Wächter der Runen (Band 3). J. K. Bloom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. K. Bloom
Издательство: Bookwire
Серия: Wächter der Runen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961604
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Speichel in meinem Mund und spucke ihn dem Imperator vor die Füße. »Das hier wird nicht mein Grab, sondern deines.«

      Der Imperator gibt ein dunkles, beinahe unheimliches Lachen von sich. »Mutig von jemandem, der sich bereits ein zweites Mal vom Imperium hat fangen lassen.«

      Damit verlässt er das Zimmer, das sofort abgeschlossen wird. Die Runensymbole, die auch von innen zu sehen sind, leuchten alle auf. Vermutlich versiegeln sie den Ausgang zusätzlich mit Magie.

      Auch wenn der Fluchtweg so einfach erscheint, renne ich sofort zum Fenster, um dieses zu öffnen. Eine frische Sommerbrise weht mir ins Gesicht. Erschrocken blicke ich in die Tiefe hinab. Der Turm, in dem ich festgehalten werde, ist so hoch, dass die Kronen der Bäume nur fingerspitzengroß wirken. Es sind keine Gitter davor, die einen Todeskriecher davon abhalten könnten, einen Ortswechsel durchzuführen. Allerdings kenne ich das Imperium bereits zu gut, um zu wissen, dass sie Barrieren errichtet und andere Vorkehrungen getroffen haben, um diese Art von Fähigkeit zu blockieren.

      Hinter dem Schloss entdecke ich die wundervollen, mit Schnee bedeckten Berge. Ihr Anblick erinnert mich an meine Stute Schneeweiß, die Finn gemeinsam mit Sleipnir in Kalleum zurücklassen musste.

      Doch was ist aus Neagan, dem Rotfalken, geworden? Ich vermisse meine Begleiter, mit denen ich eine ganz besondere Reise verbinde, die nun wegen der Gefangennahme durch das Imperium beendet wurde.

      Hoffentlich geht es ihnen gut und sie plagt kein Schmerz, so wie mich.

      Ich schließe das Fenster wieder und gleite an der kalten Steinwand hinunter. Hoffnungslosigkeit gräbt sich bis zu meinem Herzen durch und lässt mich Tränen der Verzweiflung vergießen.

      Wie lange werden Finn und mein Bruder durchhalten? Was kann ich tun, um sie zu retten? Sie dürfen nicht sterben.

      ›Noch sind sie nicht tot‹, versucht Danev mich aufzumuntern.

      Als ich ihre Stimme vernehme, werde ich wieder an das Thema erinnert, bei dem sie vorhin einfach geschwiegen hat. ›Dann nutze diese Macht, die mir den letzten Ausweg bietet. Ich nehme alles in Kauf‹, flehe ich innerlich.

      ›Das kann ich nicht, Ravanea.‹ Ihre Stimme klingt enttäuscht. ›So gern ich dir helfen würde, aber wenn ich das täte, stünde die Welt am Rande ihres Abgrunds.‹

      ›Steht sie das nicht bereits?‹, entgegne ich.

      ›Noch habe ich Hoffnung.‹

      Welche? Wieso habe ich diese nicht? Wir sind weit oben im Schloss des Imperators, gefangen und ohne Verbündete. Wie sollen wir es schaffen, hier herauszukommen?

      ›Sag mir, von welcher Macht du sprichst. Bitte.‹

      ›Es tut mir leid‹, ist alles, was sie schließlich noch antwortet.

      Ganz gleich, wie oft ich auch in Gedanken nachhake, Danev bleibt stumm.

      Ich sehe mich in meinem Gemach um und bemerke, dass ich sogar ein eigenes, großes, mit vielen Kissen und Decken bestücktes Bett zur Verfügung habe. Auf der linken Seite des Raumes steht ein großer, dunkler Schrank, in dem sich wohl Kleider befinden.

      Warum bin ich hier? Weshalb hat der Imperator mir ein solch ansehnliches Zimmer gegeben und mich nicht in einem kalten, einsamen Kerker eingeschlossen? Was hat er mit mir vor? Selbst wenn er meine Macht unterdrücken wollte, hätte auch ein dunkler, mit Gitter versehener Raum gereicht.

      Gerade als ich mich erhebe und den Blick durch das Zimmer schweifen lasse, klopft es an der Tür.

      Bereit für einen weiteren Kampf oder sogar für eine Fluchtmöglichkeit stelle ich mich mit ausreichendem Abstand mitten ins Zimmer. Stimmen dringen durch das massive Holz. Das Gespräch klingt wie eine Auseinandersetzung. Nur wenige Sekunden später springt die Tür auf und ich balle die Hände zu Fäusten.

