»Wunderbar«, nickte sie. »Guten Morgen, Ria.«
Sie schaute in die Küche hinein.
»Kann ich was helfen?«
Die Pensionswirtin schüttelte den Kopf.
»Das kommt überhaupt net in Frage«, entgegnete sie. »Du hast Urlaub und bist net zum Arbeiten hier. Setz’ dich schon mal drüben, an den Tisch. Der Kaffee läuft gerad’ durch.«
Daniela tat, wie ihr geheißen und ging in Ria Stublers Wohnung. In der Privatküche war bereits der Tisch für zwei Personen gedeckt, und in der Luft lag der betörende Duft frisch gebrühten Kaffees.
Die Lehrerin nahm sich die Zeitung, die auf dem Tisch lag und setzte sich. Während sie darin blätterte, kam Ria zurück.
»So«, sagte sie, »draußen ist soweit alles vorbereitet, wir können in aller Ruhe frühstücken. Die Gäste kommen meist net vor sieben herunter. Es sei denn, sie wollen eine Tour unternehmen.«
Auf dem Herd stand ein kleiner Topf, in dem Wasser brodelte.
»Du ißt doch bestimmt ein Ei?«
Daniela nickte.
»Ja, dank’ schön.«
Ria nahm zwei schöne, große Eier und stach sie an. Dann legte sie sie, mit Hilfe eines Löffels, vorsichtig in das kochende Wasser und drehte die Sanduhr um.
»Hast’ dir schon was für heut’ vorgenommen?« erkundigte sie sich.
Daniela reckte sich.
»Nur faulenzen«, antwortete sie mit einem Lächeln. »Der erste Tag in Sankt Johann ist zum Eingewöhnen. Ich will mich ein bissel umschau’n, schon mal ein paar Ansichtskarten kaufen. Es gibt ein paar Leute, die warten darauf, einen Urlaubsgruß zu bekommen.«
Nachdem die Sanduhr abgelaufen war, schreckte Ria Stubler die Eier ab und trocknete sie mit einem Tuch. Auf dem Tisch standen wieder die köstliche Marmelade, frische Semmeln und Hefezopf. Natürlich fehlten die Almbutter und der Bergkäse nicht. Die Pensionswirtin wußte, daß ihr Gast morgens gerne auf Wurst und Schinken verzichtete.
»Die bekomm’ ich morgen früh, wenn ich mit Pfarrer Trenker unterwegs bin«, sagte Daniela, als Ria vorsichtshalber doch nachfragte. »Frau Tappert hat ja immer große Angst, daß Hochwürden verhungern könnt’, wenn er auf Bergtour ist. Die Brote, die sie ihm einpackt, reichen für drei Leute.«
Die beiden Frauen frühstückten in aller Gemütlichkeit und plauderten dabei. Zwar hatten sie sich am Abend zuvor noch ausgiebig unterhalten, aber es gab immer noch vieles, worüber man sprechen konnte.
Zwei Stunden später machte Daniela einen ersten, ausgiebigen Spaziergang durch das Alpendorf. Die Geschäfte öffneten gerade, und noch waren kaum andere Touristen unterwegs.
Die Lehrerin betrat einen kleinen Zeitungsladen, in dem man auch Zigaretten, Souvenirs und Ansichtskarten kaufen konnte. Sie suchte ein paar aus, die Motive aus St. Johann und Umgebung zeigten. Der freundliche Besitzer des Ladens, ein älterer Herr, verkaufte ihr gleich die notwendigen Marken dazu.
Auf der Straße vor der Kirche, stand eine Bank. Daniela setzte sich darauf und begann, die Karten zu schreiben. Eine war an Elke gerichtet, eine zweite natürlich an Tante Josefine. Die dritte Karte adressierte sie an ihre Vermieter. Sie teilte ihnen mit, daß sie gut angekommen sei und jetzt ihren Urlaub in vollen Zügen genießen wolle.
Eine Viertelstunde genoß sie noch den herrlichen Sonnenschein, dann ging sie langsam zur Pension zurück. Unterwegs warf sie die Ansichtskarten in einen Postkasten. Wieder achtete sie nicht auf den Wagen, der in einer Seitenstraße stand. Der Mann hinter dem Lenkrad schaute ihr hinterher. Genauso, wie am Abend zuvor, als die junge Lehrerin vom Pfarrhaus kam.
Auf ihrem Zimmer lag ein Buch, das sie von zu Hause mitgebracht hatte. Schon lange wollte sie es lesen, war aber bisher nicht dazu gekommen. Jetzt holte sie es herunter und ging damit in den Garten.
