Pünktlich schellte er an der Tür des Pfarrhauses. Sebastian Trenker öffnete ihm. Frank hatte die ausgeliehene Wanderkleidung mitgebracht, und der Geistliche nahm sie entgegen.
»Haben S’ sich ein bissel von uns’rer Tour erholt?« erkundigte er sich.
»Es war schon anstrengend«, gab der Sänger zu. »Aber es hat auch viel Spaß gemacht. Vielen Dank noch mal dafür.«
»Kommen S’ herein«, lud Sebastian ihn ein. »Meine Haushälterin wartet schon mit dem Essen. Außerdem lernen S’ meinen Bruder kennen.«
Sophie Tappert hatte im Eßzimmer gedeckt. Das tat sie immer, wenn Besuch da war.
Nicht nur Max Trenker saß bereits dort. Zur großen Freude des Polizisten hatte es auch seine Liebste, Claudia Bachinger, geschafft, sich den Abend freizunehmen und aus Garmisch Partenkirchen herüberzukommen. Dort arbeitete die Journalistin bei der Zeitung, und ihr Job sorgte dafür, daß sie und Max sich eher selten sahen.
Der Bruder des Bergpfarrers, der früher als rechter Hallodri galt, hatte sich anläßlich einer Verkehrskontrolle in die attraktive Frau verliebt. Seitdem war sein Ruf als Herzensbrecher – sehr zur Zufriedenheit seines Bruders – ordentlich ins Wanken geraten. Max hatte schnell erkannt, daß er sich solche Eskapaden wie früher, mit Claudia nicht leisten konnte, und seither waren andere Madeln Luft für ihn, mochten sie auch noch so verlockend sein.
Sebastian hatte nicht verraten, wer der dritte Gast heute abend sein würde. Um so mehr freute er sich auf die überraschten Gesichter. Claudia Bachinger mochte gar nicht glauben, wer da jetzt neben ihr saß.
Frank fühlte sich in der kleinen Runde schnell wohl. Er wurde herzlich aufgenommen und hatte das Gefühl, daß diese Herzlichkeit ehrlich war und nichts mit seiner Popularität zu tun hatte.
Sophie Tappert hatte ein kleines kaltes Büffet vorbereitet. Schalen und Platten standen auf dem Tisch, und jeder konnte sich von den Köstlichkeiten bedienen. Es gab italienische Gemüsevorspeisen, in Balsamicoessig eingelegt, einen Geflügelsalat mit Spargelspitzen, kalten Braten mit Remouladensauce und natürlich den Bergkäse, den sie gestern von der Streusachhütte mit heruntergebracht hatten. Außerdem hatte die Haushälterin »ihren« frischen Obstsalat gemacht, denn sie immer mit einer Spur frischen Ingwers würzte.
Sebastian und seine Gäste ließen sich Zeit mit dem Essen, zu dem der Geistliche ein paar Flaschen Spätburgunder geöffnet hatte. In dieser gemütlichen Runde kam schnell eine angeregte Unterhaltung in Gang, und natürlich mußte Frank ein paar Geschichten aus seinem Leben erzählen. Seine Arbeit als populärer Sänger brachte es mit sich, daß er so manche lustige Begebenheit erlebte.
Es fiel ihm nicht schwer, davon zu berichten. Sebastian war ihm schon von Anfang an sympathisch gewesen, und dessen Bruder, Claudia Bachinger und Sophie Tappert gewannen ebenfalls schnell sein Herz.
Später brachte der Seelsorger noch einmal das Gespräch auf Florian Kammeier. Er hoffte, daß vielleicht die Freundin seines Bruders eine Idee hätte, wie man es den Menschen nahe bringen konnte, daß hier wirklich schnelle, finanzielle Hilfe notwendig war.
»Ich könnt’ einen Artikel darüber schreiben«, bot die Journalistin an. »Je mehr Menschen vom Schicksal des kleinen Florians erfahren, um so größer wird die Bereitschaft zum Spenden sein.«
»Ja, das ist vielleicht eine gute Idee«, nickte Sebastian.
»Ich hab’ mir da auch etwas überlegt«, sagte Frank Weilander. »Wissen Sie, natürlich wäre es für mich ein Leichtes, den Flug und die Operation aus der eigenen Tasche zu bezahlen und wenn die Umstände er erfordern, würde ich nicht zögern, es zu tun. Aber ich meine, gerade in der heutigen Zeit, wo soviel von der Konsumgesellschaft die Rede ist, und wir, wenn wir es recht betrachten, in einer eher egoistischen Gesellschaft leben, da müssen wir an das Solidaritätsgefühl der Menschen appellieren. Wir müssen sie dazu bringen, das Schicksal dieses kranken Buben zu sehen und zu erkennen, daß es jederzeit sie selbst, oder jemanden aus der eigenen Familie treffen kann.
