Format besaß auch Silvia Cosmar, und seit sie und Frank auseinander waren, stimmte nichts mehr im Leben des Sängers.
Kopfschüttelnd schenkte Jürgen Bender sich Kaffee aus einer Kanne ein, die auf seinem Schreibtisch stand. Hoffentlich
ist der Bursche nicht so leichtsinnig, dieser Frau irgendwelche Versprechungen zu machen. Das fehlte noch, daß er auf die Idee kam, sie zu heiraten. Millionen enttäuschter, weiblicher Fans würden keine Alben mehr kaufen, keines seiner Konzerte besuchen. Der Manager war lange genug in der Branche, um zu wissen, wie so etwas ablief. Besonders die einsamen Herzen unter den Fans, bauten eine ganz besondere Beziehung zu ihrem Star auf. In ihrer Vorstellung gehörte er nur ihnen alleine, und sie wollten ihn mit keiner anderen Frau teilen.
Nein, bloß nicht das Schlimmste denken, und das Schlimmste, was sich Jürgen Bender vorstellen konnte, war eine Hochzeit seines Schützlings.
Mit Silvia, ja, das wäre etwas anderes gewesen. Das hätten die weiblichen Fans akzepiert. Aber so…?«
Der Manager wühlte auf seinen Schreibtisch herum. Unter einem Papierstapel fand er endlich, was er suchte. Ein schmales, in Leder gebundenes Notizbuch. Seit er von Franks verrückter Idee, einfach in den Urlaub zu fahren gehört hatte, versuchte er Silvia Cosmar an die Strippe zu bekommen. Bisher ohne Erfolg. Doch es mußte sein. Koste es, was es wolle – die Sängerin mußte mit ihm in dieses Sankt Johann fahren und Frank umstimmen. Bestimmt konnte es ihr gelingen, ihn zu bewegen, gemeinsam mit ihr aufzutreten. Schließlich waren die beiden einmal ein Paar gewesen, und Jürgen Bender war überzeugt, daß der Sänger immer noch etwas für die Frau empfand, die er einmal hatte heiraten wollen.
Er wählte sich die Finger wund, probierte etliche verschiedene Nummern und wollte schon aufgeben, als es ihm nach mehr als zwei Stunden gelang. Er hatte sich einer Geheimnummer erinnert, die den Anschluß der Sängerin, in ihrem Haus im Taunus, mit Silvias Handy verband.
»Ich bin es, Jürgen«, rief er ins Telefon.
Die Verbindung war sehr schlecht, und er hoffte, daß die Leitung hielt.
»Wo bist du denn gerade?«
»An der Cote d’ Azur«, antwortete Silvia Cosmar. »Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
»Ja, entschuldige. Aber ich versuche seit Tagen, dich zu erreichen und bin heilfroh, daß es endlich geklappt hat.«
»Ist es wirklich so wichtig?«
»Lebenswichtig«, antwortete er. »Es geht darum, Frank vor einer Riesendummheit zu bewahren.«
Es entstand eine Pause, und der Manager glaubte schon, daß die Verbindung unterbrochen sei.
»Hörst du mich noch?« rief er aufgeregt.
Silvia Cosmar saß auf der Terrasse eines Hauses in Cassis, einem kleinen Fischer- und Urlaubsstädtchen, an der französischen Mittelmeerküste. Jetzt, kurz vor Mitternacht, war es immer noch herrlich warm draußen. Im Garten duftete es nach Blumen, Zikaden zirpten, und im Glas, vor ihr auf dem Tisch, perlte eisgekühlter Champagner. Wenn sie sich ein wenig vorbeugte, konnte sie tief unter sich die bunten Lichter der Schiffe, Restaurants und Bistros von Cassis sehen. Dort herrschte um diese Zeit immer noch ein reges Treiben. Unzählige Touristen bevölkerten das Hafenviertel, und Kleinkünstler und Musikanten unterhielten sie gegen einen kleinen Obolus. Die dunkelhaarige Sängerin trank einen Schluck. Das Haus gehörte einer Freundin, Frau eines deutschen Fabrikanten, die es ihr für ein paar Tage überlassen hatte. Es war nicht das erste Mal, daß sie sich hier aufhielt. Im letzten Jahr hatte sie mit Frank ein paar schöne Tage hier verbracht.
Frank!
Was hatte Jürgen Bender eben gesagt? Frank war im Begriff eine Riesendummheit zu machen.
