine gewaltige Pappschachtel, auf der zahlreiche Warnhinweise in mehreren Sprachen klebten. Dahinter erschien eine der heißesten Frauen, die mir je begegnet waren. Ihre Haare schillerten in allen Regenbogenfarben, umschmeichelten die wohlproportionierten, ausgesprochen weiblichen Rundungen. Und wie sie lief, nein schwebte …

      »Keine Nutten, hatte ich gesagt«, keifte ein Männchen. Es kam den Korridor entlang geschossen und reichte mir geradeso an die Brustwarze. Unwillkürlich musste ich an den Kurzen denken.

      Die lebendig gewordene Venus von Milo sah ihn despektierlich an. Erstaunlich sanft erwiderte sie: »Zunächst erscheint mir der Singular angebracht. Oder siehst du außer mir noch jemanden?«

      Der Mann schüttelte den Kopf. Ich schien für sie Luft zu sein. Andererseits erweckte ich sicher nicht den Eindruck, ich sei gewerblich unterwegs.

      »Obendrein finde ich dein Frauenbild verstörend. Und drittens steht in meinem Arbeitsvertrag der Terminus Stripperin. Es mag Schnittmengen beider Professionen geben – was in meinem Fall allerdings nicht zutrifft.«

      Das Männchen stand mit offenem Mund da, die Arme baumelten hilflos an den Seiten.

      »Unseligerweise enthält genannter Vertrag einen Passus, der mich bei Personalengpässen zu sogenannten niederqualifizierten Aufgaben verpflichtet.«

      Der Mann hob eine Augenbraue. »Also doch eine Nutte.«

      »Au contraire. Ich liefere die Torte, aus der ich bei der Feier spri…«

      »Pscht!«, rief der Mann. Er warf mir einen misstrauischen Blick zu.

      Ich fühlte mich peinlich berührt, aber bevor ich ihn fragen konnte, ob er meinen kongenialen Schreibpartner getroffen hätte, fuhr die heiße Stripperin fort.

      »Und danach bringe ich noch ein paar der speziell angeforderten … Getränke.« Sie sah kurz zu mir und wandte sich dann wieder an das Männchen. »Wenn ich das jetzt sagen darf.«

      Aus einem der Waffenchecks trat die abgerissenste Gestalt, die mir je begegnet war. Dunkle Ringe zogen sich um die Augen des Mannes und sein rotes Oberteil starrte vor Schmutz und Löchern. Waren das Brandflecken? Unbekümmert zwinkerte er der Frau neben dem Schweberoboter zu.

      »Na Süße, du brauchst doch sicher kein so schweres Gerät, um Männer abzuschleppen, oder?«

      »Noch so einer, mit einem antiquierten Frauenbild«, rief die Stripperin. Sie bedachte ihn mit einer Reihe eloquenter Beleidigungen und zerzauste ihm die Haare.

      Bevor ich das nächste Ziel der Dame werden konnte, schlich ich mich davon. Aussichtslos, hier länger auf den Kurzen zu warten.


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