Die Halskette von Worms. Franziska Franke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franziska Franke
Издательство: Bookwire
Серия: Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958132290
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      »Vielleicht hast du schlicht vergessen, sie anzulegen«, versuchte ich sie zu beruhigen, denn das Gespräch drohte eine Wendung zu nehmen, die meinem Vorhaben nicht gerade dienlich war.

      »Nein, das habe ich ganz bestimmt nicht! Bevor ich meine Gäste empfangen habe, schaute ich schnell noch einmal in den Spiegel und da trug ich die Kette noch!«, entgegnete Julia Marcella in dem für sie charakteristischen scharfen Tonfall.

      Wie viele Frauen, die sich im Geschäftsleben durchsetzen müssen, gab sie vor, härter als die Männer zu sein.

      »Vielleicht hast du sie gedankenverloren abgenommen und schlicht vergessen sie wieder anzulegen«, versuchte ich sie umzustimmen. Doch meine Enttäuschung steigerte sich zu einem Gefühl der Niedergeschlagenheit. Es war wohl wieder nicht der richtige Zeitpunkt über Pina und mich zu sprechen.

      »Die Kette wird dir schlicht heruntergefallen sein«, schlug ich als weitere Möglichkeit vor, als Julia Marcella nicht reagierte.

      »Aber ich habe nichts klirren hören«, widersprach sie.

      »In meinem Haus gibt es überall Mosaikböden und Tonplatten. Das schwere Schmuckstück konnte nicht unauffällig herunterfallen.«

      »Glaubst du wirklich, dass man dir die Kette vom Hals abgenommen hat, ohne dass du etwas davon mitbekommen hast?«, unternahm ich einen letzten Versuch, ihr den Diebstahl auszureden.

      »Einer Bekannten hat man im Isis-Tempel nicht nur einen wertvollen Ring, sondern sogar ihr Diadem gestohlen, während sie ins Gebet versunken war.«

      Wahrscheinlich hatte die Dame gerade eine Nebenbuhlerin verwünscht. Ich konnte mich jedenfalls des Eindrucks nicht erwehren, dass die meisten Isis-Verehrerinnen den Tempel aufsuchten, um dort Fluchtafeln zu deponieren.

      »An allen öffentlichen Orten, an denen es viele Menschen gibt, treiben sich professionelle Diebe herum«, wandte ich ein. »Ich finde es aber etwas weither geholt, dass jemand eine zum Verkauf stehende Villa besichtigt, nur um ein Schmuckstück zu stehlen.«

      »Es ist mir gleichgültig, ob der Diebstahl geplant war. Jedenfalls will ich mein Eigentum zurück!«, rief meine Gastgeberin empört aus. Vielleicht hatte auch einer der Dienstboten die Gunst der Stunde genutzt, um das Schmuckstück zu entwenden. Diesen Verdacht behielt ich lieber für mich, um nicht noch mehr Unfrieden zu stiften. Julia Marcella dachte jedoch offenbar das Gleiche.

      »Ich werde die Dienerschaft befragen!«, verkündete sie, bevor sie wutentbrannt ins Haus zurückeilte.

      Ich folgte mit einigen Schritten Abstand, während Ariovist träge liegen blieb. Schweigend beobachtete ich, wie die Hausherrin ihr Personal ins Verhör nahm, das aber einhellig beteuerte, von nichts zu wissen. Mit hängenden Schultern standen die Diener vor ihrer Herrin und schauten so arglos drein, dass es mein Misstrauen weckte. Selbst der arme Cicero wurde befragt. Doch wenigstens musste er keine Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Die eigenen Haussklaven hingegen wurden des Diebstahls, der Komplizenschaft und der Pflichtvergessenheit bezichtigt. Als Julia Marcella endlich die Schimpfwörter ausgingen, war sie außer Atem. Aber ihre Augen funkelten noch immer mit ihren Ohrringen um die Wette.

      Ich hörte dem Wutanfall nur mit halbem Ohr zu und wartete geduldig ab, bis die Hausherrin wieder logischen Argumenten zugänglich war. Geduld war eigentlich nicht gerade meine Stärke, aber ich hoffte insgeheim, dass Pina in der Zwischenzeit nach Hause zurückkehren würde.

      »Du hast ihnen nicht befohlen, deine Gäste wider Willen hier festzuhalten«, versuchte ich die Dienstboten zu entschuldigen. Mit dieser unbedachten Bemerkung lenkte ich aber jetzt den Zorn meiner Gastgeberin auf mich.

      »Dein unangemeldeter Besuch hat mich abgelenkt. Sonst wäre ich aufmerksamer gewesen!« Ihre Stimme klang schrill.

      Schön, wenn man die Schuld auf andere schieben kann, dachte ich. Aber es gab noch etwas, das mich die ganze Zeit beschäftigte, und zwar der Totenkopffalter. Normalerweise flatterten Nachtfalter nicht am helllichten Tag in Villen herum.

      »Wo genau wurde der Schmetterling gesichtet?«, erkundigte ich mich.

