Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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sie nie wiedersehen, und ihre sogenannten Freunde konnten mir gestohlen bleiben!

      Nie im Leben werde ich den Blick vergessen, den sie mir zuwarf, bevor sie endgültig ging.«

      Er saß, an die Felswand gelehnt, die Knie angezogen und das Gesicht in den Händen verborgen. Der Geistliche legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter.

      »Das ist aber noch net alles oder?« fragte Sebastian Trenker.

      Stumm schüttelte Robert den Kopf.

      »Irgendwann in der Nacht klingelte das Telefon«, sagte er nach einer Weile. »Zuerst wollt’ ich net’ rangeh’n, weil ich dachte, daß es Melanie wäre. Ich schaltete den Anrufbeantworter ein und hörte plötzlich die Stimme ihres Vaters. Melanie hatte einen Autounfall und war in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Ich solle sofort hinkommen, sobald ich die Nachricht abgehört hätte.

      Sie können sich vielleicht vorstellen, was in diesem Moment in mir vorging. Natürlich bin ich sofort in das Krankenhaus gefahren, aber ich kam zu spät. Es hatte ein Unwetter gegeben, als Melanie von mir losfuhr. Auf regennasser Straße war ihr Wagen ins Schleudern geraten und gegen einen Baum geprallt. Die Ärzte versuchten ihr möglichstes, um Melanies Leben zu retten, doch die Verletzungen waren zu schwerwiegend. Sie hatte den Unfall kaum mehr als zwei Stunden überlebt…«

      Heftiges Schluchzen unterbrach das Geständnis, das Robert Feldmann vor dem Bergpfarrer ablegte. Sebastian ließ ihn weinen, es war das Beste, was dem Gequälten in diesem Moment passieren konnte.

      »Und jetzt fühlen S’ sich schuldig am Tod der jungen Frau, net wahr?« fragte er, nachdem Robert sich wieder beruhigt hatte.

      Der hob das tränennasse Gesicht und schaute ihn an.

      »Bin ich’s denn net? Ist’s net meine Schuld, daß sie sterben mußte? Wenn ich sie net fortgeschickt hätt’, dann würd’ sie heut’ noch leben, und mein Leben hätt’ net so eine schreckliche Wendung genommen.«

      »Darüber will ich net urteilen«, antwortete der Seelsorger. »Nur eines weiß ich – net wir bestimmen über Leben und Tod, sondern eine höhere Macht. Wenn für einen Menschen die Stunde geschlagen hat, dann kann’s niemand verhindern.

      Und was die Schuldfrage betrifft – ist der Autofahrer schuld, der einen and’ren Menschen überfahren hat, weil die Bremsen seines Wagens versagten, obwohl er das Auto gerad’ erst in der Werkstatt hat überprüfen lassen?

      Was wäre gewesen, wenn Sie Melanie net fortgeschickt hätten, das Unglück aber zu einem späteren Zeitpunkt geschehen wär’?«

      Robert Feldmann schüttelte den Kopf.

      »Was glauben S’, wie oft ich mir diese und ähnliche Fragen gestellt hab’? Und doch kann mir keiner die Verantwortung für ihren Tod abnehmen.«

      »Wissen Melanies Eltern über die Umstände Bescheid, unter denen es zu diesem Unfall kam?«

      »Ja, ich hab’ es ihnen am Tag der Beisetzung gesagt.«

      »Und wie haben sie reagiert?«

      Sebastians Begleiter zuckte die Schulter.

      »So, wie ich es net erwartet hätte. Sie haben mir geglaubt, als ich sagte, ich würde alles dafür geben, könnt’ ich den Streit rückgängig machen. Sie hegen keinen Groll gegen mich.«

      »Sie haben Ihnen also verziehen, Robert. Und wann verzeihen Sie sich selbst?«

      Die Miene des jungen Mannes war wie versteinert. Eine eiserne Maske.

      »Das werd’ ich niemals können«, antwortete er mit leiser Stimme. »Und ich hab’ mir geschworen, daß niemals eine and’re Frau Melanies Platz in meinem Herzen einnehmen wird.«

      Sebastian schlug erschüttert die Hände zusammen.

