Ethnobombe. Michael Exner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Exner
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783748209102
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      Sara fragte: „Was heißt ‚praktisch kein Tourismus‘? Gibt es trotzdem Möglichkeiten der Einschleppung?“

      „Wir haben nur eine Möglichkeit gefunden. Einen ziemlich seltsamen Kerl aus Ostdeutschland, der zwei Mal im Jahr mit dem Auto nach Marmolejo fährt, um einen exzentrischen deutschen Zahnarzt im Altersruhestand dort zu besuchen.“

      „Der fährt mit dem Auto durch halb Europa, statt zu fliegen? Das müssen doch bestimmt 3000 Kilometer sein.“ Alva staunte nicht schlecht.

      „Das hat uns auch gewundert. Hat aber den einfachen Grund, dass er seinen Bekannten- und Verwandtenkreis mit Produkten aus Spanien versorgt, in erster Linie Oliven und Olivenöl, Schinken, Wurst, Whiskey usw. Kriegt er natürlich nicht mit dem Flugzeug weg. Wir sind dabei, den Typen und sein Umkreis zu untersuchen – bisher kein positives Ergebnis. Allerdings wäre dieser Mann der ideale Überträger, denn sein Urlaub dort scheint daraus zu bestehen, den halben Tag durch die Bars zu ziehen, Bier und Tappas in Größenordnungen zu konsumieren und dabei natürlich Dutzende Leute zu treffen.“

      Sara schüttelte den Kopf. „Leute gibt’s…“

      Anna Kampa wollte das Thema wechseln.

      Sie hatte als erstes heute Morgen vorgeschlagen, die Pandemie einfach 'die Seuche' zu nennen. Alle hatten es schulterzuckend hingenommen. Diese Bezeichnung war so gut wie jede andere.

      Es begann ein lahmes Rätselraten, wie denn die Seuche mitten in einem hermetisch abgeriegelten Land ausbrechen konnte.

      Ein Gong ertönte und Grabers verschwitztes Gesicht erschien auf dem Monitor. „Kann ich gleich sprechen? Ja? Dann Guten Morgen miteinander. Das heißt, ich weiß nicht, ob es ein guter Morgen…“

      „Hallo?“ Kampa war sauer.

      „Jaja, also ich habe Neuigkeiten, was das Patientenprofil entspricht. Wir haben die Zahlen ausgewertet, die wir bisher hatten und kommen zu folgendem Ergebnis:

      Erstens: Die Letalität ist nicht gleich 100%, sie dürfte irgendwo bei 92-94% liegen, das heißt wir haben immer wieder einzelne Patienten, die die Krankheit überstanden haben und auf dem Wege der Genesung sind.

      Zweitens: Es gibt auf jeden Fall auch Personen der gefährdeten Altersstruktur, die immun sind, sich also gar nicht erst anstecken. Wir schätzen 15-16%, Das macht natürlich Hoffnung, einen Impfstoff zu finden.

      Drittens: Die Vermutung von gestern hat sich bestätigt, d.h. Kinder bis etwa 11,12 Jahre erkranken nicht. Ab diesem Alter werden fast alle Personen infiziert. Und jetzt kommt es: Frauen ab der Menopause werden wieder verschont.“ Graber war sichtlich stolz.

      „Also betrifft es einfach nur alle geschlechtsreifen Personen?“ Das war wieder Ringstrøm. „Und wie ist es dann mit Männern und Frauen entsprechenden Alters, die sich sterilisieren ließen?“

      „So weit sind wir noch nicht“ Jetzt war Graber beleidigt. „Wir können nicht hexen.“

      „Solltet ihr aber besser.“ Ringstrøm war schon wieder in Kampflaune.

      Da Sibo merkte plötzlich, dass Sara ihn anstarrte.

      „Was ist?“

      „Weißt du, gestern Abend, als ich ins Weinglas …“ fing sie an. Sara war plötzlich ganz aufgeregt.

      „Dürfen wir teilhaben an der angeregten Diskussion? Ja, die junge Dame neben Professor da Sibo!“ Kampa war ganz Oberlehrerin.

      Sara stand auf und plötzlich war sie keine plappernde Nervensäge mehr, sondern konzentriert und analytisch: „Sara Sander, Assistentin von Prof. Mauters.“ stellte sie sich vor. „Wir haben gestern Abend den Aspekt diskutiert, wer denn Nutzen aus einer terroristischen Aktion hätte. Mir kam ein Gedanke, den ich zunächst verworfen habe. Die Analysen Dr. Grabers scheinen diesen Gedanken allerdings zu stützen: Wenn es eine Gruppe von Leuten gibt, die Vorteile aus der Vernichtung der geschlechtsreifen Bevölkerung ziehen, dann sind es die Mitglieder des radikalen Zweiges der ‚Liga‘.“

      Sara saß schon wieder. Kampa war immer noch sauer: „Das ist so nahe liegend und doch ist noch niemand außer Frau Sander drauf gekommen?“

