Norderende. Tim Herden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tim Herden
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783954623686
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in Vitte. Am Ende des Strandes.“

      „Was hat er noch gesagt?“

      Damp lehnte sich zurück: „Nichts weiter.“

      „Hat er Frau Stein informiert?“

      „Kann sein, kann auch nicht sein.“

      Damp stürzte sich wieder an die Tastatur des Laptops. „Ich muss das hier fertigkriegen. Sie können ja schon zu Frau Stein fahren. Wir treffen uns dann an der Kirche.“

      Rieder war das neue Bündnis zwischen Bürgermeister Durk und Revierleiter Damp ein Dorn im Auge. Da hieß es, höllisch aufzupassen. Bisher hatte er sich eingeredet, dass es ihm völlig egal wäre, dass Damp und nicht er selber Revierleiter auf Hiddensee geworden war. Die Entscheidung ihres Vorgesetzten, Polizeidirektor Bökemüller aus Stralsund, war Rieder logisch erschienen. Immerhin war sein Einsatz auf der Insel auf zwei Jahre begrenzt. Damp würde bestimmt länger auf der Insel bleiben. Sechs Monate waren davon schon um. Bökemüller hatte Rieder Damps Beförderung außerdem damit begründet, dass man seine Bewerbung für die Revierleiterstelle nach seinem Einsatz bei der Aufklärung des Mordes am ehemaligen Inselpfarrer Schneider nicht übergehen konnte. Außerdem sei Rieder für den Job des Revierleiters auf einer Ostseeinsel völlig überqualifiziert.

      Rieder wurde allerdings nicht Damp unterstellt, sondern blieb direkter Mitarbeiter des Polizeidirektors. Hiddensees Revierleiter Damp hatte also nur einen Mitarbeiter – sich selbst. Die andere Seite des Schreibtischs, also Rieders Platz, war praktisch eine andere Dienststelle, eine Außenstelle der Polizeidirektion Stralsund. Wollte Damp was von Rieder, so musste er ihn eigentlich, wenn es nach dem Dienstweg ging, in Stralsund anfordern. So etwas hatte sich nur ein entscheidungsschwacher Chef ausdenken können.

      Mit diesen Gedanken im Kopf war Rieder zum Zeltkino gelaufen. Dort stand noch sein Dienstfahrrad.

      Dora Ekkehard war schon zugange. Sie sammelte leere Flaschen und zerknüllte Chipstüten zwischen den Sitzen des Kinos ein.

      „Den Schreck schon verdaut?“

      Dora winkte ab. „Hören Sie bloß auf. Der Weg hierher war das reinste Spießrutenlaufen. Jeder quatscht einen an. Und dann immer dieser verschwörerische Tonfall der lieben Nachbarn? Mich haben Hiddenseer angesprochen, mit denen ich im Leben noch kein Wort gewechselt habe, geschweige, dass sie mal hier im Kino waren.“

      „Ist Ihnen noch etwas eingefallen? Haben Sie vielleicht doch Peter Stein gestern Abend hier gesehen?“

      Dora Ekkehard beugte sich nach einer weiteren leeren Flasche. „Dass die Leute die Dinger nicht einfach in die Kästen stellen können“, fluchte sie.

       VI

      Das Gartentor zum Grundstück der Steins am Inselmuseum war immer noch verschlossen. Rieder wollte sich gerade wieder auf sein Rad schwingen, um es am anderen Eingang des Grundstücks zu versuchen. Da kam aus dem kleinen Kiosk die Besitzerin gerannt. „Herr Polizist!“, rief sie. „Herr Polizist. Sie wollen bestimmt zu Frau Stein. Die Arme. Sie ist gerade zum Strand runter. Hoffentlich tut sie sich nichts an!“

      Rieder blieb stehen. „Wie kommen Sie denn da drauf?“

      „Würden Sie baden gehen, wenn Sie gerade erfahren haben, dass ihr Mann ermordet worden ist?“, entgegnete ihm die Kioskbesitzerin entrüstet. „Vielleicht machen Sie nun bald mal was!“

      Rieder stellte sein Rad wieder ab und wollte in Richtung Strand. Da blieb er nochmal stehen.

      „Was ist denn nun noch?“, rief die Frau.

      „Wie sieht Frau Stein eigentlich aus?“, fragte der Polizist.

      Rieder kletterte auf die kleine Mauer neben dem Inselmuseum und zwängte sich dann durch einen mit Heckenrosen überwachsenen Durchgang durch die Dünen zum Strand. Der Strand von Kloster war menschenleer. Für morgendliche Jogger war der Sand hier zu weich und zu tief. Auch von professionellen Bernsteinsuchern keine Spur. Durch den Steindamm, die Hucke, der hier das Steilufer schützte, gab es keinen Seetang, mit dem das Gold der Ostsee angespült wurde. Allerdings gab es eine kleine Lücke im Wall.

