Die Halskette von Worms. Franziska Franke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franziska Franke
Издательство: Bookwire
Серия: Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958132290
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      »Ich habe nicht ja gesagt«, wandte ich daher vorsichtig ein.

      »Wenn du mir meine Kette wiederbesorgst, fahren wir alle zusammen nach Rom«, versprach Julia Marcella in einem honigsüßen Tonfall.

      »Es ist höchste Zeit, dass Pina die Ewige Stadt kennenlernt.« Es war unfair, mich bei meiner schwächsten Stelle zu fassen, denn seit Jahren träumte ich davon, endlich einmal Rom zu besuchen.

      »Ich kann mich ja mal bei den Juwelieren umschauen«, bot ich widerwillig an. Das verursachte schließlich keine Spesen. »Aber damit warte ich noch bis morgen. Ich glaube kaum, dass der Dieb das Schmuckstück sofort verkauft.« Das war natürlich nur ein Vorwand, um Zeit zu gewinnen, denn ich wollte vorher mit meinem Verwalter den Arbeitsplan für die nächste Woche besprechen und anschließend die Bücher überprüfen. In Wahrheit waren die Diebe gut beraten, sich so schnell wie möglich von ihrer Beute zu trennen, am besten in einer anderen Stadt.

      »Wie gut, dass es dich gibt«, sagte Pina und strich sich mit einer graziösen Bewegung eine rote Haarsträhne aus der Stirn. Ich spürte, wie mein Herz vor Freude hüpfte, doch zugleich plagte mich das schlechte Gewissen, weil ich nicht an den Erfolg meiner Bemühungen glaubte.

      »Du solltest dich endlich wie ein anständiges Mädchen aus gutem Hause benehmen«, wurde Pina von ihrer Schwester ermahnt.

      »Bring endlich das Gemüse in die Küche und zieh dich dann um! Hast du denn nicht bemerkt, dass dein Kleid Flecken hat?« Das war eine starke Übertreibung. Es war nur leicht verschwitzt, was bei der sommerlichen Hitze kaum zu vermeiden war. Pina schaute aufmüpfig drein, öffnete den Mund zum Protest, überlegte es sich aber anders. Ihre Unterlippe zitterte, sie wandte den Blick ab und schritt mit hoch erhobenem Kopf davon.

      »Könntest du mir bitte das Paar beschreiben, das dein Haus besichtigt hat. Ich hoffe, du kennst wenigstens ihre Namen«, forderte ich die Hausherrin auf, um das Gespräch in eine sachlichere Bahn zu lenken.

      »Sie haben sich als Aulus Calpurnius und Lucretia Calpurnia vorgestellt. Der Mann war um die Dreißig, mittelgroß und recht attraktiv. Er war sauber rasiert, hatte ein dreieckiges, sonnengebräuntes Gesicht mit schmalen Lippen, einer langen Nase und dunklen Augen. Sie waren von feinen Falten umgeben. Wahrscheinlich hielt er sich meistens draußen auf. Seine Tunika war nicht geflickt, aber an manchen Stellen bereits fadenscheinig. Dazu trug er grobe Sandalen.«

      »Du hast ihn dir ja genau angesehen«, bemerkte ich belustigt.

      »Ich war lange im Bankgewerbe tätig. Da gewöhnt man sich an, die Kreditwürdigkeit seiner Kunden abzuschätzen« erwiderte die Witwe ungerührt. »Die Frau hatte volles dunkles Haar und trug einen ungewöhnlichen bronzenen Armreif am Oberarm, der ihr auch als Geldbörse diente.« Offenbar hatte Julia Marcella die Frau weniger interessant gefunden als ihren Begleiter.

      »Sie waren also ein Ehepaar?«, rekapitulierte ich.

      »Das haben sie zwar behauptet, aber ich glaube es nicht. Dafür hat der Mann seine angebliche Gattin viel zu höflich behandelt«, entgegnete die Hausherrin spitz. »Die junge Frau hat mich trotzdem die ganze Zeit grimmig beäugt.« Es war wohl gegenseitige Eifersucht im Spiel.

      »Du solltest nachsehen, ob sonst noch etwas im Haus fehlt«, sagte ich, um Julia Marcella loszuwerden, denn ich hatte die Hoffnung noch nicht völlig aufgegeben, allein mit ihrer Schwester zu sprechen.

      »Das kann ich auf den ersten Blick nicht sagen. Aber ich lasse es dich wissen, wenn ich etwas vermissen sollte.« Das war eine Aufforderung, mich unverzüglich an die Arbeit zu machen. Menschen, die Julia Marcellas manchmal recht brüske Art nicht kannten hätten es wohl als Rauswurf bezeichnet. Mit meinem Schicksal hadernd holte ich Cicero in der Küche ab. Als ich eintrat, verstummte das Gespräch und die Dienstboten blickten mich ängstlich an. Wenn ein Gast des Hauses die Küche betrat, bedeutete das meistens Ärger und davon hatten sie an diesem Tag schon genug gehabt. Ich machte eine beschwichtigende Geste, verließ den Raum und ging mit meinem Leibsklaven zum Ausgang, wo mich die Hausherrin bereits erwartete. Mit knappen Worten sagte ich Lebewohl, drehte mich jedoch auf der Türschwelle nochmals zu Julia Marcella um.