      Doch all die Anspannung lässt von mir ab, als ich wunderschönes, blondes Haar erkenne, das mir nur allzu bekannt vorkommt. Ihre Strähnen sind zu einem beeindruckend hohen Pferdeschwanz gebunden, der an ihrem Rücken wie ein Wasserfall hinunterfällt. Die dunkelbraunen Augen sind genau dieselben, die mich früher immer warmherzig angesehen haben.

      Doch trotzdem ist etwas anders.

      Mir klappt die Kinnlade herunter. »Mutter?«

      Die Frau legt ihren Zeigefinger an die Lippen und nickt einem draußen stehenden Wachmann zu. Dann schließt sie die Tür hinter sich und schlingt die Arme um mich. »Ich glaubte es kaum, als mir einer meiner Boten die Nachricht überbrachte, dass du hierher verschleppt wurdest.«

      Mein Puls rast und mein Herz macht mehrere Sprünge gegen die Brust. Kann das wirklich sein? Ist sie von den Toten zurückgekehrt? Aber wie? Hätte Nura das nicht gewusst? Und wer außer ihr kann Tote zum Leben erwecken?

      Ich stoße mich von ihr ab und sehe ihr entsetzt ins Gesicht. »Du warst … tot …«

      Die Frau reißt die Augen auf und schüttelt dann den Kopf. »Ich bin nicht Ravatoria.«

      Obwohl ein leises Gefühl mich bereits davor warnte, mir Hoffnungen zu machen, verpassen mir ihre Worte dennoch einen harten Stich in die Brust.

      »Mein Name ist Torava und ich bin die Schwester deiner Mutter.«

      Als langsam ihre Worte durch meinen Kopf sickern, fügen sich die Puzzleteile allmählich zusammen.

      Deshalb sieht sie ihr so ähnlich. Warum hat Mutter uns nie etwas von diesem Teil der Familie erzählt? Sagte sie nicht, sie käme aus einem Dorf? Was macht dann Torava hier im Schloss des Imperators? Wusste Vater es?

      »Aber …«, beginne ich und trete noch einen weiteren Schritt zurück. »Sie hat dich nie erwähnt.«

      Auch wenn ich es nicht glauben will, sind die Ähnlichkeiten mit meiner Mutter zu eindeutig. Sie besitzt dieselben Gesichtsmerkmale, dieselben Augen, und sogar ihr Lächeln ist genau das gleiche.

      Sehnsucht erfüllt mich und lässt mich schmerzlich an das zurückdenken, was ich bereits verloren habe. Mutter hat sich damals für mich geopfert, um mich vor den Klauen des Imperators zu retten.

      Selbst Vater, der in den Gewölben Baltoras für mich gestorben ist, da er versucht hat, mich aus den Fängen des Imperiums zu befreien. Es war alles umsonst!

      Torava senkt den Blick und spielt nervös mit ihren zarten Händen. Einen Unterschied bemerke ich doch zwischen ihr und meiner Mutter. Die blasse Haut ist vollkommen makellos und auch ihre Figur wirkt so, als hätte sie noch nie ein Schwert gehoben oder sich in einen Kampf gestürzt.

      Diese Frau lebt seit Anbeginn ihrer Zeit in diesem Anwesen und ich denke nicht, dass sie je etwas anderes gesehen hat.

      »Deine Mutter ist hier geboren und aufgewachsen, Ravanea«, erklärt sie mir und ich will einfach nicht glauben, was sie da sagt.

      Meine Mutter soll zum Adel des Imperators gehört haben? Wie kann das sein? Und wieso hat sie uns all die Jahre angelogen?

      Allerdings würde das so vieles erklären. Mir war es immer ein Rätsel, weshalb das Imperium trotz der Geheimhaltung meiner Rune mein Geheimnis herausfinden konnte. Möglicherweise kannte Mutter auch die Wege ins Gewölbe hinein und hätte es geschafft, mich zu befreien, wenn der Imperator ihr nicht in die Quere gekommen wäre.

      Und da wäre noch das auffälligste Merkmal, das mir oft zu Ohren gekommen ist. Mein Aussehen. Sogar Myra und Raymond bemerkten die Besonderheiten, die darauf hindeuten, dass ich nicht aus einer Armutsfamilie kam.

      Und nun habe ich eine Antwort darauf. Meine Mutter Ravatoria stammt aus einer Adelsfamilie.

      Aber wieso hat sie es uns nie erzählt? Aus Angst, dass wir unsere Verwandten aufsuchen würden? Wusste Vater davon? Oder hat sie es selbst ihm nie erzählt?

      Ich bin so entsetzt über die Wahrheit, dass ich zu Boden sinke und meine Gedanken sich innerlich überschlagen. »Wieso?«, hauche ich.

      Torava setzt sich auf das riesige Himmelbett und legt ihre Hände in den Schoß. »Deine Mutter ist schon immer