Die Halskette von Worms. Franziska Franke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franziska Franke
Издательство: Bookwire
Серия: Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958132290
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ein Jahr jünger aus. Ich hätte zu gern gewusst, was er schon wieder ausgefressen hatte. Aber ich war wohl der letzte, dem er es anvertrauen würde.

      »Suchst du ein preiswertes Hochzeitsgeschenk?«, erkundigte er sich belustigt. Wollte mich Lucius ärgern oder machte er das nur nebenbei?

      »Ich habe mich von Julia Marcella breitschlagen lassen, nach einem Schmuckstück zu fahnden, das ihr entwendet wurde. Sie hat mich mit einer gemeinsamen Romreise geködert.«

      »Julia Marcella mag eine bessere Partie sein, aber ich würde ihrer Schwester den Vorzug geben«, bemerkte Lucius ohne jedes Taktgefühl.

      Fast hätte ich ihm von dem missglückten Besuch berichtet, konnte mich aber dann doch nicht dazu überwinden. Schließlich sollte ich als Familienoberhaupt eine Respektsperson für meinen jüngeren Bruder sein.

      »Wir wollen zu dritt fahren. Auch Pina war noch nie in Rom«, stellte ich stattdessen klar, bevor ich meinem noch immer grinsenden Bruder vom Diebstahl der Kette berichtete.

      Wenn er sich vor einer Arbeit drücken wollte, lief er geistig zur Höchstform auf. Daher besprach ich die bei einer Ermittlung auftretenden Fragen gern mit ihm. Auch diesmal enttäuschte er mich nicht. Er hatte eine völlig andere Sichtweise auf die Dinge als ich.

      »Das kannst du vergessen. Sie werden nur die Kette verkaufen und die Münzen wieder in Umlauf bringen. Oder sie schmelzen alles ein«, entgegnete Lucius und verlagerte sein Gewicht ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.

      Ich ärgerte mich, dass mir dieser naheliegende Gedanke nicht selbst gekommen war. Doch ich war bisher nicht recht bei der Sache gewesen, da es mich wurmte, dass ich nicht mit Pina sprechen konnte und mich ihre Schwester zu allem Überfluss auch noch zwangsverpflichtet hatte.

      »Da hast du wohl nicht unrecht«, gab ich widerwillig zu.

      »Ich habe langsam den Eindruck, dass Julia Marcella das Unglück geradezu anzieht. Jedes Mal, wenn ich mit ihr zu tun habe, stirbt jemand oder es wird etwas gestohlen. Aber wie man so schön sagt: Ein Unglück kommt selten allein.«

      »Das erscheint dir nur so, weil du nicht mehr in der Stadt wohnst. Hier ist eben immer etwas los«, widersprach Lucius gut gelaunt. Manchmal beneidete ich ihn um sein sonniges Gemüt.

      »Hast du inzwischen mit Pina gesprochen?«, wollte er unvermittelt wissen.

      »Leider noch nicht. Andererseits sollte man auch nichts überstürzen«, behauptete ich, um mein Missgeschick zu vertuschen.

      »Mir behagt es nicht recht, Julia Marcella zur Schwägerin zu haben«, fügte ich dann mit einem leisen Seufzer hinzu, verkniff mir aber gerade noch die Bemerkung, dass mir eine zickige Angehörige reichte. Da mein Bruder die Freigelassene Cornelia liebte, so musste ich mich wohl oder übel mit ihr abfinden.

      »Ich habe keine Lust wie ein Verschwörer auf der Straße herumzulungern. Komm, wir gehen einen trinken«, schlug Lucius daraufhin sein Allheilmittel gegen jegliche Unbill vor.

      Unter anderen Umständen hätte ich mich durchaus über diesen Vorschlag gefreut, so frustriert wie ich nach diesem verkorksten Tag war. Doch ich wollte zuerst die lästige und wahrscheinlich ergebnislose Suche nach dem Schmied hinter mich bringen. Dann konnte ich guten Gewissens behaupten, alles Mögliche versucht zu haben.

      »Cicero hat aufgeschnappt, dass die mutmaßlichen Diebe mit einem Schmied aus Mogontiacum befreundet sind.«

      »Du lässt deine Sklaven für dich spionieren?«

      »Ich bilde Cicero zu meinem Assistenten aus«, entgegnete ich, wobei ich offen ließ, ob ich die Landwirtschaft oder die Ermittlungsarbeit meinte.

      »Es kann bestimmt nicht schaden, sich bei den Handwerkern umzuhören«, griff ich dann den Gesprächsfaden wieder auf.