      »Deine Besucher haben nicht zufällig erwähnt, wo sie wohnen?«, fragte ich ohne große Hoffnung auf eine brauchbare Antwort.

      »Sie kommen aus Agrippina, wollen aber ihren dortigen Hausstand auflösen. Junius Petronius, der Freund meines verstorbenen Mannes hat ihnen gesagt, dass meine Villa zu verkaufen ist. Das haben sie jedenfalls behauptet.« Nicht schon wieder Agrippina! Ich hatte meinen letzten Besuch in der Veteranenkolonie noch in unangenehmer Erinnerung, eine Erfahrung, die ich nicht so schnell wiederholen wollte.

      »Das hättest du mir auch gleich sagen können«, beschwerte ich mich. »Bist du sicher, dass du dem Mann nicht früher schon einmal begegnet bist, vielleicht in Begleitung deines Gatten.«

      »Nein, ganz bestimmt nicht! An einen derart gutaussehenden Mann würde ich mich erinnern«, antwortete sie, ohne zu zögern. »Außerdem hat Probus mich nirgendwohin mitgenommen.«

      Womöglich waren die Besucher ein professionelles Diebespaar. Er hatte mit der Hausherrin geflirtet, um sie abzulenken, während seine Begleiterin ihr den Schmuck gestohlen hatte. Bei einem männlichen Opfer hätten sie die Rollen anders verteilt. Unweigerlich musste ich an Julia Marcellas attraktiven Angestellten Marius Marfilius denken und ich beschloss ihn nach dem sauberen Pärchen zu fragen.

      »Die beiden müssen irgendwo in Mogontiacum übernachtet haben«, gab ich zu bedenken, aber Julia Marcella zuckte nur mit den Schultern. Normalerweise hätte ich mir diese unfreundliche Behandlung verbeten. Doch ich wollte es nicht mit meiner zukünftigen Schwägerin verderben.

      So schien es mir das Beste zu sein, mich wortlos zurückzuziehen, obwohl ich mittlerweile sehr verärgert war. Kaum hatten wir die Schwelle überschritten, fiel die Haustür bereits mit einem lauten Knall hinter uns ins Schloss.

      »Als die Kaufinteressenten vorhin an mir vorbeigeeilt sind, habe ich etwas von einem Schmied mitbekommen, den sie hier kennen«, raunte Cicero mir draußen zu und ich klopfte ihm anerkennend auf die Schulter.

      »Und was sagen die Dienstboten?«, erkundigte ich mich dann.

      »Dass die verschwundene Kette gar kein Familienerbstück ist, sondern ein Geschenk ihres Mannes.«

      Julia Marcella hatte sich also mehr aus Probus gemacht, als sie zugab. Wenigstens wusste ich jetzt, warum sie der Verlust des Schmuckstücks so bekümmerte. Ich lobte Cicero für seine Aufmerksamkeit und steckte ihm ein paar Kupfermünzen zu. Obwohl er es natürlich abstreiten würde, war ich mir sicher, dass er heimlich für seine Freilassung sparte.

      Am Ende der Straße wandte ich mich nochmals um und warf einen raschen Blick auf die Villa, die ruhig und friedlich da lag. So hatte es zumindest den Anschein. Doch ich hatte noch immer den Verdacht, dass einer ihrer Bewohner die Hausherrin bestohlen hatte. Ich versuchte meine Enttäuschung über den Verlauf des Besuchs zu verdrängen, musste mir aber insgeheim eingestehen, dass es mir nicht gelang.

      Ich hatte nicht nur den richtigen Moment verpasst, sondern fragte mich langsam, ob es den überhaupt gab.

      Nachdem ich meinen bisweilen etwas begriffsstutzigen Verwalter über die in der nächsten Woche anstehenden Arbeiten instruiert hatte, brach ich wieder auf, ohne die Unterlagen auf meinem Schreibtisch auch nur eines Blickes zu würdigen. Wenn ich etwas hasste, so waren es Abrechnungen. Sie zu kontrollieren, war nicht nur langweilig, sondern führte mir vor Augen, wie wenig mein Gut abwarf. Daher war ich nicht abgeneigt, mit der Aufklärung von Verbrechen etwas dazu zu verdienen, zumindest für Klienten, die mich dafür bezahlten.

      Das Wetter hatte sich in der Zwischenzeit gebessert. Ich hörte Grillen in der Ferne zirpen, warme Luft hing im Rheintal, es roch nach trockenem Gras und die unvermeidlichen Mücken summten um mich herum. Während mein Fuhrwerk über die schnurgerade Landstraße rollte, überdachte ich nochmals den Fall. Zwar hatte ich angeboten, mich bei den Juwelieren nach der Kette umzuschauen, war aber inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass ein gestohlenes