      „Moment!“ Ringstrøm meldete sich. „Die Leute müssten damit rechnen, selbst umzukommen. Das wäre schon ziemlich dicht dran an religiösem Fanatismus, eher eine Art gesellschaftlichen Selbstmordes.“

      „Wenn es so wäre, könnten sie Vorsichtsmaßregeln getroffen haben, z.B. ein Gegenmittel, Impfungen, Isolation oder…“ Eine junge Frau im Laborkittel hatte sich in Rage geredet. „Außerdem sind die wirklich fanatisch genug, um..“

      „Genug.“ Anna Kampa unterbrach. „Wir spekulieren nur. Jeder soll sich dazu Gedanken machen. Ich beauftrage die amerikanischen Bundesbehörden. Sie sollen prüfen, ob diese Gruppierung die Möglichkeit für einen solchen Anschlag hatte. Mehr dazu in der Nachmittagssitzung.

      Nächster Tagesordnungspunkt: die Evakuierung. Die Einsatzleitung hat mir berichtet, dass alles planmäßig verläuft. Die 4800 Passagiere und die meisten Besatzungsmitglieder werden bis morgen 16 Uhr evakuiert sein. Können Sie das bestätigen, Kapitän Solejow?“

      „Ja, Frau Kampa. Es gab keinerlei Widerstand.“

      Da Sibo sah erstaunt auf. Widerstand? Wer hatte Widerstand erwartet? Er sah Sara an. Die schien das aber nicht seltsam zu finden und folgte der erneuten Diskussion.

      „ ..müssen sein. Heute Morgen ist die Nachricht von Ihrer Gruppe auf der 'Maaru' in der Presse erschienen. Es sind bereits erste wütende Kommentare in den Medien aufgetaucht. Einige Journalisten sind zum Angriff übergegangen. Ich zitiere: 'Die Damen und Herren Wissenschaftler wollen sich wohl nicht die Finger schmutzig machen, indem sie vor Ort das Mördervirus suchen. Besser lässt es sich wohl in der warmen Nachmittagssonne beim Drink am Pool nachdenken.

      Vielleicht hat ja sogar der eine oder andere Eierkopf etwas mit dieser Katastrophe zu tun.'“

      Da Sibo fühlte regelrecht den triumphierenden Blick Saras auf seiner rechten Gesichtshälfte. Er grinste.

      „Sie sehen also, dass hier Stimmung gegen Sie gemacht wird. Wir müssen damit rechnen, dass Sie von rachsüchtigen Gruppierungen angegriffen werden, die dieser Pressekampagne glauben. Oder andere versuchen, auf das Schiff zu gelangen, weil sie sich hier einigermaßen sicher glauben. Deshalb die Patrouillenboote. Sie werden Tag und Nacht in mindestens 100 Meter Entfernung um die 'Maaru' kreisen. Die Besatzungen sind bewaffnet, die Boote sind mit modernster Technik ausgerüstet, auch gegen Unterwasserangriffe. Weiterhin wird sich die `Maaru‘ weder dem Festland noch einer der Inseln der Antillen nähern. Sie liegen jetzt 30 Meilen vor Barbados. Nach der Evakuierung und nachdem Sie die nötige Ausrüstung an Bord genommen haben, hat Kapitän Solejow die Anweisung, auf mindestens 50 Meilen Abstand zum Land zu gehen.“

      Betretenes Schweigen. Niemand wollte etwas sagen, jedem wurde noch einmal klar, dass sie für die nächsten Tage, Wochen, ja vielleicht Monate auf dem Schiff gefangen sein würden.

      In der Stille hörte man umso deutlicher das an- und abschwellende Geräusch der Hubschrauber, die pausenlos die Passagiere von den beiden Landeplätzen der 'Maaru' holten. „Noch etwas:“ Kampa meldete sich wieder: „Seit drei Stunden sind zwei Teams in Quarantäne gegangen:

      Team Nr. 1 sind 16 Wissenschaftler und Laboranten, die Ihre Gruppe auf der 'Maaru' verstärken sollen.

      Team Nr. 2 besteht aus 5 Technikern, die insbesondere die Ausrüstung installieren sollen, die ab heute Nachmittag eingeflogen wird. Wir haben ein paar Techniker an Bord, die das bestehende Equipment warten und erweitern können. Das, was uns heute erwartet, überschreitet das Wissen unserer Wartungstechniker wohl bei weitem. Deshalb benötigen wir die Verstärkung schnellstmöglich. Um die Quarantäne beenden zu können, brauchen wir allerdings die Inkubationszeit. Dr. Li und Dr. Graber: höchste Priorität für Sie und Ihre Teams. Noch Fragen?“

      „Was meinte Solejow mit Widerstand?“ Alva pustete in seinen Kaffeetopf.

      „Wir haben im Stabsmeeting darüber diskutiert,