Ulrike Stein nestelte an ihrer Tasche. „Nicht so viel wie Peter. Aber wenn man mit einem Bauunternehmer so lange zusammengelebt hat wie ich, dann schaut man sich einiges ab. Früher habe ich für ihn auch mal Schriftkram erledigt.“
„Sagt Ihnen der Name Nemzov etwas?“
„Nemzov, Nemzov ...“ Sie schüttelte den Kopf, hielt dann aber ein. „Doch! Der verrückte Russe, der Peters Firma auf Rügen gekauft hat. Der hieß, glaub’ ich, Nemzov.“
„Genau. Wieso verrückt?“, fragte Rieder zurück.
„Ich kriege es nicht mehr zusammen. Aber aus irgendeinem Grund kam er nicht zurück nach Moskau. Ich weiß noch, dass er Offizier gewesen war. Er überwachte irgendwie die Truppentransporte, als die abgezogen sind ... ich krieg’ es nicht mehr zusammen.“
„Wussten Sie, dass Ihr Mann noch 25 Prozent an seiner alten Firma auf Rügen hielt?“
„Nein“, erklärte Ulrike Stein. Rieder hielt das für unglaubwürdig.
„Das soll Ihnen nie aufgefallen sein, wenn Sie, wie Sie sagen, seinen Schriftkram erledigt haben?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Aber das Geld, was Herr Nemzov Ihrem Mann für seinen Anteil überwiesen hat, das muss doch auf dem Geschäftskonto aufgetaucht sein.“
„Mit Geldsachen hatte ich nichts zu tun! Da hatte mein Mann immer die Hand drauf. Ich vertraute ihm. Außerdem sind wir bei den meisten Häusern, die er hier auf Hiddensee gekauft hat, zusammen als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.“
„Auch bei dem Grundstück, auf dem das Zeltkino steht?“
„Davon weiß ich nichts. Wieso? Gehört das auch Peter?“ Rieder ließ die Antwort offen.
„Was wird nun aus den Unterlagen? Ich brauche einige Sachen für die laufenden Geschäfte ...“
„Wir brauchen noch etwas Zeit, um alles durchzusehen. Das wird noch etwas dauern. Außerdem muss sich danach vielleicht die Spurensicherung noch das Haus ansehen, wenn uns etwas ungewöhnlich erscheinen sollte. Es haben sich auch einige neue Dinge ergeben, die wir im Haus noch überprüfen müssen.“
„Darf ich erfahren, was Sie damit meinen?“, fragte Ulrike Stein vorsichtig.
Rieder überlegte, wie er sich verhalten sollte. Konnte er Ulrike Stein von Birte Seige erzählen? Der Verdacht könnte sich schnell auf der Insel verbreiten und die junge Frau womöglich gefährden. Mit den Bauleuten von Steins Firma war sicher nicht zu spaßen. „Ich möchte darüber noch nicht sprechen.“
Sie zuckte mit den Schultern und ging ein paar Schritte. Dann drehte sie sich noch einmal um. „Herr Rieder, es wäre schön, wenn es mit den Unterlagen nicht so lange dauern würde. Da hängt einfach Peters Firma dran, und ich fühle mich auch den Leuten verpflichtet. Verstehen Sie?“
Rieder überlegte. „Wie wäre es, wenn uns Ihr Vorarbeiter, Herr Claasen, einfach eine Aufstellung der wichtigsten Projekte macht, an denen die Firma, Inselbau‘ gerade arbeitet. Wir werden dann diese Unterlagen schnell durchsehen, und wenn es keine Probleme gibt, sie ihm oder Ihnen übergeben. So kommen die laufenden Geschäfte nicht ins Stocken.“
„Eigentlich würde ich das lieber selbst tun“, meinte Ulrike Stein, „aber wenn es nicht anders geht. Sie haben auch Ihre Vorschriften. Nicht wahr? Ich werde mit Claasen reden.“
Rieder sah Ulrike Stein nachdenklich hinterher, wie sie im Schuppen der „Inselbau“ im Vitter Hafen verschwand, wahrscheinlich, um Claasen um die Liste der aktuellen Bauprojekte zu bitten.
„Was halten Sie von der Frau?“, fragte er Damp, der die Szene aus einiger Entfernung beobachtet hatte.
„Was soll ich von ihr halten?“
Rieder öffnete die Beifahrertür des Polizeiautos, stieg aber nicht ein.
„Wohin jetzt?“, fragte Damp ungeduldig, der schon eingestiegen war.
„Überprüfen Sie doch bitte erstmal das Alibi von Ulrike Stein. Ich habe noch was zu erledigen.“ Dann schlug er die Autotür zu und ging über den Deich davon.
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