Der Sänger strahlte über das ganze Gesicht.
»Du wirst keinen Grund haben, dich zu beschweren, Schwiegermama«, versprach er und gab ihr einen Kuß auf die Wange.
*
Sebastian öffnete selbst, als Christine an der Tür des Pfarrhauses klingelte. Als der Geistliche das Gesicht des Madels sah, wußte er, daß etwas geschehen war.
»Komm, wir setzen uns hinaus, in den Garten, und dann erzählst’ mir alles.«
Geduldig hörte er zu. Christine berichtete von dem Moment, in dem ihr bewußt wurde, daß sie den Mann ihrer Träume gefunden hatte, den wunderschönen Stunden, die sie mit Frank verbrachte und dem jähen Erwachen, wie aus einem Traum.
Sebastian überlegte. Als das Madel von dem Angebot, aus Amerika, für den Sänger hörte, kam ihm ein leiser Zweifel.
Konnte es sein, daß er sich in Frank Weilander getäuscht hatte? Würde er sein Angebot, einen Liederabend zu geben, um dem kleinen Florian zu helfen, zugunsten eines lukrativen Vertrages zurückziehen?
Es wäre das erste Mal, daß ihn seine Menschenkenntnis trog. Und er hatte den Sänger als einen Mann kennengelernt, von dem er zu wissen glaubte, daß er zu seinem Wort steht.
Nein, das mochte er einfach nicht glauben. Ebensowenig, daß Frank Christine nur etwas vorgemacht und sie als »Trostpflaster«, wie sie sich ausdrückte, benutzt hatte, das er abzog, nachdem die Wunde, durch das Auftauchen seiner einstigen großen Liebe geschlossen worden war.
Er erzählte von der großartigen Idee, die Frank gehabt hatte, und daß er sich nicht vorstellen könne, daß der Sänger seine Zusage jetzt wieder zurückzog.
»Auf uns’rer Wanderung hatte ich ausreichend Gelegenheit, Frank kennenzulernen und mit ihm über viele Dinge zu sprechen«, sagte Sebastian. »Ich bin sicher, daß du da einem Irrtum erlegen bist. Was natürlich nur verständlich ist, wenn plötzlich die Frau vor dir steht, die dem Mann, den du liebst, einmal sehr viel bedeutet hat. Trotzdem – so wie ich ihn einschätz’, wird’s net lang’ dauern, und er steht hier vor dir und klärt alles auf.«
Christine sah ihn hoffnungsvoll an.
»Glauben S’ das wirklich?«
Der Bergpfarrer nickte zuversichtlich. Im selben Augenblick klingelte es an der Haustür.
»Was hab’ ich gesagt?« meinte Sebastian mit einem Schmunzeln.
Er ging durch die Gartenpforte. Es war tatsächlich Frank Weilander, der vor der Tür stand. Der Sänger sah den Geistlichen fragend an.
»Ist sie hier?«
»Ja. Christine sitzt im Garten«, erklärte Sebastian. »Ich hab’ versucht, ihr klarzumachen, daß sie sich geirrt hat. Allerdings liegt ’s jetzt an Ihnen, sie zu überzeugen.«
Frank atmete erleichtert auf.
»Kommen S’, geh’n s’ einfach hier lang«, deutete der Seelsorger auf den Weg. »Ich laß’ sie beide jetzt allein’, nachher bleiben S’ zum Essen. Ich sag’ meiner Frau Tappert, daß sie noch zwei Gedecke mehr auflegen soll.«
Der Sänger nickte dankbar und lief hinter das Haus. Christine saß auf der Bank und schaute auf, als sie seine Schritte hörte. Frank sah sie einen Moment stumm an, dann schüttelte er den Kopf.
»Was machst du denn für Dummheiten?« fragte er vorwurfsvoll. »Einfach wegzulaufen!«
Die junge Frau schluchzte.
»Ich… ich hab’ doch net gewußt…«
Frank setzte sich zu ihr und nahm ihre Hände.
»Daß ich dich liebe?«
Christine zuckte die Schultern.
»Habe ich es nicht oft genug zu dir gesagt?«
»Doch, schon«, antwortete sie leise. »Aber als dann plötzlich heut’ morgen…«
Der Sänger strich ihr tröstend über das Haar.