      Mein Bruder schüttelte befremdet den Kopf. »Wie stellst du dir das vor?«, rief er aus und schreckte damit ein paar Spatzen auf, die auf dem Boden nach Fressbarem suchten. »Hier gibt es zahlreiche Schmieden. Und selbst wenn du die Diebe aufstöbern solltest, hast du keine Handhabe. Die Frau wird wohl kaum so dumm sein, die Kette zu tragen.«

      »Aber sie benutzt sicher noch immer den auffälligen Börsenarmreif«, wandte ich ein. Das war ja leider der einzige Hinweis, den wir hatten.

      »Die Sache gefällt mir nicht«, sagte Lucius nachdenklich.

      »Niemand schleicht sich in eine zum Verkauf stehende Villa ein, nur um eine Kette zu entwenden. Das kann man mit weniger Aufwand auf dem Forum tun. Wahrscheinlich hat einer ihrer Sklaven Julia Marcella bestohlen. Vielleicht wollte das Paar aber auch nur das Haus auskundschaften, ob sich ein Einbruch lohnt.«

      »Und begnügen sich dann damit, ein einziges Schmuckstück zu erbeuten?«, gab ich zu bedenken.

      »Gelegenheit macht Diebe«, entgegnete Lucius schulterzuckend.

      Langsam hatte auch ich keine Lust mehr, auf der Straße herumzustehen und mich von den Bewohnern der Häuser beäugen zu lassen.

      »Wenn du mir hilfst, lade ich dich danach ein«, bot ich an, ein Angebot, das auf sehr fruchtbaren Boden fiel.

      »Es soll neben der Hafentherme ein neues Lokal geben«, erzählte Lucius und setzte sich in Bewegung. Als ich mich anschloss, drang aus einem Hinterhof Hundegebell, und ich musste an Ariovist denken.

      »Stell dir vor, Julia Marcella hat sich einen Hund zugelegt«, berichtete ich. »Vielleicht sollten wir bei ihr vorbeischauen, um ihn auszuleihen. Wenn wir Glück haben erkennt er die vermeintlichen Kaufinteressenten wieder.«

      Ausnahmsweise verzichtete mein Bruder darauf, mir zu widersprechen. Auch wenn er es nie zugeben würde, fühlte auch er sich mit einem Hund sicherer, wenn wir uns anschickten muskelbepackte Handwerker mit Fragen zu belästigen.

      Zwei Stunden später hatten wir bereits in sieben Schmieden nachgefragt, aber überall hatte man beteuert, das Paar nicht zu kennen. Auch hatte Ariovist auf keinen der Handwerker reagiert, weder freudig noch abwehrend, sondern ging brav wie ein Lamm vor mir an der Leine. Julia Marcella hatte uns den Hund nicht nur mit Freuden überlassen, sondern mich sogar gedrängt, ihn zu behalten.

      »Er braucht viel Bewegung«, hatte Lucius mich gewarnt, was eine für ihn als Faulpelz typische Bemerkung war. Glaubte er tatsächlich, dass ich meinen Hund selbst ausführen würde, wenn ich einen besäße? Mein Bruder vergaß immer wieder, dass ich es inzwischen zu etwas gebracht hatte. Doch diese Überlegungen waren müßig. Ich brauchte keinen Hund, der nicht willens war, mein Eigentum zu bewachen. Schließlich besaß ich nicht nur einen Hofhund, sondern hielt auch ein gutes Dutzend Gänse. Sie brauchten nur wenig Pflege und waren viel aufmerksamer als die meisten Hunde. Das hatte sich schon in der Vorzeit gezeigt, als Gänse mit ihrem Geschnatter das Kapitol vor der Eroberung durch die Barbaren gerettet hatten.

      Im Westen verfärbte sich bereits der Himmel und ich bezweifelte längst, dass wir Aulus Calpurnius und seine Begleiterin noch finden würden. Dabei musste ich doch die Kette unbedingt wiederbesorgen. Mein ganzes Glück hing davon ab.

      Während ich finster vor mich hin grübelte, erreichten wir eine nach einheitlichem Schema entworfene Häuserzeile. Den Bauten war eine überdachte Vorhalle vorgeblendet. Die Fassaden der eigentlichen Häuser besaßen weite Öffnungen, die nachts mit Brettern verschlossen wurden. Dahinter lagen unterkellerte Verkaufsräume und Werkstätten. Eigentlich war es eine ganz normale Straße, denn Kleinhandwerk, Gaststätten und Garküchen bestimmten das Straßenbild von Mogontiacum. Daher dauerte es einen Augenblick, bis ich erkannte, wohin genau mich Lucius geführt hatte.

      »Wir sind auf der Rückseite von Julia Marcellas Grundstück!«, rief ich verwundert aus und deutete auf das Brachland, das zwischen der Häuserzeile und der Villa der Bankiersgattin lag.

      »Kann sein. Ich habe ihr Grundstück noch nie umrundet«, entgegnete mein Bruder. »Aber wie dem auch sei: Das ist die letzte Schmiede, die ich mit dir aufsuchen werde.«

      Ich widersprach nicht, da die meisten