Aber da war etwas ganz Entscheidendes, das Felix nicht bedachte.
Seine Liebe zu Maria Hochleitner.
Immer stärker spürte er, wie sehr er diese junge Frau begehrte. Ein zukünftiges Leben ohne sie mochte er sich gar nicht vorstellen.
Ob sie bereit war, im Falle eines Falles, mit ihm zu gehen? Nach Amerika in eine für sie vollkommen fremde Welt?
Felix hoffte es. Denn wenn er dem verlockenden Angebot des Bauunternehmers nicht widerstehen konnte, dann nur, wenn Maria einverstanden war, ihm zu folgen.
*
Es war noch stockdunkel, als der Wecker klingelte. Felix schob verschlafen die Decke beiseite und stand auf. Als er kurze Zeit später die Treppe herunterkam, roch es verführerisch nach Kaffee. Pfarrer Trenker stand in der Küche.
»Guten Morgen«, begrüßte er seinen Gast. »Bestimmt möchten S’ einen Kaffee trinken. Frühstücken werden wir unterwegs. Da schmeckt’s am besten.«
Der Geistliche hatte ihm am Vorabend Wanderkleidung und entsprechendes Schuhwerk herausgesucht. Jetzt trug Felix einen winddichten Anorak, derbe Hosen und Wanderstiefel.
»Was ist denn da alles drin?« fragte er, als er sich den Rucksack umschnallte.
Sebastian lachte.
»Sie werden’s net glauben«, antwortete er. »Unser Proviant.«
»Soviel?« staunte der junge Mann. »Das reicht ja für eine ganze Kompanie.«
»Das denk ich auch immer. Aber meine gute Frau Tappert hat nun mal Sorge, daß mir was passieren könnt’, wenn ich in den Bergen unterwegs bin. Wenn ich schon verunglück’, denkt sie, soll ich wenigstens net verhungern.
Aber keine Angst, bis jetzt bin ich mit allen, die mich begleitet haben, immer noch wohlbehalten zurückgekehrt. Und was die Brote angeht – Sie werden staunen, wie schnell wir die aufgegessen haben.«
»Wo soll es denn hingehen?« erkundigte sich Felix, während sie das Pfarrhaus verließen.
»Ich hab’ mir gedacht, wir nehmen uns erst einmal eine kleinere Tour vor«, antwortete Sebastian. »Auf die Kanndereralm ist’s net allzu weit, so daß auch ein wenig geübter Wanderer mithalten kann.«
Sie gingen durch das schlafende Alpendorf und erreichten nach einiger Zeit den Höllenbruch, von dem sie zur Hohen Riest aufstiegen. Allmählich ging die Sonne auf und tauchte den Himmel in glutrote Farbe. Felix hatte seinen Fotoapparat mitgenommen und machte ein paar Aufnahmen.
»Herrlich«, sagte er. »Das ist einfach nur schön.«
Der Bergpfarrer lächelte über die Begeisterung.
»Net wahr? Warten S’ nur ab, bis wir zur Alm aufsteigen. Dann zeigen sich die Berge in der Morgensonne von ihrer schönsten Seite.«
Sebastian wußte, welchen Weg er nehmen mußte, um seinem Begleiter die Bergwelt in all ihrer Pracht zu zeigen. Sie durchquerten den kleinen Bergwald und stiegen über den Pfad auf, den der Geistliche schon unzählige Male gegangen. Überall erwachte die Tierwelt, und Felix wurde nicht müde, zu fotografieren.
»Es haben sich viele Arten erhalten«, erklärte Sebastian, dem Naturschutz ein ebensolches Anliegen war wie seine Fürsorge für die ihm anvertraute Gemeinde. »Aber es sind auch einige hinzugekommen. Durch die Öffnung der Grenzen nach Osteuropa sind viele Tierarten inzwischen auch hier heimisch geworden. Sogar Wölfe kann man hin und wieder sehen.«
Sie hatten einen Platz erreicht, von dem aus sie einen herrlichen Blick ins Tal hatten.
»Ich glaub’, jetzt sollten wir eine Rast einlegen«, schlug der Geistliche vor.
Felix hatte nichts dagegen und schnallte den Rucksack ab. Verlockend duftete der Kaffee in den Bechern, und die Brote waren dick mit Schinken und Bergkäse belegt. Die beiden Männer ließen es sich schmecken, und Sebastian wunderte sich nicht darüber, recht behalten zu haben – die Brote nahmen rapide ab.
