Sie brach ab.
»Weil der ein Auge auf Sie geworfen hat, vermute ich.«
»Ja. Er hat mir seine Liebe gestanden, oben auf der Alm. Aber ich konnt’ ihm nur sagen, daß mein Herz für den Florian schlägt.«
»Und Florian, empfindet der auch was für Sie?«
Lisa zuckte die Schulter.
»Ich weiß net...«
Diese Frage hatte sie sich auch schon gestellt. Aus Gesten und Worten meinte sie sehen zu können, daß sie ihm nicht ganz gleichgültig war. Auf der anderen Seite verhielt Florian Brunner sich ihr gegenüber doch eher zurückhaltend. Das konnte aber natürlich auch mit seinem Schicksal zusammenhängen...
»Nein, ich kann’s nur vermuten«, beantwortete sie die Frage des Geistlichen. »Allerdings
gibt es ein viel größeres Problem.«
»Sprechen Sie nur, Lisa«, munterte Sebastian sie auf. »Ich hör’ Ihnen gern’ zu. Wenn ich kann, werd’ ich versuchen zu helfen, dieses Problem zu lösen.«
»Es betrifft mich net direkt. Es ist Florian – er muß sterben...«
Der Seelsorger holte tief Luft.
»Eine Krankheit?«
»Ja«, nickte Lisa. »Sepp hat’s mir gesagt.«
Sie berichtete, was Florians Freund ihr anvertraut hatte. Sebastian hörte zu, während seine Gedanken schon allerlei Möglichkeiten wälzten.
»Natürlich müssen wir erst einmal wissen, um welche Krankheit es sich handelt, die Florians Leben bedroht«, erklärte er schließlich. »Aber dazu muß ich mich mit ihm unterhalten. Er muß sich mir anvertrauen wollen, und dann können wir herausfinden, ob ihm wirklich net mehr zu helfen ist. Ich bin überzeugt, daß Florian in den Händen eines sehr guten Arztes ist, und ich will Ihnen, Lisa, auch keine falschen Hoffnungen machen. Aber die Medizin macht ständig Fortschritte. Was heute noch als unheilbar gilt, kann morgen vielleicht schon mit einer Therapie und and’ren Medikamenten erfolgreich behandelt werden.«
Sebastian hob die Hände, als er einen Hoffnungsschimmer in Lisas Augen aufglimmen sah.
»Aber ich will Ihnen nix versprechen«, dämpfte er ihren aufkeimenden Optimismus. »Das könnt’ ich auch gar net. Ich bin Geistlicher und kein Arzt. Um das alles herauszufinden muß sich ein Mediziner mit Florian unterhalten. Erst dann kann man entsprechende Wege geh’n.«
Er sah sie zuversichtlich an.
»Richtig ist aber, daß man die Hoffnung net aufgibt, auch wenn’s noch so ausweglos erscheint.«
Unwillkürlich war ihm das Beispiel der bekannten Sängerin, Maria Dewei, ins Gedächtnis gekommen. Die Frau, ein Kind aus dem Wachnertal, war in jungen Jahren fortgegangen und hatte eine internationale Karriere, als Sängerin gemacht. Eines Tages tauchte sie überraschend in St. Johann auf, im Glauben, dem Tod geweiht zu sein, Opfer einer rätselhaften Krankheit. Es gelang dem Bergpfarrer, Maria davon zu überzeugen, daß es immer noch eine Chance war, sich noch einmal untersuchen zu lassen, als den Kopf in den Sand zu stecken und abzuwarten.
Tatsächlich stimmte Maria dieser Untersuchung zu, und zu seiner Überraschung konnte Dr. Wiesinger keinerlei Symptome feststellen. Seiner Ansicht nach war die Sängerin kerngesund – höchstens ein wenig erschöpft, was aber angesichts einer gerade absolvierten Welttournee nicht verwunderlich war.
Der behandelnde Arzt Marias, stellte sich als Professor Bernhard heraus, der wiederum Toni Wiesingers Doktorvater gewesen war.
»Um es kurz zu machen«, beendete Sebastian seine Erzählung. »Frau Dewei war einem tragischen Irrtum unterlegen, als sie zufällig ein Gespräch des Professors mithörte, das dieser mit seiner Assistentin führte, und dieses Gespräch fälschlicherweise auf sich bezog.«
»Und Sie glauben, dieser Doktor Wiesinger könnte Florian ebenfalls helfen?«
»Das weiß ich net. Aber einen Versuch ist’s allemal wert.«
Lisa atmete tief durch.
