Waypoint FiftyNine. Sandra Florean. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Florean
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783945230503
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ich werde oft zu fragwürdigen Aktionen angestellt, ich bin einiges gewohnt. Du willst gar nicht wissen, wie oft ich tote Mädchen für Männer … ach, lassen wir das, ich schweife ab.« Wenn ihr Auge nur nicht so sehr schmerzen würde. Wieso wurde das immer schlimmer? Die Sicht in diese Welt und hinter den Schleier wechselte laufend, als stände sie mitten auf einem Feld voller Toter. Aber sie war doch nur in dieser abgeranzten Kneipe. Was ging hier vor sich? Kay kniff das Auge zusammen, um den flackernden Bildern zu entkommen, die sich immer mehr mit der Bar vermischten. »Was ich erzählen wollte: Ich wurde von einem Ultrareichen auf einen der Exoplaneten gerufen.«

      Mehr konkrete Daten durfte sie nicht nennen, aber wenn Cornelius nicht ganz abgeschottet vom Weltgeschehen lebte, dürfte er mitbekommen haben, dass auf den bitterarmen Exoplaneten wertvolle Rohstoffe lagen, die mit dreckigem Blut geborgen wurden.

      »Ich habe ein Meer aus Toten wiederbelebt. Man sagte mir, um Rohstoffe abzubauen. Billige Arbeiter, du verstehst schon. Tatsächlich …« Kay holte tief Luft. Die folgenden Worte auszusprechen, fiel ihr schwer: »… tatsächlich missbrauchte der Ultrareiche meine Fähigkeiten auf schändliche Weise. Nachdem ich ihm die Gewalt über die Toten übertragen hatte, befahl er ihnen, dass sie jeden Überlebenden ihres Volkes, der sich noch irgendwo versteckte, aufspüren und töten sollte. Jeden Zeugen. Also all ihre eigenen Kinder, ihre Verwandten, ihre Liebsten. Sie wussten natürlich genau, wo sie sich verbargen. Und sie gingen los und taten, was man ihnen befahl. Ich stand hilflos daneben. Ich konnte nichts tun.«

      »Hm. Das ist schlecht«, sagte Cornelius unsensibel. Mehr nicht.

      »So kann man es auch bezeichnen«, brummte Kay.

      In diesem Moment las der Barkeeper etwas auf dem Display, das an seiner Seite der Theke angebracht war. Er runzelte die Stirn und blickte zu einer fast zwei Meter großen Asiatin, die am Billardtisch beschäftigt war und so wirkte, als sollte man sie lieber nicht nerven.

      »He, Nova!«, rief er lautstark hinüber. »Security-Jack meldet Probleme. Irgendwas ist bei den Docks im Argen. Die Meldung ist nicht eindeutig.«

      Nova blickte auf, nickte und verließ eilig die Bar.

      Eine der beiden haarigen Bedienungen, die exakt gleich aussahen, kam an den Tresen und stellte ungefähr zwölf Bierkrüge auf einmal ab, die an ihrem Fell festgesaugt gewesen waren. »Wenn die Meldung nicht eindeutig ist, bedeutet das immer die Sorte Probleme, die Überstunden verursacht.«

      »Mach dir keine Sorgen, Mora«, sagte Virginio.

      »Spar dir deine blöden Sprüche«, knurrte die Bedienung und schubste einen schwebenden Bierbrunnen vor sich her, während sie eine neue Ladung Bierkrüge mit sich nahm.

      »Oh, oh! Probleme im Hangar«, brabbelte Cornelius wenig eloquent vor sich hin.

      Am Tresen trat Schweigen ein. Kay wusste nicht, was sie erwartet hatte, wie ein völlig Fremder auf ihre Geschichte, die ihr den Schlaf raubte, reagieren würde. Aber wie gleichgültig Cornelius reagierte, brachte sie stark aus der Fassung. Vielleicht lag das Problem wirklich bei ihr, wenn sie sich das so zu Herzen nahm. Ganz offensichtlich würde jemand anderes keine zwei Gedanken an den Vorfall verschwenden und einfach weitermachen. Oder …

      Cornelius fiel die Wollsocke aus dem Mantel und er versuchte sie wieder vom Boden aufzuklauben, ohne dabei den Barhocker zu verlassen, was sehr ulkig aussah.

      … oder Cornelius war einfach zu besoffen, um eine tiefsinnige Reaktion zu haben. Vermutlich hatte er ihre Geschichte schon wieder vergessen und …

      Roter Schmerz zuckte durch ihren Kopf. Kay stöhnte auf und presste sich die Hand auf’s Auge. Wieso bei allen Welten passierte ihr das hier und jetzt in einer Raumstation, weitab von Leichenhallen und Ausgrabungsstätten?

