Norderende. Tim Herden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tim Herden
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783954623686
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mal los.“ Behm zog sein Diensthandy aus der Tasche, schaltete seine Rufnummernanzeige aus. Dann wählte er die Nummer, die ihm Möselbeck ansagte. Er nahm das Telefon ans Ohr. „Klingelt.“ Etwas später: „Mailbox.“

      Mit einer speziellen Software auf seinem Laptop versuchte er Steins Handy zu orten. „Es ist noch auf der Insel. Innerhalb der Funkzelle von Vitte.“

      „Vielleicht liegt es am Tatort.“

      Doch auch dort fand es sich nicht, als sie wenig später am Zeltkino eingetroffen waren. Behm wählte immer wieder die Nummer von Steins Mobiltelefon, ließ es klingeln, bis sich die Mailbox meldete, aber nirgendwo war ein Klingelton zu hören.

      „Wenn wir mit dem Kahn und dem Gelände drumherum fertig sind, durchforsten wir noch mal das Wäldchen hier“, kündigte Behm an.

      Damps Absperrung des Tatortes und des Weges vom Zeltkino war unversehrt.

      „Mensch, Rieder, was habt ihr hier für disziplinierte Urlauber und Einwohner. Hier herrscht wirklich Ordnung und Sicherheit“, meinte Behm ironisch. „Okay, das mit dem Mord ist vielleicht ein kleiner Wermutstropfen, aber wirklich nur ein kleiner. Damp und du, ihr scheint wirklich ein polizeiliches Dreamteam zu sein, wenn ich das hier so sehe.“ Er schlug Rieder auf die Schulter. „Ihr müsst das nur mehr zeigen. Nach außen, mein’ ich. Traut euch.“

      „Haha!“, blaffte Rieder. „Sehr witzig.“

      „Da fällt mir ein, ich muss Damp noch zu seiner Beförderung beglückwünschen“, stichelte er weiter. „Was hast du ihm denn geschenkt? Einen Kaktus? Nein. Ich weiß. Einen goldenen Bußgeld-Block.“

      Rieder winkte genervt ab.

      Dora Ekkehard kam aus der kleinen Baracke hinter dem Kino. Sie hatte die Polizisten belauscht.

      „Falsche Lorbeeren, mein Herr. Ich habe den ganzen Morgen wie ein Schießhund aufgepasst.“

      Rieder stellte Behm die Kinofrau vor. Der Beamte verneigte sich fast, als er Dora Ekkehard begrüßte. „Ich bin ein großer Fan Ihres Kinos. Schön, dass es noch so etwas gibt. Darf ich mal in Ihr Heiligstes schauen?“

      Die alte Dame öffnete die Tür zum Vorführraum. Staunend schlich Behm zwischen den Projektoren umher und blickte durch die kleinen Gucklöcher. Er drehte auch mal an der Kurbel, an der die Filmrollen zurück auf Anfang gerollt wurden. Fast zärtlich strich er über einen der Projektoren.

      „Wie alt sind die?“

      „Fast vierzig Jahre. In den siebziger Jahren gebaut.“ fügte sie hinzu. „Echte Ernemanns.“ Behm setzte seine Brille auf. Er studierte das kleine Metallschild. „Kinoton FP20“, las er vor. „Aus Kiel?“

      „Die habe ich nach der Wende gekauft. Vorher hatte ich Kofferprojektoren von Carl Zeiss. Die waren dann aber etwas schwach auf der Brust geworden. Gebaut in den fünfziger Jahren. Als ich hier 1964 angefangen habe, haben wir die aus einem Kino in Stralsund bekommen. Die wurden damals alle auf sowjetische und tschechische Geräte umgerüstet.“

      „Und wer repariert die? Das muss doch superteuer sein. Gibt’s da eigentlich noch Ersatzteile?“

      „Mach’ ich alles selbst“, erklärte Dora nicht ohne Stolz in der Stimme. „Ich hab’ das von der Pieke auf gelernt, richtig in Dresden in dem alten Ernemann-Werk. Heute ist es Museum. Fast wie ich.“

      Alle lachten.

      „Mensch, super. Früher gab es auf jedem Zeltplatz an der Ostsee ein Zeltkino. Nun sind Sie fast der letzte Mohikaner. Oh, Entschuldigung, natürlich die letzte Mohikanerin.“

      Dora Ekkehard nickte gerührt. Ihre Augen wurden feucht.

      So kannte Rieder seine Nachbarin gar nicht. Ob sie nun Kinokarten verkaufte, im Garten arbeitete oder mit dem Rad durch Vitte fuhr, sie wirkte immer etwas streng, lächelte selten.