Ich habe mir gedacht, daß es ein Anreiz zum Spenden sein könnte, wenn die Leute dafür eine Gegenleistung bekämen, und wollte vorschlagen, daß wir einen Liederabend organisieren. Auf eine Gage würde ich natürlich verzichten, und den Eintritt könnten wir der Familie des Jungen zukommen lassen. Mit dem, was die Leute eventuell dann zusätzlich spenden, wird es vielleicht immer noch nicht reichen, doch den dann fehlenden Betrag werde ich dann aufstocken. Davon sollten wir allerdings dann nichts sagen. Ich möchte nicht, daß darüber in der Öffentlichkeit gesprochen wird. Mein Anteil soll offiziell lediglich der Liederabend sein. Ich habe mir gedacht, daß Ihre Kirche, Hochwürden, der geeignete Rahmen wäre. Man müßte einen Flügel aufstellen und jemanden haben, der mich darauf begleitet.«
Er schaute fragend in die Runde.
»Was halten Sie von meinem Vorschlag?«
Sebastian hob die Hände und ließ sie wieder fallen.
»Ich…, ich weiß gar net, was ich zu diesem großzügigen Angebot sagen soll«, gestand er. »Ich bin einfach überwältigt.«
Auch Claudia und Max waren sprachlos.
Immer wieder war von Allüren und Launen der Stars in den Zeitungen zu lesen. Doch der hier, in ihrer Mitte, war da ganz anders. Ein Mensch war in Not, und für Frank Weilander war es selbstverständlich, nicht davor die Augen zu verschließen, sondern nach seinen Möglichkeiten zu helfen.
»Das ist ein großartiger Gedanke«, sagte Sebastian. »Allerdings kommt da noch eine Menge Arbeit auf uns zu.«
»Dann packen wir eben alle mit an«, meinte Claudia. »Ich sprech’, gleich morgen früh, mit dem Verleger. Bestimmt erlaubt er, daß in uns’rer Druckerei die Plakate hergestellt werden. Dieser Benefizabend muß schließlich groß angekündigt werden.«
»Und ich werd’ anschließend herumfahren und sie überall aufhängen«, erklärte Max.
»Ich kümmer’ mich derweil um den Flügel und den Pianisten«, nickte Sebastian und klatschte in die Hände.
Das war eine Unternehmung, so richtig nach seinem Geschmack. Viel Arbeit steckte darin, aber wenn man auf den Erfolg schaute, den man damit erreichte, dann lohnte es sich allemal.
Bis weit nach Mitternacht saßen sie noch zusammen und beratschlagten, was sie alles beachten mußten. Claudia hatte eine lange Liste zusammengestellt, und je mehr sie überlegten, um so länger wurde sie. Aber es machte eine riesige Freude, zu planen und zu diskutieren, und als Frank sich verabschiedete, da stand der Rahmen im großen und ganzen fest. Die Details wollte man bei weiteren Zusammenkünften besprechen.
Zufrieden lag der Sänger in seinem Hotelbett. Dieser Liederabend sollte nicht nur dazu dienen, einem kranken Kind zu helfen, er war gleichzeitig eine Wertschätzung und Verbeugung vor den Mesnchen im Wachnertal, das die Heimat seiner großen Liebe war.
Als er schlief, träumte er von den roten, verlockenden Lippen Christines.
*
Am nächsten Morgen erlebte er eine Überraschung. Als er in das Frühstückzimmer kam, saßen zwei Leute an seinem Tisch.
Verdutzt sah Frank sich nach Christine um, die am Tresen stand und die Kaffeemaschine bediente. Natürlich hatte er die beiden anderen sofort erkannt.
»Sie wohnen net hier«, erklärte die Haustochter. »Aber sie haben darauf bestanden, mit dir zusammen zu frühstücken.«
Es war auch für sie eine Überraschung gewesen, als vor einer halben Stunde der Mann und die Frau im Hotel erschienen und nach Frank Weilander fragten. Christine kannte den Namen, Jürgen Bender, als dieser sich vorstellte, und sie ahnte, wer die attraktive Frau war. Selbst wenn Frank ihren Namen nicht erwähnt hatte, so würde sie die Sängerin erkannt haben.
Seit die zwei da waren, herrschte ein völliges Durcheinander in Christines Gedanken.
Was