»Ich kann verstehen, daß die Menschen hier an ihrer Heimat hängen«, sagte Felix Thorwald, während er über Berg und Tal schaute.
»Es ist die Heimat Ihrer Mutter«, meinte Pfarrer Trenker. »Und somit auch die Ihre…«
»Ich hab’ schon darüber nachgedacht«, nickte der junge Mann. »Man kann seine Wurzeln wohl nicht verleugnen. Jedenfalls fühle ich mich hier sehr wohl.«
Sebastian hielt die Gelegenheit für gekommen, mit Felix über das zu sprechen, was ihm am Herzen lag.
»Könnten S’ sich denn vorstellen, für immer zu bleiben?« fragte er. »Oder ist das Angebot des Bauunternehmers Ramsauer so lukrativ?«
Sein Begleiter holte tief Luft.
»Ich weiß es beim besten Willen nicht«, antwortete Felix. »Ehrlich gesagt, bin ich hin- und hergerissen. Ich frage mich, was richtig ist und was falsch. Und vor allem, was meine Mutter wohl getan hätte, wenn sie an meiner Stelle gewesen wäre. Wenn Onkel Franz diesen Brief doch an sie abgeschickt hätte, und sie die rechtmäßige Besitzerin des Hofes geworden wäre.«
Er sah Sebastian fragend an.
»Wäre sie mit meinem Vater hierhergezogen und Bäuerin geworden?«
Der Geistliche zuckte die Schulter.
»Diese Frage wird wohl für immer unbeantwortet bleiben. Allerdings ist’s jetzt an Ihnen, eine Entscheidung zu treffen – wie immer sie auch ausfallen mag.«
Felix trank einen Schluck Kaffee und starrte dann sinnend vor sich hin. Gestern morgen noch wäre ihm diese Entscheidung leichtgefallen, aber da hatte er ja auch noch nicht gewußt, daß er Maria liebte.
»Wissen S’, Hochwürden, es ist was geschehen, was es mir nicht gerade leicht macht, mich zu entscheiden«, sagte er. »Bevor dieses Ereignis eintraf, wäre es einfach gewesen zu sagen: Der Hof interessiert mich nicht. Den Zuschlag bekommt der erstbeste Käufer. Jetzt allerdings…«
Sebastian beugte sich vor.
»Das Ereignis, von dem Sie sprechen – hat’s was mit der Maria zu tun?«
Felix riß erstaunt die Augen auf.
»Woher wissen Sie davon?« fragte er. »Können Sie etwa hellsehen, oder steht es mir auf der Stirn geschrieben?«
Der Bergpfarrer lachte.
»Nein, ein Hellseher muß man net sein«, antwortete er. »Außerdem glaub’ ich net an so was. Aber das Letztere könnt’ schon hinkommen…«
Unwillkürlich griff sich Felix Thorwald an die Stirn und stimmte in das Lachen ein.
»Keine Sorge«, beruhigte Sebastian ihn. »Man sieht natürlich nix. Aber ich kann eins und eins zusammenzählen, und aus dem bissel, was Sie mir da gestern abend erzählt haben, na, da hab’ ich den Eindruck gewonnen, es könnt’ sich was anbahnen zwischen Ihnen und der Maria.«
»Ja – es ist merkwürdig«, sagte der junge Mann. »Ich kenne sie kaum und weiß trotzdem, daß sie die Frau ist, nach der ich immer gesucht habe.«
»Wär’ das net um so mehr ein Grund zu bleiben?«
*
»Vielleicht haben S’ recht«, gab Felix zu. »Maria hat sich sogar schon Gedanken gemacht, wie es mit dem Hof weitergehen könnte. Ihr schwebt ein Bio-Bauernhof vor, mitsamt eigener Vermarktung. In einem Hofladen.«
»Ich muß sagen, ich find’ das eine wunderbare Idee«, sagte Sebastian begeistert. »Das wär’ doch überhaupt die Lösung. Wenn S’ so ein Konzept ausarbeiten lassen, da spielt doch jede Bank mit. Ich bin überzeugt, daß sich da jede Investition lohnt. Der Trend geht ja immer mehr in diese Richtung.«
»Das