Wiedervereint, und es fühlt sich gut an
Die Gegenwart
Ich stand gerade auf der Galerie im zweiten Stock der Bücherei und schaute über die schwelenden Überbleibsel aus Büchern und umgeworfenen Regalen. Rußgeschwärzte Deckenplatten zeugten von einem Feuer, das sich nicht vollständig hatte durchsetzen können. Nichtsdestotrotz war es nun einmal geschehen. Viele der Bücher hatten überlebt, hatten jedoch beträchtliche Rauch- und Wasserschäden davongetragen. Erstaunlicherweise war noch immer etwas Druck auf dem Brandschutzsystem. Das Wasser plätscherte nur noch tröpfchenweise aus den Sprinklerköpfen. Hier und da stiegen aber noch immer Rauchschwaden auf. Dieses Feuer war erst kürzlich gelegt worden; innerhalb der letzten Stunde. Es gab noch mehr Akte von Vandalismus. Die meisten der Fenster waren zerbrochen und obszönes Graffiti war böswillig auf die Wände einer Einrichtung geschmiert worden, die zuvor eine Bildungsstätte gewesen war.
Heiden! Das ist das Wort, mit dem ich sie beschreibe. Irgendwie hatten viele von ihnen überlebt, während so viele gute Menschen gestorben waren. Sie zogen nun in Gangs verschiedener Größen umher und hinterließen eine Spur des Verderbens. Es stand ihnen nicht der Sinn danach, die Gesellschaft wiederaufzubauen, stattdessen folgten sie nur ihren eigenen kurzsichtigen und zerstörerischen Begehren. Für mich gab es hier nun nichts mehr.
Seit dem Ausbruch der Seuche waren meine Besuche in der Gegend um Nashville herum eher sporadisch geworden. Die städtischen Gebiete, die dicht besiedelt gewesen waren, als die Gesellschaft noch normal und funktionsfähig gewesen ist, war nun von Infizierten bevölkert.
Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als ich ein wütendes Schreien hörte. Es war aber offenbar nicht unmenschlichen Ursprungs, sondern definitiv menschlich. Meine Überlebensinstinkte warnten mich, aber ich war nun einmal neugierig. Deshalb stahl ich mich heimlich durch eine Seitentür aus der Bücherei. Die gedämpften Stimmen wurden nun prägnanter und ich konnte den Ursprung ausmachen. Ich schlich die Edmondson-Mautstraße entlang, um den Geräuschen entgegenzugehen, und behielt dabei argwöhnisch die Umgebung im Auge, als ich im Laufen Deckung hinter den verlassenen Autos suchte. Ich musste nicht weit gehen.
Vor mir waren drei von ihnen. Ich benutzte mein Zielfernrohr, um einen guten Blick auf sie werfen zu können. Zwei von ihnen waren wild aussehende Männer. Die dritte Person war ein junges Mädchen mit langem dunklem Haar. Einer der Männer, ein großer schlaksiger Mann mit runden Schultern, schimpfte gerade laut auf das Mädchen ein, und ich sah, wie er ihr mit dem Handrücken eine schallende Ohrfeige verpasste. Sie fiel zu Boden, und der andere, eine kürzere, schmutzigere Variante seines Freundes, lachte daraufhin laut auf. Beide trugen Bärte, in die Zöpfe eingeflochten waren. Es sah ehrlich gesagt ziemlich dämlich aus. Der Große fing nun an, das Mädchen zu treten. Keine festen Tritte, die ihr die Rippen gebrochen hätten, sondern eher sanfte Tritte. Tritte, die zur Demütigung und Erniedrigung gedacht waren.
Ich hockte mich neben ein umgekipptes Auto und stützte mein Gewehr auf einen der platten Reifen auf. Als ich sie im Visier hatte, packte der Große das Mädchen gerade im Genick und riss ihr brutal die Hose herunter.
Berichtigung … hatte ich Mädchen gesagt? Mithilfe meines Zielfernrohrs konnte ich noch andere Dinge entdecken. Nein, das war definitiv kein Mädchen. Aber er war nur noch Haut und Knochen. Es war deshalb schwierig, sein Alter festzustellen, vielleicht elf oder zwölf?
Ich traf eine spontane Entscheidung. Ich würde diese Bastarde umbringen. Sie waren Tyrannen. In meinem Herzen hatte ich ein ganz spezielles und düsteres Plätzchen für Tyrannen. Sie hatten eine Whiskey-Flasche hin- und hergereicht, als sie den kleinen Jungen malträtiert hatten. Der Kurze nahm einen großen Schluck daraus und lachte hämisch, als sein Freund dem Jungen die Hose herunterriss.