»Ich weiß – du mußt sonstwas gedacht haben, als Silvia auf einmal vor dir stand.«
»Und dann ist sie auch noch zu dir, auf dein Zimmer gegangen!«
Jetzt schmunzelte er.
»Ja, und sie wollte mich überreden, das Angebot aus Amerika anzunehmen, und sie wollte, daß zwischen uns wieder alles so ist, wie früher. Aber die Zeit läßt sich nun einmal nicht zurückdrehen. Und seit ich weiß, daß ich dich liebe, gibt es für mich keine andere Frau.«
Er faßte unter ihr Kinn und hob es an.
»Willst du mich heiraten?«
Er schmunzelte noch mehr.
»Ablehnen geht nicht. Ich habe schon die Einwilligung deiner Mutter.«
Christine lehnte sich glücklich an ihn.
»Wir haben noch viel zu tun«, fuhr Frank fort. »Der Liederabend muß vorbereitet werden, und natürlich unsere Hochzeit.«
»Dann laß uns nicht länger warten, Liebster«, sagte Christine und gab ihm einen zärtlichen Kuß.
Ein Kuß, der ihr ganzes Glück besiegelte.
»Ferien!«
Laut hallte der Jubelschrei durch das Klassenzimmer. Daniela Bonnarzt schmunzelte, während die Buben und Madeln ihre Ranzeln packten. Die junge Lehrerin hob die Arme.
»Einen Moment bitte noch.«
Sie fixierte einen der Schüler, der es besonders eilig hatte und bereits zur Tür stürmte.
»Patrick, das gilt auch für dich!«
Sie wartete, bis er wieder an seinen Platz gegangen war.
»So, ich wünsch’ euch schöne Ferien, wenn ihr mit den Eltern in Urlaub fahrt, eine schöne Reise und hoffe, daß wir uns alle gesund und munter wiedersehen. Und jetzt ab mit euch.«
Sie wartete, bis die Kinder hinausgelaufen waren, dann packte sie ihre Sachen zusammen und atmete erleichtert auf. Endlich Urlaub. Daniela konnte ihn gebrauchen. Lehrerin zu sein war zwar eine wunderschöne Arbeit, aber sie war auch mit Streß verbunden. Leuten, die ihr vorhielten, daß Lehrer eh’ nur den halben Tag arbeiteten und dann auch noch soviel Ferien hatten, erwiderte sie nur, daß sie selber schuld hätten, diesen Beruf nicht ergriffen zu haben. Dann schüttelte sie nur noch den Kopf. Gegen manche Vorurteile kämpfte man eben vergebens. Dabei sah ihr Arbeitstag gänzlich anders aus, als die meisten ahnten.
Der Wecker klingelte um sechs Uhr in der Früh. Um sieben mußte Daniela losfahren, pünktlich um acht begann der Unterricht. In der Regel waren es fünf Stunden, die sie unterrichtete. Hinzu kam die Arbeitsvorbereitung, Vorlagen kopieren, Material sichten und Dienstbesprechungen. Wenn sie dann gegen zwei Uhr wieder zu Hause war, warteten Aufsätze und Diktate darauf, korrigiert zu werden, oft riefen, spät abends noch, Eltern an, und wirklich Feierabend hatte Daniela kaum vor acht, halb neun.
Allerdings hatte sie sich nie darüber beschwert. Lehrerin war ihr Traumberuf gewesen, und sie empfand es als etwas Schönes, jungen Menschen etwas beizubringen, sie zu formen und ihnen auch noch das nötige Rüstzeug für den späteren Lebensweg mitzugeben.
Das Privatleben jedoch blieb meistens auf der Strecke.
Auf dem Weg ins Lehrerzimmer begegnete ihr eine Kollegin.
»Puh«, ächzte Lilo Wegner, »das wär’ geschafft. Hast du deine Rasselbande auch schon in die Ferien entlassen?«
»Ja, und jetzt freu’ ich mich auf meinen Urlaub.«
»Wohin soll’s denn geh’n? Wieder in die Berge?«
Daniela nickte. Seit Jahren hatte sie