      Holm Behm studierte inzwischen die vergilbten Kinoplakate an den Bretterwänden. „Paul und Paula“, „Lütt Matten und die weiße Muschel“. Und, wie passend: „Spiel mir das Lied vom Tod“. „Lohnt sich das noch mit dem Kino?“ Er rieb Daumen und Zeigefinger.

      „Es ernährt seinen Mann ...“, antwortete Dora Ekkehard.

      „Das habe ich heute schon mal gehört“, meinte Behm. „Die Hiddenseer scheinen genügsame Leute zu sein. Was läuft heute?“

      „Am Nachmittag in der Kindervorstellung, Alfons Zitterbacke‘, abends ‚Die Frau des Leuchtturmwärters‘ und in der Spätvorstellung, wenn genug kommen, ‚Sommer vorm Balkon‘.“

      „Interessantes Programm“, meinte Behm.

      „Die Leute mögen’s. Die Hiddensee-Urlauber wollen keine Blockbuster. Die meisten sind nicht die typischen Kinogänger. Sie wollen Filme sehen, die zur Insel passen, zu einem Urlaub auf Hiddensee. Keine Thriller. Eher was fürs Gehirn. Und dazu immer ein bisschen Ostalgie., Paul und Paula‘, ,Solo Sunny‘ und , Spur der Steine‘. Verstehen Sie?“

      Behm nickte. „Hiddensee – die Insel der anderen.“

      Dora Ekkehard wischte mit der Hand ein paar Krümel von ihrem kleinen Arbeitstisch. „Tja, aber die Zeiten ändern sich. Auch hier auf Hiddensee. Will zwar nicht jeder wahrhaben, aber ist so.“

      „Was meinen Sie damit?“, fragte Rieder nach.

      Dora schaute Rieder an: „War mehr so eine Redensart.“ Dabei knetete sie ihre Hände. Sie wurde ungeduldig. „Ich muss dann jetzt mal. Der Zuschauerraum säubert sich nicht von selbst.“

      Die Untersuchung des Tatortes brachte kaum neue Erkenntnisse. Behms Team konnte Fingerabdrücke auf dem Kiel des Bootes sichern, neben dem Peter Stein gefunden worden war. Die konnten aber auch den beiden jungen Leuten gehören, die sich auf das Boot gesetzt hatten, bevor sie Steins Leiche gefunden hatten.

      „Wir lassen die Abdrücke mal durch den Rechner laufen. Vielleicht gibt es einen Zufallstreffer. Aber die Fußspuren können wir vergessen“, stellte Behm fest. Dann suchten die Polizisten die Umgebung des Bootes nach Steins Handy ab. Im Dickicht des Strandwäldchens fanden sich aber nur leere Flaschen und Reste von Eisverpackungen. Außerdem hatte mancher Urlauber hier seine Notdurft verrichtet, statt die nahe öffentliche Toilette am Strandzugang beim Häuschen der Rettungsschwimmer zu benutzen. „Schöne Sauerei“, stöhnte Behm. „Hier könnte Damp sich mal auf die Lauer legen und Bußgelder verteilen.“ Von Steins Handy gab es keine Spur.

      Behm und Rieder gingen zurück zum Zeltkino. Plötzlich blieb der Spurensicherer stehen. „Was mich wundert“, wandte er sich an Rieder, „wir haben keine Ruder gefunden. Da lag zwar der Bootswagen unter dem Boot. Aber keine Ruder. Komisch.“

      „Die Fischer nehmen ihre Ruder immer mit nach Hause“, meinte Rieder. „Von denen liegen auch noch ein paar Boote am Strand. Und die schleppen die Dinger immer hin und her. Sonst könnte man doch die Boote leicht klauen.“

      „Aber wenn ich mich erinnere, dann haben die einen Handwagen dabei. Das ist der ganze Kram drauf. Netze, Fässer und eben die Ruder. Aber Stein wird doch nicht mit den Rudern hierhergewackelt sein. Über die halbe Insel. Egal, ob er nun von seinem Haus in Kloster oder von seinem Haus am Süderende gekommen wäre.“

      „Wir können die Kinofrau fragen.“

      Dora Ekkehard war gerade dabei, eine Filmrolle in den Projektor einzulegen.

      „Frau Ekkehard. Wir hätten noch eine Frage“, meldete sich Rieder. Dora Ekkehard schreckte auf und griff sich mit einer Hand ans Herz. „Um Gottes Willen. Können Sie nicht anklopfen?“

      „Entschuldigung. Wir fragen uns, ob Peter Stein die Ruder von seinem Boot immer mitgenommen hat oder ob sie am Boot waren?“

      Dora Ekkehard überlegte. „Sie müssten am Boot sein. Stein ist ja nicht oft rausgefahren. Meist nur zum Heringsangeln im Frühjahr. Und da hatte er ...“, sie schien intensiv zu versuchen, sich zu erinnern, „ ... da hatte er nur die Angeln dabei.“