»Was ist denn eigentlich los?« wollte sie wissen.
Der Manager schilderte sein Problem. Silvia hörte zu, aber ihre Gedanken waren ganz woanders. Seit geraumer Zeit schon, war ihr bewußt geworden, daß es ein Fehler gewesen war, Frank den Laufpaß zu geben. Sie beide galten als das ideale Paar, und eigentlich war die Trennung nur die Folge einer Laune. Ihr Management hatte festgestellt, daß der Sänger weiter oben in der Gunst der Leute stand, als sie. Seine Alben verkauften sich besser, und in seinen Konzerten wurden mehr Besucher gezählt, als in ihren. Silvias Stolz konnte es nicht ertragen, nur die zweite Geige zu spielen. Sie wollte im Mittelpunkt stehen und mußte nun einsehen, daß es eher der Schatten Frank Weilanders war, in dem sie stand.
Allerdings hatte die Trennung keinen positiven Effekt für sie bewirkt. Im Gegenteil, schwindende Verkaufzahlen und ausbleibende Besucher waren die Folge gewesen, als die Trennung bekannt wurde. Außerdem wurde sie weniger für Fernsehauf-tritte und Galas gebucht, als früher.
Und inzwischen war ihr klargeworden, welchen großen Fehler sie gemacht hatte, denn sie spürte, daß sie Frank immer noch liebte. Vielleicht noch mehr, als früher.
»Ja, ich höre dich noch«, antwortete sie auf die Frage des Managers. »Was kann ich da tun?«
Jürgen Bender erklärte seinen Plan.
»Wirst du kommen?« fragte er hoffnungsvoll.
Silvia brauchte nicht lange zu überlegen.
»Ich nehme die erste Maschine in Nizza, die ich bekommen kann«, sagte sie. »Ich rufe dich vorher an und gebe Bescheid, wann ich in Frankfurt ankomme.«
»Ich denke, es ist besser, du fliegst gleich nach München, und wir treffen uns da. Du kannst mich über das Handy erreichen und deine Ankunft mitteilen. Ich erwarte dich dann dort, und wir fahren gleich mit meinem Wagen weiter. Das wird das Beste sein. Glaube mir, es brennt. Es brennt lichterloh!«
*
Frank Weilander ahnte nichts von dem, was da auf ihn zukam. Nach dem anstrengenden Wandertag schlief er am nächsten Morgen erst einmal richtig aus. Das Frühstück nahm er in aller Ruhe ein und spazierte später durch St. Johann. Dabei überlegte er, wie es einmal weitergehen sollte. Zwar hatte er noch nicht mit Christine darüber gesprochen, aber für ihn stand fest, daß er sie heiraten wollte.
Sie und keine andere!
Am liebsten hätte er ihr gleich einen Antrag gemacht, aber dafür war es wohl noch zu früh. Erst einmal mußten sie sich noch besser kennenlernen. Vieles hatten sie sich schon aus ihrem Leben erzählt, aber es gab auch vieles, was sie nicht voneinander wußten. Vor allem wollte er ihre Eltern kennenlernen.
Er selbst hatte Vater und Mutter schon sehr früh verloren, noch bevor sie die Karriere ihres Sohnes erleben durften.
Nachmittags verbrachte er ein paar schöne Stunden mit Christine. Sie hatten sich außerhalb des Dorfes getroffen und wanderten zu einem nahen Bergwald, der Höllenbruch genannt wurde.
»Ich kann’s noch gar net glauben«, sagte die junge Frau, als sie auf einer Wiese am Waldrand saßen.
Sie lehnte sich an Frank, und seine Finger strichen zärtlich durch ihr Haar.
»Manchmal kommt es mir auch wie ein Traum vor«, gestand er. »Als ich herkam, da schien alles zu aussichtslos zu sein. Doch dann habe ich dich getroffen, und mein Leben bekam von heut auf morgen wieder einen Sinn.«
Er blickte sie liebevoll an.
»Du bist etwas ganz Wunderbares«, sagte er mit belegter Stimme. »Wer immer uns auch zusammengebracht hat, ich danke ihm dafür.«
Hand in Hand gingen sie zurück. Kurz vor Sankt Johann verabschiedeten sie sich.
»Bis morgen«, sagte Christine und gab ihm einen Kuß. »Viel Spaß bei Pfarrer Trenker.«
Schnell lief sie weiter, während Frank noch einen Moment wartete und ihr hinterher