      »In der Küche, in der meine Dienerschaft gerade mit den Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigt war«, erklärte Julia Marcella und schürzte die Lippen, auch sie wirkte skeptisch. »Meine Besucher haben darauf bestanden, auch die Nutzräume in Augenschein zu nehmen. Daher kam ich nicht umhin, sie in die Küche zu führen. Der Falter muss zufällig durch das Fenster geflogen sein.«

      Ich glaubte nicht an derartige Zufälle und wollte mich gerade erkundigen, ob einer der beiden Besucher eine Tasche bei sich getragen hatte, als ich von hinten angesprochen wurde.

      »Vielleicht kann Marcus die Diebe fassen«, hörte ich Pina sagen, was ihr einen halb amüsierten, halb tadelnden Blick ihrer Schwester einbrachte. Mit einem Korb voll Gemüse in der Hand stand das Mädchen in der Tür und genoss unsere Überraschung über ihr leises Herantreten. Sie war genauso hochgewachsen wie ihre ältere Schwester, aber rothaarig und viel schlanker. Außerdem kochte sie gern, was Julia Marcella als einer vornehmen Frau unwürdig betrachtete. Was die beiden Frauen verband, war die Vorliebe für traditionelle gallische Gewänder in kräftigen Farben. An diesem Vormittag trug Pina unter einem giftgrünen gebauschten Gewand, das mit zwei Fibeln fixiert war, ein dunkelgrünes Untergewand mit engen Ärmeln, Manschetten und gerüschtem Kragen. Diese nicht gerade unauffällige Aufmachung wurde abgerundet von einer großen runden Schmuckscheibe, die an ihren Gürtel hing.

      »Es war eine einfache goldene Kette«, griff die Hausherrin den Vorschlag auf. Ich konnte mir vorstellen, was die prachtliebende Witwe unter einfach verstand. Sie zögerte einen Augenblick, ehe sie weitersprach. »Mit drei gefassten Goldmünzen als Anhängern.«

      Ich erinnerte mich, das Schmuckstück wiederholt gesehen zu haben, jedoch niemals außerhalb des Hauses. Eigentlich interessiere ich mich nicht für Geschmeide. Wahrscheinlich war mir dieses spezielle Exemplar nur aufgefallen, da auch Julia Marcellas verstorbener Mann eine Münze an einer Kette um den Hals getragen hatte, wobei es sich aber um eine Silbermünze gehandelt hatte. Langsam fragte ich mich, ob es ein gallischer Brauch war, sich mit Geldstücken zu schmücken. Die Frage erschien mir jedoch zu persönlich.

      »Dann ist es ja kein allzu großer Verlust«, versuchte ich mit einem freundlichen Lächeln abzuwiegeln. Um ehrlich zu sein, war mir das Schmuckstück herzlich egal, obwohl mich natürlich die Höflichkeit davon abhielt, es laut auszusprechen.

      »Du ahnst gar nicht, wie wichtig es für mich ist«, brach es aus der Hausherrin heraus. Sie starrte mich mit bleichem Gesicht an, schien aber ihre bestürzten Worte sofort zu bereuen.

      »Es ist ein Familienerbstück, das mir meine Mutter vermacht hat. Ich wollte es wiederum meiner Schwester zur Hochzeit schenken«, fügte sie hastig hinzu, wobei sie es vermied, Pina anzuschauen, die nach ihrer erstaunten Miene zu schließen nichts von ihrem Glück wusste. Im Gegensatz zur Hausherrin legte Pina keinen Wert auf filigranes Geschmeide und empfindliche Seidenstoffe. Sie streifte gern durch die Natur, kannte sich gut mit Pflanzen aus und bevorzugte daher Kleidung aus robusterem Tuch und weniger fragile Schmuckstücke.

      »Du wirst es doch bestimmt wiederbeschaffen?«, fragte sie und schaute mich mit großen, grünen Augen an. Ich teilte ihren Optimismus nicht, was ich aber lieber für mich behielt. Ich konnte nur hoffen, dass Julia Marcella die Kette nur verlegt hatte und sie von selbst wieder auftauchte. Die Hausherrin hatte inzwischen ihre Fassung völlig zurückgewonnen. Die Blässe war aus ihrem Gesicht gewichen und sie war wieder die selbstbewusste, kämpferische Bankierswitwe wie sonst auch.

      »Du gehörst schließlich fast zur Familie«, erklärte sie, womit sie wohl andeuten wollte, dass sie mich nicht zu bezahlen gedachte.

      Später schalt ich mich einen Trottel, weil ich diese Bemerkung hatte unkommentiert im Raum stehen lassen. Doch ich war zu geschockt vom Verlauf meines Besuchs, um schlagfertig zu sein. So hatte ich mir mein Leben als Gutsbesitzer nicht vorgestellt! Der Kaiser hatte mir mein schönes Anwesen übertragen, weil ich eine Verschwörung aufgedeckt hatte. Im Frühjahr hatte ich einen Mordfall aufgeklärt und nun sollte ich ein Schmuckstück wiederbeschaffen? Und das auch