»Nun, Kumpel, ich denke, sie ist die Frau, die ich eines Tages heiraten werde.«
Seine Augen leuchteten auf und vergrößerten sich hinter den Brillengläsern zu zwei großen Kugeln. »Wow, das ist ja mal was Neues. Da muss aber was Großes passiert sein, damit du …« Er hielt mitten im Satz inne und schaute mich dann fassungslos an. Ich konnte nicht anders, als zu grinsen. Man konnte es am besten als ein breites, selbstgefälliges Grinsen bis über beide Wangen bezeichnen. »Ach du heilige Scheiße«, rief er begeistert. »Du hast die nackte Brezel mit ihr gemacht!«
»Pscht, nicht so laut, Mann«, sagte ich mit gedämpfter Stimme. »Ich will nicht, dass es die ganze Welt erfährt. Komm schon, wir müssen zum Training. Vielleicht erzähle ich dir dann davon.«
Er kicherte, als wir uns umdrehten und in Richtung der Umkleideräume marschierten. Ich passte einen Moment nicht auf und rempelte jemanden an. Sein Name war Jason Argos. Er stand regungslos an der Ecke und es wirkte beinahe so, als ob er uns zugehört hätte. Ich entschuldigte mich schnell bei ihm, denn ein Zehntklässler ging nicht einfach so umher und rempelte einen Zwölftklässler an.
»Oh, sorry, Jason! Ich wusste nicht, dass du da stehst«, sagte ich hastig.
Jason sah mich einen Moment lang merkwürdig an. »Kein Problem. Mein Fehler.«
Er starrte mich weiterhin an, drehte sich dann aber zur Seite, damit wir vorbeigehen konnten. Jason war in der Zwölften. Er war sehr gut aussehend, gemischtrassig, achtzehn Jahre alt, ein Meter achtundneunzig groß und extrem muskulös. Er gehörte zur ersten Schulmannschaft und hatte zahlreiche Auszeichnungen in Baseball und Football bekommen. All das machte ihn zum wahrscheinlich populärsten Kerl der Schule. Er war sehr beliebt bei den Mädchen und es mangelte ihm niemals an Verabredungen.
Felix schwärmte immer mit wahrer Begeisterung von ihm. »Hey Kumpel«, sagte Felix nun und versuchte so zu tun, als wären sie die besten Freunde. Doch Jason nickte als Antwort nur. Er tolerierte Felix lediglich, genau wie die meisten anderen Zugehörigen der Unterschicht. Auf dem Weg zum Sportplatz führte Felix seine Liebe zu Jason fort.
»Hast du schon gehört? Er hat die Baseballsaison mit einem ERA von 2.01 beendet. Freitagabend hatte er drei Touchdown-Pässe gegen Overton. Er hat nicht nur seinen eigenen Wurftrainer, er hat auch einen Quarterback-Trainer. Das ist echt phänomenal!« Er sah sich verschwörerisch um. »Gerüchten zufolge wurde ihm schon ein Haufen Geld unter der Hand angeboten, um bei einem College-Team im östlichen Teil des Staates mitzuspielen, falls du weißt, was ich meine«, sagte er mit einem Zwinkern.
»Glaubst du denn, er wird deinen Heiratsantrag annehmen?«, fragte ich sarkastisch.
Felix lachte und wurde daraufhin tatsächlich rot. »Du bist echt zum Schießen, Zach.«
Unser Gespräch wurde plötzlich von einem der stellvertretenden Schulleiter unterbrochen. »Zacharias, ein Mann wartet auf dem Parkplatz auf dich. Er sagt, er wäre dein Chef und es gäbe einen Notfall bei deiner Großmutter.«
Meine Großmutter
Ich entdeckte Rick in seinem Truck und er winkte mir zu. Er hatte seine drei Hunde bei sich, die Moe, Larry und Curly hießen. Sie waren Streuner, die er gefunden und adoptiert hatte. Es war schwer, zu sagen, welche Rassenkreuzungen für ihre genetische Aufmachung verantwortlich waren. Wir nahmen zwar an, dass sie dieselbe Mutter hatten, konnten uns aber nicht sicher sein.
»Hey, Rick, was ist denn los?«, fragte ich, als ich angelaufen kam. Rick war ein angegrauter alter Vietnam-Veteran, der mit mir zusammen auf der Farm arbeitete. Technisch gesehen war er mein Chef. Er war bereits über sechzig. Ein hartes Leben, mit freizügigen Mengen Alkohol und Zigaretten, hatten tiefe Furchen in seinem sonnengeschädigten Gesicht hinterlassen. Es wirkte so, als hätte er sich, schon seit einer Woche nicht mehr rasiert. Felix kam kurze Zeit später nach und sagte ebenfalls Hallo. Doch Rick ignorierte ihn.