      »Ha, ich hab sie!«, verkündete Cornelius neben ihr. Mit ihrem normalen Auge sah sie, wie er sich triumphal aufrichtete, um dann zu stutzen. »Geht es Euch nicht gut, Euer Gnaden?«

      »Nein. Irgendetwas … stimmt nicht …« Kay hielt sich an der Kante des Tresens fest, um nicht vom Hocker zu kippen.

      Ihr Nekromantenauge pochte und die Sicht auf diesem Auge zog sie immer weiter hinter den Schleier. Ihre Kräfte regten sich, ohne dass sie sie bewusst gerufen hatte.

      »Ich verstehe nicht …«

      Das Licht ging aus. Dann wieder an und ein Alarmläuten setzte ein.

      Sämtliche Besucher der Kneipe hielten inne und sahen sich verdutzt an.

      »Oh, oh! Das ist nicht gut«, sagte Cornelius sehr hilfreich.

      »Ist das ein Feueralarm?«, fragte jemand.

      »Nein«, sagte Virginio und trocknete sich die Hände ab. »Den Alarm hab ich noch nie gehört.«

      Die beiden Bedienungen kamen angerauscht.

      »Was machen wir jetzt?«

      »Müssen wir evakuieren?«

      Virginio tippte auf seinem Display herum. »Security-Jack reagiert nicht auf Anfragen!«

      Ein Zischen, dann flog das Schott auf und eine Handvoll geleckter Typen in teuren Anzügen kam hereingestolpert.

      »Hilfe!«, schrien sie. »HILFE!«

      Cornelius sprang vom Barhocker auf. »Alfredo!«

      »Aggressive Besucher im Ringkorridor«, teilte Security-Jack gelassen durch einen Lautsprecher in der Kneipe mit. Das trug nicht gerade zur Beruhigung der Gäste bei. Plötzlich redeten alle durcheinander.

      Der Alarm setzte sich derweil fort und wurde nun durch ein Uuuuhweeehhh-Uuuuuhhhweeeeh ergänzt.

      »Er will meine Maden!«, schrie Cornelius.

      »Tote!«, schrie einer der Typen zurück. »Lebende Tote! Im Korridor!«

      »Tote?« Ein alter Terraner mit beeindruckendem Schnauzbart blickte von seinem Bierkrug auf. »Doch nicht etwa meine toten Gulgolianer?« Das musste der Bestatter sein, der vor ihr gelandet war. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Nee, nee, die sind völlig hinüber«, beantwortete er sich selbst mit schwerer Zunge seine Frage. »Das kann nicht sein. Geht mich bestimmt nix an.« Er wandte sich wieder seinem Bierkrug zu.

      Niemand außer Kay achtete auf ihn. Alles drang wie durch Watte zu ihr durch.

      Tote. Lebende Tote.

      Das konnten nicht die Leichen des Bestatters sein, völlig ausgeschlossen. Außer sie hatte gerade eben … ohne es zu wollen …

       Oh Scheiße.

      Endlich fiel die Schockstarre von ihr ab und sie sprang von ihrem Barhocker. »Hier muss etwas sein. Etwas, das meine Kräfte aktiviert und verstärkt.«

      Niemand achtete auf sie, außer dem Bestatter, der schützend seinen Bierkrug umarmte.

      »Alfredo will meine verdammten Maden klauen!«, kreischte Cornelius panisch, der auch nicht zuhörte. Zur Selbstverteidigung riss er seinen Barhocker hoch und hielt ihn wie eine Waffe vor sich, die langen Stuhlbeine auf den blonden Typen gerichtet, der quer durch die Kneipe sprintete und nur »TOTEEE! LEBENDE TOOOOOTEEEE!«, brüllte. »Tut doch was!«

      Falls dieser Alfredo wirklich wegen Cornelius’ Maden hier war, schien er nun andere Probleme zu haben.

      Aus dem Korridor drang Gepolter und Novas Stimme. Sie fluchte lautstark.

      »Aggressive Besucher im Ringkorridor«, erklärte Security-Jack weiterhin mit aller Seelenruhe durch den Lautsprecher. »Aggressive Besucher im Ringkorridor.«

      Langsam brach doch Panik bei den Besuchern aus, die offensichtlich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen waren.

      »Aaaaaah!« Cornelius ging mit dem Stuhl auf Alfredo los. Dieser ging unvorbereitet mit einem kläglichen Japsen zu Boden.

      Welcher persönliche Racheakt für Cornelius hier gerade auch im Gange war, Kay hatte keine Zeit, ihn zu verfolgen. Sie sah das alles durch einen wabernden Schleier roten Nebels. Ihr