      Gleich hinter der Düne lag ein rotes Badehandtuch im Sand, darauf ein weißer Bademantel. Eine einzelne Person schwamm im Wasser. Eigentlich sah man nur ihren Kopf. Auf dem Rücken liegend, strebte sie mit langsamen Kraulschlägen wieder dem Ufer entgegen. Rieder hatte schon die roten Haare erkannt. Also kein Grund zur Panik.

      Erst kurz vor der schmalen Öffnung im Steindamm drehte sich Ulrike Stein auf den Bauch und tauchte aus den Wellen auf. Natürlich nackt. Im Gegenlicht der Morgensonne glänzte ihr nasser schlanker Körper. Rieder war das peinlich, aber er konnte sich gleichzeitig kaum losreißen von dem Anblick.

      Sie nahm den Bademantel und schlüpfte hinein. Dann streckte sie Rieder die Hand entgegen. „Guten Morgen, ich bin Ulrike Stein. Sie sind der Zivilbeamte, der jetzt hier auf der Insel neben Damp Dienst tut. Nicht wahr?“ Bevor er etwas sagen konnte, bemerkte sie: „Und nun ist es wie im Krimi. Sie werden mir mitteilen, dass mein Mann zu Tode gekommen ist, und ich müsste eigentlich in Tränen ausbrechen.“

      „So stellt man es sich vor.“

      „Dann hat Ihr Film schon einen Riss. Ich weiß schon, dass Peter tot ist. Michael hat mich heute Morgen besucht. Also Herr Durk. Er war Peters bester Freund.“ Etwas im Tonfall dieses Nachsatzes ließ Rieder aufhorchen. Ulrike Stein nahm ihr rotes Handtuch und begann die glitzernden nassen Haare abzutrocknen.

      „Es gibt allerdings noch ein paar Fragen mehr“, erklärte Rieder.

      „Hätten Sie mich nicht eigentlich bestrafen müssen? Ich habe doch unbekleidet im Textilbereich gebadet. Ihr Kollege versteht da keinen Spaß.“

      Ulrike Stein reichte Rieder eine dampfende Tasse Tee. Von der Veranda sah man auf Hiddensee herab. Wie eine Schlange lag die Insel zu ihren Füßen.

      „Sind das momentan wirklich Ihre größten Sorgen?“, erwiderte Rieder. „Mich würde eher interessieren, warum jemand schwimmen geht, wenn er gerade erfahren hat, dass sein Ehepartner getötet wurde?“

      Ulrike Stein schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.“ Sie ließ ihren Blick in die Ferne gleiten. „Da ist eine tiefe Traurigkeit, dass Peter tot ist. Er war über dreißig Jahre Teil meines Lebens und wird es auch bleiben. Aber sie haben sicher auch gehört, dass wir seit einiger Zeit getrennt gelebt haben. Oder?“

      Rieder nickte. Sie drehte ihren Kopf und schaute ihm in die Augen. „Und was sagt sonst so der Inseltratsch?“

      „Ich bin noch nicht so lange auf der Insel, um hier alle Geschichten zu kennen. Auch Ihr Mann war für mich bis gestern Abend ein Unbekannter.“

      „Komisch ...“

      „Wollen Sie gar nicht wissen, was passiert ist?“ Ulrike Stein stellte ihre Tasse ab, stand auf und trat an eines der Fenster. Sie drehte Rieder den Rücken zu und schaute hinaus. „Durk hat es mir schon erzählt. Er sei niedergeschlagen worden. Was soll ich da noch fragen?“

      „Ich hatte versucht, Sie gestern Nacht noch zu erreichen. Aber ich habe Sie nicht angetroffen. Wo waren Sie gestern Abend?“

      „Die berühmte Frage nach dem Alibi?“ Sie lächelte ein wenig. Rieder irritierte das. „Ich war bei Freunden. Sie machen hier gerade Urlaub und wohnen in Grieben im Hotel, Enddorn‘, in einem Appartement. Marie und Kurt Zabel. Ich habe dort auch übernachtet und bin erst heute Morgen hierher zurückgekommen. Durk stand schon vor der Tür und wartete auf mich.“

      „Wie war denn das Verhältnis zu Ihrem Mann? Gab es Streit?“

      Ulrike Stein dachte einen Moment nach. Rieder versuchte ihren Gesichtsausdruck zu ergründen.

      „Nein, eigentlich nicht. Es wäre sicher übertrieben, dass wir nur im Guten auseinandergegangen wären, aber wir haben jeder für sich unser Leben hier auf der Insel weitergelebt. Er in seinem