Wächter der Runen (Band 3). J. K. Bloom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. K. Bloom
Издательство: Bookwire
Серия: Wächter der Runen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783038961604
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      »Nachgedacht worüber?«

      Er senkt den Blick und atmet angespannt aus. »Nehmen wir mal an, wir würden es hier herausschaffen, gemeinsam mit meiner Schwester, was erwartet uns dann?«

      Ich zucke mit den Schultern. »Wir finden Nura und die anderen, damit wir einen Plan schmieden können, um das Imperium zu stürzen«, antworte ich und es ist das erste Mal, dass ich meine Gedanken laut ausspreche, auch wenn sie größenwahnsinnig klingen.

      »Und dann?«

      Worauf will er hinaus? »Die Teilschöpfungen werden sich wieder in den Schlaf legen und …«

      Ravass lacht freudlos auf, wobei er mich unterbricht. »Siehst du, genau das meine ich.« Ich verstehe gar nichts. »Wenn der Krieg gewonnen ist, werden Rave und du aus meinem Leben verschwinden. Maria ist tot, meine Eltern ebenfalls und mich zieht es noch nicht einmal in das Drecksloch nach Massott zurück. Ich habe keine Familie oder Bekannte, die es wert wären, weiterzuleben.«

      Jetzt begreife ich, was ihn zum Aufgeben getrieben hat. Egal wie diese Sache auch ausgehen mag, Ravass wird zurückgelassen. Nicht einmal seine Schwester bliebe ihm, da sie als Teilschöpfung ebenfalls in den Schlaf versetzt werden würde. Die Schatten und ich würden zu Staub zerfallen, da Nura keinen Nutzen mehr aus mir ziehen könnte.

      Er wäre allein. Allein mit seinen Wunden des Krieges, die vermutlich nie wieder heilen.

      »Und was ist mit Eward?«

      Er zischt verächtlich. »Der alte Mann kommt gut ohne mich zurecht.«

      Ravass redet sich ein, keinen Sinn mehr darin zu sehen, für einen Ausweg zu kämpfen. Dabei würde es sich lohnen! Schon allein für Rave, damit sie und die anderen Teilschöpfungen gegen das Imperium siegen können. Ich hänge auch nicht mehr sehr an meinem Leben, doch für die Rettung dieser Welt würde ich alles tun, was in meiner Macht steht. Denn wenn wir nichts tun, werden wir untergehen.

      »Aber allein um die Menschen zu retten, würde es sich doch lohnen, Ravass!«, appelliere ich an seinen Verstand.

      Er schüttelt den Kopf. »Ich verfüge über keine besonderen Runen, geschweige denn über die Kräfte eines Schattens. Was soll ich da mit einem Schwert ausrichten?«

      So ein sturer Esel! »Ravass, jetzt hör mir doch mal …«

      »Einen wunderschönen guten Abend, die Herren!«, begrüßt uns eine junge, eitle Stimme.

      Mein Blick gleitet erschrocken zum Ende des Raumes, unter dessen Türrahmen ein schlaksiger, in einen feinen Anzug gekleideter Mann steht, der vielleicht nur ein paar Jahre jünger als ich zu sein scheint. Seine Haare sind so schwarz wie die Nacht und sein Ausdruck besitzt eine finstere Aura. Durch seine blasse, fast weiße Haut kommen die dunkelbraunen Augen gut zum Vorschein.

      »Wer seid Ihr?«, will Ravass mit ernster Miene wissen.

      Auch wenn er erst einmal nicht gefährlich wirkt, überkommt mich das Gefühl der Furcht vor diesem halben Hemd dennoch.

      Sein schwarzes Oberteil ist an den Ärmeln mit goldenen Rändern verziert und seine gesamte Ausstrahlung sagt mir, dass er zu den Edelleuten des Imperators gehört.

      Nur was hat er hier unten zu suchen? Mit seinem gehobenen Auftreten wirkt er vollkommen fehl am Platz.

      »Mein Name ist Roan und ihr seid meine beiden Testopfer, die ich benötige, um ein ganz besonderes Experiment durchzuführen.«

      Dann ist er derjenige, vor dem wir uns laut Kora in Acht nehmen sollen?

      Wir sind also Versuchskaninchen? Für diesen dürren Kerl? Nach seiner Statur zu urteilen, hat er noch nie ein Schwert in seiner Hand gehalten, geschweige denn gekämpft.

      »Ein Experiment für was?«, frage ich.

