Die Halskette von Worms. Franziska Franke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franziska Franke
Издательство: Bookwire
Серия: Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958132290
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Plan Abstand. Ich hätte dabei Geld in einen überflüssigen Haarschnitt investieren müssen und wenn ich etwas hasste, so war es Verschwendung.

      Vielleicht konnte mir mein Bruder Lucius weiterhelfen. Seit er bei der Armee war, verkehrte er endgültig in zweifelhaften Kreisen. Ich hatte gehofft, man würde ihn dort wenigstens von seinem Lotterleben abhalten. Zu meinem Leidwesen begann der Dienst zwar beim Morgengrauen, endete jedoch bereits am frühen Nachmittag. Danach wurde von der Stubengemeinschaft die Cena vorbereitet. Kein Wunder, dass sich verbotenerweise Frauen und Kinder im Lager aufhielten. Nach dem Essen ging es dann in die Garnisons-Therme, zu den Gladiatorenkämpfen oder gleich in Gasthäuser, in denen um Geld gewürfelt wurde, oder in Bordelle. Lucius war nicht bei der kämpfenden Truppe, sondern schob in der Verwaltung eine ruhige Kugel und hätte mich in seiner reichlich bemessenen Freizeit ruhig auf dem Gutshof unterstützen können. Schließlich war den Soldaten die Beteiligung an Geschäften erlaubt. Aber manche Menschen ändern sich eben nie!

      Als wir auf dem Forum ankamen, übergab ich Cicero die Zügel und stieg vom Kutschbock.

      »Julia Marcella soll mich gefälligst zurücktransportieren, wenn ich mit der Arbeit fertig bin. Du kannst also zum Landgut fahren und während meiner Abwesenheit dem Verwalter auf die Finger schauen«, trug ich meinem Leibsklaven auf, dessen enttäuschte Miene mir signalisierte, dass er lieber mit mir auf Verbrecherjagd gegangen wäre.

      Mit dem Rücken zu einer Bäckerei schaute ich dem Fahrzeug nach, wie es über die ungepflasterte Straße davonrumpelte, bis es nicht mehr zu sehen war. Dann spazierte ich zu Julia Marcellas Wechselstube, die sich neben dem Barbierladen von Tiberius befand. Wenn man den einfachen, aber frisch verputzten Bau sah, ahnte man nicht, dass er vor kurzem ausgebrannt war.

      Im Laden war es nicht ganz so heiß wie draußen, trotzdem erstaunte mich, dass Marius Marfilius wie aus dem Ei gepellt aussah. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand er hinter der Theke und betrachtete mich mit einer Miene, die ich für den Steuereintreiber reserviert hatte. Er hatte das Kinn nach oben gereckt, um größer zu erscheinen und presste die Lippen fest aufeinander. Offenbar verwendete er inzwischen die Pomade aus Civitas Mattiacorum, für die eine Inschrift auf der Wand des Nachbarhauses warb. Doch trotz des rötlichen Schimmers auf seinem schwarzen Haar wirkte der ansehnliche Römer mit seiner dunklen Gesichtsfarbe in Germanien so deplatziert wie ein Ölbaum im germanischen Mischwald.

      »Brauchst du einen Kredit?«, erkundigte er sich, herablassend wie immer. Ich fragte mich, ob er wusste, dass sich seine Arbeitgeberin über kurz oder lang aus dem Bankgeschäft zurückzuziehen gedachte. Aber vielleicht hatte sie ja vor, ihren Angestellten nach Italien mitzunehmen.

      »Nein, ich wollte nur nachfragen, wie die Geschäfte laufen«, sagte ich so sachlich wie es meine Abneigung gegen den unverschämten Geldwechsler zuließ.

      »Bestens, das siehst du doch«, entgegnete Marius Marfilius mit einer vagen Handbewegung in den leeren Raum.

      »Freut mich zu hören«, erwiderte ich trocken, während mein Blick über die geweißten Wände wanderte. »Ich suche einen jungen Mann und seine Begleiterin«, fuhr ich fort und gab ihm eine Beschreibung des diebischen Paars. »Waren die beiden zufällig in den letzten Tagen hier?«

      Der Angestellte zog die Stirn in Falten und gab vor, angestrengt nachzudenken, was mich überhaupt nicht beeindruckte, da ganz offensichtlich in der Wechselstube Flaute herrschte. Dabei versuchte er mich unauffällig aus den Augenwinkeln zu mustern, konnte aber nicht vermeiden, dass sein Blick einige Sekunden lang auf dem Siegelring haften blieb, den Julia Marcella mir aus Dankbarkeit für meine Diskretion geschenkt hatte.

      »An eine Frau mit einem bronzenen Armreif kann ich mich nicht erinnern. Hier kommen einfach zu viele Leute vorbei«, behauptete der Geldwechsler dann dreist. »Aber möglicherweise hat der von dir beschriebene Mann gestern hereingeschaut. Ich habe ihm ein paar Münzen gewechselt und wir haben über das Wetter geplaudert.«

      Einen Moment lang fehlten mir die Worte, denn ich hatte nicht mit einem positiven Bescheid gerechnet. Widerwillig rief ich mir ins Gedächtnis, dass ich Marius Marfilius nicht mögen musste, um seine beruflichen Qualifikationen anzuerkennen.

