Die Halskette von Worms. Franziska Franke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franziska Franke
Издательство: Bookwire
Серия: Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958132290
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gewesen. Um nicht ausfallend zu werden, sog ich den Atem ein, schloss die Augen und zählte innerlich bis drei.

      »Weil sie große Stücke auf mich hält«, verkündete ich dann pompös. Ich wich dem Blick meines Bruders aus, denn ich war mir sicher, dass er mich anfeixte.

      »Na, wenn das so ist«, bemerkte der Schmied sarkastisch und ich befürchtete schon, hochkant aus der Werkstatt zu fliegen. Doch zu meiner Überraschung entspannte sich nun die Haltung meines Gesprächspartners und er lächelte mich an.

      »Ich möchte jetzt endlich meine Arbeit beenden. Am besten, ihr redet mit meinem Vater. Schließlich waren es seine Gäste«, sagte er während er mir mit einer Handbewegung bedeutete, ihm zu folgen.

      »Hat euer Gast eigentlich erwähnt, dass er mit dem Gedanken spielt, die Nachbarvilla zu kaufen?«, erkundigte ich mich unterwegs.

      »Zumindest mir gegenüber nicht! Aber neulich bekam ich mit, wie mein Vater ihn fragte, ob er sich das eigentlich leisten könne. Daraufhin hat Aulus Calpurnius nur gelacht und behauptet, er werde bald im Geld schwimmen.«

      Kein Wunder, wenn er als Trickbetrüger unterwegs war.

      »Was hat dieser Aulus Calpurnius eigentlich für einen Beruf?«, fragte ich, mich um einen unverdächtigen Tonfall bemühend.

      »Er wurde mir als Kollege meines Vaters vorgestellt. Auf mich hat er jedoch wie ein Tunichtgut gewirkt, der sein Glück beim Würfelspiel sucht. Und seine Frau ist auch nicht besser! Ich traue es ihr ohne weiteres zu, die Kette unserer lieben Nachbarin gestohlen zu haben.«

      Die Schritte des Schmieds beschleunigten sich. Wir mussten uns anstrengen, um mit ihm mitzuhalten, ohne zu rennen.

      Von Ariovist war hingegen alle Trägheit abgefallen. Der Hund hatte die Ohren angelegt und zog an der Leine. Offenbar hatte er eine Witterung aufgenommen, die ihn magisch anzog. Sie führte in dieselbe Richtung, die auch der Handwerker ansteuerte. Rasch durchquerten wir den Innenhof und betraten den Wohntrakt im rückwärtigen Teil des Anwesens. Dort folgten wir einem langen Korridor und gelangten an eine aus groben Brettern gezimmerte Tür.

      Der junge Schmied drückte die Klinke herunter und der Türflügel schwang mit einem leisen Knarren nach innen auf. Der dahinterliegende Raum war mit einer Geruchsmischung aus Rauch, abgestandenem Wein und Staub erfüllt. Ihn unordentlich zu nennen, wäre eine starke Untertreibung gewesen. Die Schubladen eines niedrigen Schränkchens waren halb herausgezogen, die einfache Liege stand schief und auf dem Boden lagen Schriftstücke und Schreibtafeln. Vor der Rückwand, in der ein schmales Fenster spärliches Licht einfallen ließ, tanzten Staubkörner in der Luft. Zu den Seiten hin wurde das Licht immer schwächer.

      Nur schemenhaft erkannte ich einen massigen Mann, der mit dem Rücken zur Wand auf dem Bett lag und schlief. Mein Bruder wollte Ariovist zurückhalten, doch der war bereits in den Raum gestürmt. Im nächsten Augenblick hörte ich den Hund ängstlich winseln, was aber den Schläfer nicht zu stören schien. Nichts regte sich, über dem Raum hing eine unwirkliche, geradezu beängstigende Stille.

      »Vater, Besuch für dich!«, rief der Sohn des Hausherrn in das Zimmer. »Die beiden erkundigen sich nach …« Der Satz blieb unvollendet, denn der Werkstattinhaber rührte sich noch immer nicht. Mit einem Sprung war sein Sohn am Bett. Er berührte den Liegenden sanft an der Schulter, schüttelte ihn dann und als auch das nichts half, drehte er ihn auf den Rücken.

      Mein Bruder murmelte einen unschicklichen Fluch vor sich hin, den er wohl bei der Armee aufgeschnappt hatte. Trotz der schlechten Sichtverhältnisse erkannte auch ich erschaudernd, dass wir einen Toten vor uns hatten.

      Wie betäubt starrte ich einige Sekunden auf die Leiche des unglücklichen Meisters. Mit seinem kurzgeschorenen Schädel, dem Doppelkinn und den stoppeligen Wangen sah der Schmied seinem Sohn gar nicht ähnlich, wenn man davon absah, dass er genauso kräftig war. Auch wirkte er nicht wie ein Handwerker, sondern hätte ebenso gut ein stämmiger Soldat oder ein Seemann sein können.