      Er hebt amüsiert einen Mundwinkel. »Das werdet ihr noch früh genug herausfinden.« Er wendet sich zu den Soldaten hinter ihm, die ich erst jetzt wahrnehme. »Bereitet die Pumpe vor und bringt mir den Schwarzhaarigen.«

      Damit ist Ravass gemeint. Sorgenvoll schaue ich zu ihm und muss mit ansehen, wie die Männer ihn von den Ketten losmachen, um ihn zu dem breiten Tisch hinüberzutragen.

      Nur wenige Augenblicke später befindet sich Ravass’ Körper angekettet auf dem Holztisch, und der jüngere Kerl beugt sich über ihn, um ihn zu begutachten. »Er hat schöne Muskeln, aber leider hat sein Körper bereits zu viele Wunden ertragen.« Er grinst falsch. »Da war wohl jemand schon mal im Gefängnis, oder?«

      Ravass antwortet nicht, sondern blickt Roan unerschrocken an.

      »Verbrecher gehen meistens zuerst an meinen Experimenten zugrunde. Aber du hast Kraft, weshalb ich denke, dass du es überleben könntest.«

      Großer Schöpfer, was hat er nur mit ihm vor? Das Gefühl von Hilflosigkeit wird immer schlimmer, je länger ich dabei zusehe, wie Ravass zu einem bedeutsamen Versuchskaninchen für Roan wird.

      »Bringt mir das Messer.«

      Messer?

      Ein Soldat reicht ihm eine kleinere Klinge, die Roan nur wenige Sekunden später an Ravass’ Bauch ansetzt, um sein Leinenhemd durchzuschneiden. Als die Haut offen vor ihm liegt, stößt er die Spitze des Messers hinein, was den ersten Schrei seines Opfers auslöst.

      Ich zucke zusammen und schaue weg, wobei mein ganzer Körper bebt. Wie lange wird Ravass das durchhalten müssen?

      Schmatzende Geräusche erklingen in meinen Ohren, und ungewollte Vorstellungen lassen schreckliche Bilder in meinem Kopf entstehen.

      »Das Elixier«, ruft Roan und ich sehe wieder zum Geschehen.

      Ein Soldat bringt ihm in einem Glasbehälter etwas von der violetten Flüssigkeit, die er aus dem Kessel schöpft. Als Roan ihn in der Hand hält, lässt er das Elixier in die frische Wunde tröpfeln, als würde er flüssiges Eisen in eine Öffnung hineingießen.

      Ich habe Ravass noch nie so laut schreien gehört wie jetzt, als das Zeug sein Gewebe berührt. Ein Stich regt sich in meinem toten Herz, während ich sein Leid am ganzen Körper wahrnehme. Er windet sich in seinen Fesseln, versucht sich von dem Schmerz zu befreien, doch ohne größere Magie wird er das niemals schaffen.

      Mein Blick wechselt immer wieder zwischen dem wehklagenden Ravass und dem gehässigen Grinsen von Roan hin und her. Mitleid regt sich in mir und ich wünschte, ich könnte mich von diesen Ketten befreien, um Raves Bruder zu Hilfe zu eilen.

      Roan wartet einen bestimmten Moment ab, der allerdings nicht zu folgen scheint. Er sieht mit unbeeindruckter Miene Ravass beim Leiden zu, als wäre er für ihn kein Lebewesen, sondern nur ein Objekt, das hoffentlich seinen Zweck erfüllt.

      Als der Schmerz endlich etwas verebbt, beruhigt sich Ravass, doch sein Körper ist schweißgebadet. Seine Lider flackern, als müsste er ein hohes Fieber ertragen. Der Anblick bereitet mir nicht nur eine Heidenangst, sondern auch eine eiskalte Gänsehaut.

      »Messer«, wendet sich Roan wieder an den Soldaten, der all seine Instrumente festhält.

      Sie wollen den Prozess wiederholen? Kalter Angstschweiß läuft an meinen Schläfen hinab. Hat Ravass nicht genug gelitten?

      »Bitte …«, krächzt dieser kraftlos.

      Roan setzt erneut die Klinge an und bedient sich dieses Mal an seiner rechten Bauchseite, was ich allerdings nur vermuten kann, da mir einer der Soldaten die Sicht versperrt. Doch nach Ravass’ Zuckungen und Windungen zu urteilen, scheint er erneut Schmerzen zu erleiden.

      »Das Elixier.«

      Er wird ihn umbringen! Wie krank ist dieser Kerl? Was bezweckt er damit?

      Ravass schreit erneut auf und in mir wird die Hoffnung, dem Imperium zu entkommen, immer kleiner. Wenn sie uns derart verletzen, wie sollen wir es da schaffen, überhaupt zu fliehen?

      Ich lasse mich in die Ketten fallen. Mein Tod war im Vergleich zu dieser Scheußlichkeit ein Witz.

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