»Bestimmt haben S’ recht, Hochwürden. Aber wie bring’ ich Florian dazu, mit dem Arzt zu reden?«
»Warum machen S’ net, was Sie vorhatten, bevor Sie von seiner Krankheit wußten?« fragte Sebastian zurück. »Geh’n S’ auf den Tanzabend, flirten und tanzen S’ mit ihm, und wenn er etwas für Sie empfindet, dann wird er aus sich herauskommen und Ihnen erzählen, wie’s um ihn steht.«
Jetzt lächelte sie.
»Ja, Hochwürden, das werd’ ich tun«, antwortete sie. »Und selbst wenn’s überhaupt keine Hoffnung mehr gibt, werd’ ich mit ihm zusammensein, solang’, wie der liebe Gott uns noch läßt.«
Der Geistliche brachte sie an die Kirchentür.
»Hoffnung gibt’s immer«, sagte er zum Abschied. »Man muß nur fest an sie glauben.«
Nachdenklich sah er ihr hinterher, wie sie den Kiesweg zur Straße hinunterging. In seinem Leben waren ihm schon viele verschiedene Schicksale begegnet, doch jenes, von dem er eben erfahren hatte, schien ihm das schwerste von allen zu sein.
Ein junger Mann, in der Blüte des Lebens und doch dem Tod geweiht.
Die Glocken von St. Johann riefen die Gläubigen zur Abendmesse. Pfarrer Trenker ging in die Kirche zurück, dorthin, wo die Madonna stand. Sebastian bat, wie zuvor Lisa, um Kraft und Hoffnung für den Kranken, und schloß das Madel in sein Gebet ein.
Dann ging er zur Tür zurück, um sein Schäfchen zu begrüßen. Als er wenig später die Messe las, ahnte keiner von ihnen, was ihren Hirten bewegte.
*
»Jetzt schau’ dir das an!« sagte Sepp Villinger fassungslos und deutete auf die Menschenmenge im Saal des Löwen.
Die beiden jungen Männer standen im Eingang und konnten gar nicht glauben, was sie sahen. Hinter ihnen reckte Lisa den Kopf.
»So, meine Herrschaften«, begrüßte sie der Wirt, »da vorn’ hab’ ich für Sie reserviert.«
Er brachte sie an einen Tisch, an dem bereits andere Teilnehmer der Wochenendreise Platz genommen hatten. Alle hatten sie sich festlich gekleidet, und auch die Einheimischen trugen Festtagskleidung. Trachtenanzüge und Dirndl zumeist. Lisa und ihre Begleiter setzten sich, gleich darauf kam eine Saaltochter und fragte nach ihren Wünschen. Das erste Getränk war im Pauschalpreis für die Reise enthalten.
Zuvor hatte es ein köstliches Dreigängemenü gegeben. Nach einer klaren Rindssuppe mit Leberknödeln, wurde gebratenes Schweinefilet serviert. Dazu gab es eine aufgeschlagene Buttersauce, marktfrische Gemüse und Kartoffelkroketten. Die Krönung war ein ›Omelette surprise‹. Dafür wurde Vanilleeis in einen Mantel aus Biskuit gehüllt und alles mit einer süßen Eischneemasse garniert. Auf silbernen Platten kam das Dessert dann in den Backofen, wo sich durch die Hitze das Ei wunderbar bräunte und zu Baiser wurde. Die Hausmädchen trugen die mit bunten Fähnchen und Wunderkerzen garnierten Platten, unter dem Beifall der Gäste, an die Tische und schnitten das Überraschungsomelett dort auf. Natürlich wurde dazu das Licht im Raum gelöscht, damit die brennenden Kerzen zur Geltung kamen.
Der Kontrast aus heißem Baiser und kaltem Vanilleeis zauberte wirklich überraschenden Effekt auf die Zungen, daher der Name dieser köstlichen Nachspeise.
Alle Teilnehmer an diesem Abendessen waren einhellig der Meinung, daß Irma Reisinger drei Sterne am Köchehimmel gebührten.
Die Kapelle auf der Empore begann mit einem fetzigen Schlager, um die Stimmung anzuheizen. Sepp und Florian sahen sich fragend an.
»Du zuerst«, meinte Florian Brunner schmunzelnd, »du hast es am meisten nötig.«
Er meinte damit, daß der Freund, angesichts dessen, was er beim Abendessen verdrückt hatte, die Kalorien dringend wieder abtanzen müsse.
»Allerdings