»Ich soll dich zum Krankenhaus bringen, deine Großmutter hatte einen Schlaganfall.« Er sah zu Felix herüber. »Dein warmer Bruder kann von mir aus auch mitkommen.« Felix begann zu protestieren, aber ich sprach zuerst.
»Was ist passiert?«, fragte ich entsetzt.
Rick sah mich an, als wäre ich bescheuert. »Das habe ich doch gerade gesagt. Sie hatte einen Schlaganfall.« Er starrte mich noch für ein paar Sekunden an, bevor er das Gefühl bekam, weiter ausholen zu müssen. »Die Briefträgerin hat sie im Garten gefunden und den Notarzt angerufen. Ich weiß nicht, warum sie dich nicht in der Schule angerufen haben, aber der Nachbar dachte wohl, du wärst auf der Arbeit und hat sich deshalb dort gemeldet. Ich habe den Anruf entgegengenommen.« Er sah sich um und nahm einen Schluck aus einem Halbliterfläschchen billigen Whiskeys. »Du steigst jetzt am besten ein und ich fahre dich zum Krankenhaus. Wenn wir dort mit den Ärzten gesprochen haben, sehen wir weiter.«
Felix verzichtete darauf mitzukommen und war einverstanden, meinen kleinen Ford Ranger Pick-up nach Hause zu fahren, ließ mich ihm aber versprechen, ihn sofort anzurufen, sobald ich mehr wüsste. Er klopfte mir aufmunternd auf den Rücken und trabte dann davon. Ich ging hinüber zur Fahrerseite. »Rutsch rüber, ich sollte fahren«, befahl ich ihm. Es war immer schwer, Ricks Grad der Nüchternheit oder die Abwesenheit davon einzuschätzen.
Rick grunzte. »Ich bin nich' betrunken, du Klugscheißer.«
»Komm schon, Rick, du hast gerade erst deinen Führerschein zurückbekommen. Du musst dich nicht schon wieder festnehmen lassen.« Rick grunzte erneut, gab aber nach dem obligatorischen Aufstand das Steuer in meine klugscheißerischen und nüchternen Hände ab.
Wir fuhren den ganzen Weg, ohne etwas zu sagen. Rick lauschte einem Radiosender. Der Moderator faselte gerade etwas von Regierungsverschwörungen. Ich hörte ihm gar nicht zu.
Oma war bewusstlos, als wir ankamen, und ich wurde direkt von einem Arzt abgefangen, bevor ich in ihr Zimmer gehen konnte.
»Wie geht es ihr, Doktor?«, fragte ich zögerlich. Er gab mir keine Antwort, zumindest nicht sofort.
»Sind Sie ihr einziger lebender Verwandter?«, fragte er mich dann plötzlich unverblümt. Ich zuckte mit den Schultern. »Sie sind unter achtzehn, vermute ich, oder?«
Ich nickte. Er sah hinüber zu Rick, roch wahrscheinlich den Alkohol und richtete seine Aufmerksamkeit dann doch wieder auf mich. »Sie hatte einen heftigen Schlaganfall und hat vermutlich noch dazu eine Weile draußen gelegen, bevor sie gefunden wurde. Ihre Körpertemperatur war sehr niedrig, als sie eingeliefert wurde. In ihrem Alter und bei der schlechten Verfassung sieht die Prognose …«
Er beendete den Satz nicht, aber das war auch nicht nötig. Ich schaute an ihm vorbei in das Zimmer. Sie war an einige Monitore angeschlossen, hatte mindestens zwei Infusionen in den Armen und ein Schlauch befand sich in ihrem Mund. Sie sah schrecklich, schwach und sterblich aus.
Auf der Fahrt hierher war ich stark gewesen und hatte alles unter Kontrolle gehabt, doch jetzt nicht mehr. Ich fühlte Tränen in mir aufsteigen. Der Arzt legte tröstend seine Hand auf meine Schulter. »Sicher, dass es keine weiteren Familienangehörigen gibt, Sohn?«
Ich wischte über meine Augen. »Meine Eltern starben bei einem Autounfall, als ich noch klein war. Sie hat mich daraufhin aufgenommen. Mein Vater hat noch Verwandte irgendwo in Schweden, aber ich habe keine Ahnung, wie ich diese erreichen soll. Es könnte auch noch ein paar Cousins geben, aber ich bin ihnen niemals begegnet.« Ich erzählte ihm nicht, dass die Familie meines Vaters ihn schon vor vielen Jahren enteignet hatte, noch bevor ich geboren wurde. Ich sah den Arzt an. »Unser einziges Einkommen kommt von meinem