      »Du liebe Zeit. Robert, wissen S’ eigentlich, was Sie sich da selbst auferlegt haben? Wie konnten Sie nur? Was ist denn, wenn eines Tages die Frau in ihr Leben tritt, die Sie vergessen machen könnte, was Sie erlebt haben. Eine Frau, in die Sie sich verlieben und die Sie heiraten wollen. Sie sind doch noch jung. Sie können sich doch net freiwillig solchen Qualen aussetzen. Sie würden doch niemals wieder in Ihrem Leben glücklich werden!«

      »Keine Angst, Hochwürden«, erwiderte Robert Feldmann mit harter Stimme. »Das wird niemals gescheh’n!«

      Er schluckte und vermied es, Pfarrer Trenker anzusehen, denn tief in seinem Herzen wußte er, daß das, was der Geistliche ihm ausgemalt hatte, längst über ihn hereingebrochen war.

      Er liebte Franzi Burger, doch er glaubte nicht daran, daß er sich ihr jemals offenbaren würde.

      *

      Sebastian saß nachdenklich in seinem Arbeitszimmer. Vor wenigen Minuten war er von der gemeinsamen Tour mit Robert Feldmann zurückgekehrt, und noch immer stand er unter dem Eindruck dessen, was der junge Mann ihm erzählt hatte. Der Geistliche konnte verstehen, warum Robert so geredet hatte. Die Last mußte zentnerschwer wiegen, und die quälenden Erinnerungen, das Gefühl schuld am Tod der geliebten Frau zu sein, würden wohl niemals von ihm weichen. Und es war klar, daß ihm geholfen werden mußte.

      Aber wie?

      Sie waren weiter aufgestiegen. Zunächst die Wand hinauf, dann über schmale Pfade weiter zur Streuchsachhütte. Unterwegs war Robert schweigsam gewesen, und Sebastian unterbrach ihn nicht in seinen Gedanken. Später hatte der junge Werbefachmann von sich aus noch einmal zu reden angefangen, und aus jedem Wort, das er von sich gab, klang die tiefe Schuld, deren er sich bewußt war.

      Es hätte keinen Sinn gehabt, ihn vom Gegenteil überzeugen zu wollen, das war dem Bergpfarrer klar. Aber er wußte auch, daß er Robert Feldmann nicht seinem Schicksal überlassen durfte. Behutsam würde der Geistliche versuchen müssen, in klärenden Gesprächen diese unseligen Schuldgefühle, und die damit selbst auferlegte Strafe aus der Welt zu schaffen.

      Nach dem Abendessen war Sebastian mit Professor Bernhard und dessen Frau verabredet. In der Bierstube des Hotels war ein Tisch reserviert worden, an dem sie saßen und plauderten. Der gute Hirte von St. Johann merkte immer wieder, daß seine Gedanken abschweiften, und er nur am Rande wahrnahm, was Ulrich Bernhard sagte.

      Endlich zwang er sich, zuzuhören. Der Internist hatte für den nächsten Tag einen Rundflug über das Wachnertal vorgeschlagen und wollte wissen, ob Sebastian Zeit dafür habe.

      »Am Vormittag wird’s ein bissel eng«, antwortete er. »Die Amtsgeschäfte lassen sich net immer verschieben. Aber am Nachmittag würd’s passen.«

      Sebastian beugte sich vor und zwinkerte verschwörerisch mit dem Auge.

      »Aber laß’ bloß meine Frau Tappert nix davon hören«, bat er. »Du weißt ja, wie sie sich sorgt.«

      »Keine Angst, Hochwürden, während Sie mit meinem Mann in der Gegend umherfliegen, werd’ ich mich mit Ihrer Haushälterin über Kochrezepte austauschen«, versprach Hedda Bernhard. »Sie wird gar net merken, daß Sie net da sind.«

      Sie prosteten sich zu.

      »Da fällt mir ein«, meinte der Geistliche, »vielleicht ist es eine gute Idee, das Essen für den Hochzeitstag zu besprechen. Ich hab’ der Frau Tappert gegenüber bereits angedeutet, daß am Freitag abend ein kleines Fest stattfinden soll. Aber die Einzelheiten besprechen S’ am besten mit ihr selbst.«

      Die Ärztin nickte.

      »Ein guter Gedanke. Das wird die arme Frau von ihren Ängsten ablenken.«

      »Habt ihr euch denn schon ein bissel umgeseh’n?« erkundigte Sebastian sich.

      »O ja, nach einem ausgiebigen Spaziergang am Morgen, sind wir heut’ nachmittag an den See hinausgefahren«, erzählte Ulrich Bernhard. »Ich muß sagen, ein sehr schönes Ausflugsziel. Der Achsteinsee liegt ja vor einer herrlichen Kulisse.«

      »Und am Freitag möcht’ ich endlich mal auf eine Alm hinauf«, erklärte Hedda und warf ihrem Angetrauten einen vielsagenden Blick zu. »Leider kann mein