Ria Stubler schaute aus dem Küchenfenster und schmunzelte, als sie Daniela im Liegestuhl sah.
*
»Wir müssen unbedingt ins Dorf hinunter«, sagte Resl beim Mittagessen. »Wir haben fast nix mehr in der Vorratskammer.«
Andreas nickte.
»Ich muß am Nachmittag in die Stadt«, meinte er. »Ich kann dich ja mitnehmen und auf dem Rückweg hol’ ich dich beim Herrnbacher ab. Beim Steuerberater
wird’s net all zu lang’ dauern.«
»Gut, dann schreib’ ich gleich nachher die Einkaufsliste.«
»Aber net soviel«, grinste der junge Bauer. »Es ist kurz vorm Ersten, und in der Kasse ist nix mehr. Wahrscheinlich müssen wir bald am Hungertuch nagen.«
Die Magd funkelte ihn an.
»Was red’st denn da für einen Schmarr’n?« fragte sie. »Willst etwa behaupten, ich könnt’ net wirtschaften?«
Christian grinste ebenfalls. Er wußte, daß der Bauer mit seiner Bemerkung Resl’s empfindliche Stelle getroffen hatte. Die Magd sparte, wo sie konnte, und nur, was dringend benötigt wurde, kaufte sie im Dorf ein. Salz, Zucker, Mehl. Alles andere gaben Hof und Garten her. Natürlich wußte Andreas das auch, aber es machte ihm hin und wieder einen Spaß, die treue, alte Seele ein bisserl hochzunehmen.
»Ich hab’s doch gar net so gemeint«, beteuerte er und nahm sie in die Arme. »So, wie du mit dem Haushaltsgeld umgehst, müßt’ es ja beinah’ noch mehr werden, als weniger.«
Er drückte ihr einen dicken Kuß auf die Wange.
»Also ehrlich, wenn ich dreißig Jahr älter wär’, würd’ ich dich glatt heiraten. Eine bessere Ehefrau kann ich mir net vorstellen.«
»Ja, ja, oder ich vierzig Jahr’ jünger«, lachte Resl und gab ihm einen gutgemeinten Seitenhieb. »Ihr jungen Burschen habt doch bloß Flausen im Kopf.«
Dann wurde ihr Blick forschend.
»Aber, wenn wir g’rad dabei sind – wie schaut’s eigentlich bei dir aus? Meinst’ net auch, daß es endlich Zeit wird, daß du dich mal nach was umschaust? Kannst ja schließlich net ewig Junggeselle bleiben, und auf den Hof gehört eine Bäuerin.«
Andreas Waldner zog eine Grimasse. Resl lag ihm damit mindestens zweimal die Woche in den Ohren. Aber sie hatte ja recht. Die Leute im Wachnertal fragten sich schon lange, warum der Bauer nicht endlich heiratete. An Bewerberinnen mangelte es wahrlich nicht. Der Hof war gesund, Andreas ein attraktiver Mann, und am Samstagabend im Löwen ein begehrter Tanzpartner.
Trotzdem hatte er sich noch nicht zu diesem Schritt entschließen können. Einmal vielleicht, ja, da war er nahe dran gewesen. Das war ihm erst gestern abend wieder ganz schmerzlich bewußt geworden, als er Danielas Briefe fand.
»Warum ist eigentlich nix draus geworden, mit der Lehrerin und dir?« fragte Resl in diesem Augenblick. »Ich hab’ dir doch mehrfach gesagt, daß sie die Richtige als Bäuerin wär’. Gewiß, sie hat net alles gewußt, aber schnell lernen, das konnt’ sie. Und den Rest hätt’ ich ihr auch noch beigebracht.«
Himmel, dachte er, warum muß sie ausgerechnet jetzt davon anfangen?
Er zuckte die Schultern und sah vom Knecht zur Magd.
»Ihr wißt doch, wie’s gewesen ist«, antwortete er beinahe entschuldigend. »Die Daniela lebt in Bad Kissingen, oder da in der Näh’. Mit der Zeit ist der Kontakt eben abgebrochen.«
»Unsinn«, griff Resl das Thema wieder auf, als sie ins Dorf fuhren. »Wenn man sich liebt, gibt’s immer einen Weg. Selbst wenn Daniela net so schnell hätt’ herkommen können, dann hättest du immer noch selbst zu ihr fahren sollen.«
Der Bauer antwortete nicht. Aber er überlegte, daß die Magd recht hatte, mit dem was sie sagte.
»Sag’ mal«, fuhr die Magd fort, »es sind