      Ich erkannte auf den ersten Blick keine Wunde an seinem Körper, was nichts heißen mochte. Schließlich konnte ich den Rücken nicht sehen. Die Züge des alten Mannes waren völlig reglos. Doch trotzdem sah er nicht wie jemand aus, der eines natürlichen Todes gestorben war. Aber ich konnte mich auch täuschen, denn ich war kein Experte. Mir fiel nur auf, dass seine Hände von weniger Narben bedeckt waren als die seines Sprösslings. Entweder war er ein besserer Handwerker oder er hatte einen großen Teil der Arbeit an seine Sklaven delegiert.

      Sein Sohn sank vor dem Bett auf die Knie. Sein Gesicht war kreidebleich und er begann leise zu schluchzen. Die Tatsache, dass er bisher so emotionslos gewirkt hatte, machte diesen Ausbruch umso beängstigender.

      Ich stand noch immer wie angewurzelt da und konnte nicht fassen, was für eine Pechsträhne mich an diesem Tag verfolgte. Zuerst traf ich Pina nicht an, dann verpasste ich ganz knapp die Diebe und schließlich starb deren Gastgeber, bevor ich mit ihm reden konnte. Lucius hatte bereits den Hund aus dem Gebäude gezerrt und ich beschloss, mich ebenfalls diskret zurückzuziehen. Doch kaum hatte ich den Hof betreten, ließ mich eine scharfe Stimme zusammenschrecken.

      »Hast du gewusst, dass er tot ist?«

      Es war fast ein Schrei, der die angespannte Atmosphäre durchdrang. Der junge Schmied war mir vor die Tür gefolgt. Seine funkelnden Augen zeigten, dass sich von einem Moment zum anderen seine Trauer in Wut verwandelt hatte. Er suchte nach einem Schuldigen für den Tod seines Vaters und hatte mich ins Visier genommen.

      »Ich habe deinen Vater noch nie gesehen. Ich wollte wirklich nur mit Aulus Calpurnius und Lucretia Calpurnia sprechen«, beteuerte ich in einem beschwichtigenden Tonfall. Dann stellte ich eine letzte Frage: »Hat dein Vater zufällig heute Besuch empfangen?«

      »Das nicht. Aber er hat hinter dem Haus mit Julia Marcellas Angestelltem gesprochen. Ich vergesse immer seinen Namen.«

      Diese Bemerkung verschlug mir für einen Augenblick die Sprache, denn mit dieser Wendung hatte ich wirklich nicht gerechnet.

      »Marius Marfilius?«, vergewisserte ich mich dann konsterniert.

      »Genau der! Mein Vater wollte von ihm wissen, ob der Preis, den die Witwe für ihre Villa verlangt seiner Meinung nach angemessen sei. Nach diesem Gespräch machte Vater mir gegenüber die Bemerkung, dass dieser Geldwechsler offenbar ein doppeltes Spiel spielt.«

      »Kann Marius Marfilius denn derartige Auskünfte geben?«, wunderte ich mich.

      »Er berät die Witwe in allem, was die Villa betrifft. Julia Marcella war nämlich zu Lebzeiten ihres Mannes nicht Miteigentümer des Hauses und hat daher von diesen Dingen wenig Ahnung.«

      Hatte Probus Marcellus von Anfang an befürchtet, dass er die falsche Frau geheiratet hatte? Und welche Rolle spielte Marius Marfilius? Wusste Julia Marcella, dass er sich buchstäblich hinter ihrem Rücken mit ihrem Gegner getroffen hatte? Lucius trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und auch der Geduldsfaden des jungen Schmieds dürfte bestimmt bald reißen. Außerdem würden die Dienstboten bald bemerken, was vorgefallen war und dann gäbe es einen riesigen Tumult.

      »Der Geldwechsler hat meinen Vater vergiftet! Er war der letzte, der ihn lebend gesehen hat«, polterte der Schmied los.

      Es hatte erstaunlich lang gedauert, bis er diesen Schluss gezogen hatte. Seine halb zusammengekniffenen Augen strahlten einen glühenden Zorn aus, den ich dem biederen Handwerker gar nicht zugetraut hätte.

      »Das ist doch lächerlich! Warum sollte er das tun? Er hat keinen Nutzen vom Tod deines Vaters«, wandte ich ein. »Man vermutet stets Gift, wenn ein anscheinend gesunder Mensch stirbt. Aber es gibt genügend Krankheiten, die jemanden ohne Vorwarnung dahinraffen können.«

      Beim Klang des Wortes Tod war der Handwerker zusammengezuckt, als hätte er erst jetzt den Verlust begriffen, den er soeben erlitten hatte.

      »Außerdem wissen wir doch gar nicht, woran er gestorben ist«, fügte ich vorsichtig hinzu.

      Der junge Schmied wischte sich mit dem Handrücken über die Lider, ein Ruck ging durch seinen Körper und er richtete sich zu seiner vollen Größe