      »War auch ein Aureus unter den Münzen?«, fragte ich und ärgerte mich über mich selbst, dass meine Aufregung so deutlich zu hören war. Aber ich hatte mich zu früh gefreut.

      »Nein, es waren Denare«, dämpfte der Angestellte meinen Optimismus. »Sie waren schon etwas angestoßen und deshalb wollte sie ein Händler nicht annehmen.«

      Mir waren Geldwechsler nicht geheuer. Sie sollten überprüfen, ob ein Geldstück tatsächlich aus Gold oder Silber war, ob es das Bildnis eines Herrschers trug, der eine Münzstätte unterhalten durfte und sie sollten Größe und Gewicht kontrollieren. Aber die meisten nörgelten an den ihnen angebotenen Münzen herum und tauschten sie dann mit vorgetäuschtem Widerwillen zu einem schlechten Kurs um.

      »Bitte lass es mich sofort wissen, falls du den Mann nochmals sehen solltest. Er oder seine Begleiterin haben Julia Marcella eine wertvolle Kette gestohlen«, trug ich Marius Marfilius auf.

      »Der Mann hat auf mich einen ehrlichen und rechtschaffenen Eindruck gemacht«, entfuhr es dem Geldwechsler und er trat erstaunt einen Schritt zurück. In seinen eben noch blasierten Tonfall mischte sich Erstaunen.

      »Das sind meistens die Schlimmsten«, brummte ich, bevor ich mich verabschiedete und die Wechselstube verließ.

      Ich lenkte meine Schritte in Richtung Vorstadt, wo es keinen Mangel an billigen Tavernen gab, wie sie mein Bruder schätzte. Es war in den letzten Tagen unangenehm heiß geworden und er würde den Abend bestimmt nicht in der Kaserne verbringen wollen. Obwohl ich ganz gemächlich ging, rann mir der Schweiß den Nacken hinunter, und außerdem knurrte mein Magen. Bei einem fliegenden Händler kaufte ich mir einen Pfannkuchen mit Garum, den ich so gedankenverloren in mich hineinstopfte, dass nicht bis in mein Bewusstsein vordrang, ob er schmackhaft war.

      Nachdem ich den Imbiss im Gehen vertilgt hatte, sah ich eine Spelunke, die gerade eine Weinlieferung erhielt. Kräftige Männer hoben Amphoren von einem Wagen und schleppten sie ins Haus, in dem der Wirt sie empfing. Diese kräftezehrende Beschäftigung kannte ich nur allzu gut, da ich früher ein Weinkontor geleitet hatte. Nun war es ein seltsames Gefühl, anderen dabei zuzusehen.

      Ich hatte die weit geöffnete Tür der Gastwirtschaft noch nicht erreicht, als ich Lucius auf der anderen Straßenseite bemerkte. Er war in Begleitung zweier unternehmungslustig dreinblickender Rekruten, die er bestimmt bald auf Abwege führen würde. Der jüngere der beiden konnte nicht älter als siebzehn Jahre alt sein und bewegte sich mit der unsicheren Haltung eines Jugendlichen, der sich noch nicht an seinen zu schnell gewachsenen Körper gewöhnt hatte.

      Ich überquerte die Straße und schritt meinem Bruder direkt entgegen, damit er mir nicht ausweichen konnte.

      »Guten Abend, Lucius. Ich habe dich schon überall gesucht«, begrüßte ich ihn. Er roch nach Wein, doch wenigstens torkelte er noch nicht.

      »Ich war es nicht«, stammelte er, bevor ich auch nur mein Anliegen geäußert hatte. Diese Antwort veranlasste seine beiden Kameraden zu betrunkenem Gejohle.

      »Glaub ihm kein Wort, er tut nur so scheinheilig«, entgegnete der ältere Rekrut feixend. Selbst die Grünschnäbel hatten Lucius wohl bereits durchschaut. Die Art, wie sie mich musterten, zeigte, dass sie sich denken konnten, wer ich war. Ich wollte lieber gar nicht wissen, was Lucius über mich erzählt hatte.

      »Du hast wohl ein schlechtes Gewissen?«, fragte ich, ohne auf den nur allzu wahren Kommentar einzugehen. Mittlerweile hatte ich es aufgegeben, mich über den Lebenswandel meines Bruders aufzuregen. Ich teilte den beiden Rekruten also höflich, aber bestimmt mit, dass ich unter vier Augen mit Lucius sprechen wollte und schleifte ihn um die nächste Straßenecke. Als wir außer Sichtweite waren, blieb ich vor einem einfachen Streifenhaus stehen, wie sie für die Zivilsiedlung von Mogontiacum typisch waren. Mein Bruder vermied es, mich anzusehen und gab stattdessen vor, sich für die Dächer der umliegenden Bauten zu interessieren.

      »Ich habe nur eine kurze Frage«, beruhigte ich ihn und hob beschwichtigend die Hand. »Kennst du zufällig