Ich checkte noch einmal die Gegend durch mein Zielfernrohr und ließ sie für einen Moment aus den Augen, um meine Umgebung abzusichern. Paranoia war heutzutage nämlich durchaus eine positive Charaktereigenschaft und ich wollte auf keinen Fall von hinten überwältigt werden. Als ich wieder zu ihnen hinübersah, hatte das große Ekel seine Geisel über die Ladeklappe des Pick-ups gebeugt und seine eigenen Hosen unten. Er hatte keine Ahnung, dass ich ihn beobachtete, als er begann, den Jungen auf brutale Weise zu schänden. Einfach ekelhaft.
Seine Hüften rotierten leidenschaftlich, was leider zu heftig für einen sauberen Kopfschuss war. Also platzierte ich das Fadenkreuz stattdessen zwischen seine Schulterblätter, atmete langsam ein, stieß die Luft wieder aus und drückte dann sanft den Abzug. Wenn ich es über die zehnte Klasse hinaus geschafft hätte, dann wäre jetzt eine nette und anschauliche Beschreibung der Zerstörung erfolgt, die das Hohlspitzgeschoss mit Bootsheck bei ihm verursachte, so, wie es in jedem actionreichen Buch, das ich je gelesen hatte, zu finden ist, aber ich werde mir die Mühe nicht machen. Ich denke, es ist auch so alles sonnenklar.
Nachdem ich den Ersten erschossen hatte, stand Tyrann Nummer zwei verdutzt da. Sein alkoholgetränktes Gehirn war offenbar zu langsam, um zu verarbeiten, was gerade passiert war. Ich lud deshalb in Ruhe meine Winchester durch und feuerte erneut. Die Whiskyflasche rutschte nun aus seiner Hand und zerbarst auf dem Boden.
Ich musste mir keine Sorgen darum machen, verhaftet zu werden. So war die Welt in diesen Tagen eben geworden. Was für eine Art, meinen achtzehnten Geburtstag zu feiern.
Zwei Jahre zuvor in der Highschool-Hölle
Ich war verliebt. Jeder kennt diese Art von Liebe. Eine schwärmerische und verträumte Jugendliebe. Es war erbauend und zugleich vernichtend. Das Gefühl beherrschte jeden wachen Gedanken und sogar meine Träume. Teufel, es beschäftigte mich sogar, wenn ich morgens auf dem Klo hockte.
Ich saß gerade im Geschichtsunterricht und warf dem Objekt meiner Bewunderung Blicke zu, als ich von Ms. Rotzbauer, meiner Lehrerin, jäh aus meinen Träumereien gerissen wurde. Eine Lehrerin aus der Hölle.
»Zacharias Gunderson, passt du auch auf?«
Das bin ich, Zacharias Gunderson. Derzeit befinde ich mich in der Highschool-Hölle der zehnten Klasse. Acht Stunden täglich inhaftiert in einer abgehalfterten öffentlichen Schule. Der weitläufigen Meinung nach hätte diese schon vor Jahren niedergebrannt werden sollen. Der Name der Lehrerin lautete in Wirklichkeit Rothbauer, ein alter jüdischer Familienname, aber sie hatte eine derart rotzige Gesinnung, dass alle Schüler sie Rotzbauer nannten … natürlich nur hinter ihrem Rücken.
Ich sah zu ihr auf. Sie war klein und recht korpulent, ähnlich wie ein pralles Bierfass. Sie war um die fünfundvierzig Jahre, aber sie sah mindestens zehn Jahre älter aus, und momentan starrte sie mich finster über den Rand einer schmutzigen Brille hinweg an.
»Oh ja, Ma'am. Ich bin hier.« Ein paar meiner Freunde kicherten. Ich grinste und sah zu Macie hinüber. Sie blickte kurz ausdruckslos zu mir und widmete ihre Aufmerksamkeit dann wieder ihrem Schulbuch.
Ihr Name war Macie Kingsley. Sie hatte langes, blondes Haar, hellbraun-grüne Augen, perfekte, weiße Zähne und ein paar nette Kurven. Sie war im Cheerleader-Team und sehr beliebt. Ich war im Leichtathletik-Team. Wir gingen jetzt schon seit beinahe drei Monaten miteinander und Samstagnacht, vor gerade einmal zwei Tagen, hat sie mich endlich rangelassen.
Ihr wisst ja genau, was ich damit meine. Wir haben Liebe gemacht, den Geschlechtsakt vollzogen,