Ethnobombe. Michael Exner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Exner
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783748209102
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das ist ein Hoffnungsschimmer.“ Alva lächelte müde. „Aber in vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens treibt die neue Armut die Leute wieder reihenweise in die Arme der Priester, Priore, Muftis und Imame, Lamas und Schamanen oder wie diese Rattenfänger alle heißen mögen. Jeder kennt diese Bilder von sich kasteienden Mönchen oder von Millionen Muslimen, die ihr halbes Leben sparen, um zur Hadsch nach Mekka zu reisen und sieben Mal um die Kaaba zu laufen. Oder von den alten Frauen, die mit blutigen Knien zu irgendeinem Heiligtum kriechen, um den Segen eines beliebigen und auswechselbaren Heiligen zu erflehen. Und das durchaus in Ländern, wo die Leute jederzeit die Möglichkeit und Zugriff auf Bildung haben.

      Wie schon gesagt, ich behaupte nicht, dass es diesen Leuten völlig an Intelligenz fehlt. Ich bin nur überzeugt, dass ihnen eine wichtige Eigenschaft abgeht: die Fähigkeit, scheinbar Unumstößliches, in Fels Gemeißeltes kritisch zu hinterfragen.

      Denn dann sollten die meisten erkennen, dass das, was ihnen von frühester Kindheit durch Scharen Ewig Gestriger eingebläut wurde, einfach nur horrender Unsinn ist.“

      Alva vergrub das Gesicht in den Händen. Dann stand er auf.

      „Aber das sollte uns nicht den Abend verderben. Wollen wir essen gehen?“

      „Nee, jetzt renn nicht weg. Wie erklärst du dir das denn? Es muss doch einen Grund geben, warum einzelne Menschen und ganze Kulturen so etwas wie ein Verlangen nach Unterwürfigkeit unter eine höhere Instanz entwickelt haben?“

      „Ich vergleiche das gern mit der Entwicklung eines Kindes. In den ersten Jahren nach dem Säuglingsalter sind Kinder empfänglich für den Glauben an Figuren wie den Weihnachtsmann, den Osterhasen oder viele andere imaginäre Figuren anderer Kulturen. Mit fortschreitendem Wissen wird die Existenz dieser Kindheitsfiguren immer unwahrscheinlicher – das Kind folgert aus fortschreitendem Erkenntnisgewinn die Unwahrscheinlichkeit dieser Märchenfiguren.“

      „Und in welcher Phase der Kindesentwicklung befindet sich die Menschheit deiner Meinung nach jetzt?“ Sara war gleichzeitig fasziniert wie belustigt über die Art, wie Alva das Problem darstellte.

      Er lächelte zurück: „Natürlich ist der Entwicklungsstand sehr unterschiedlich auf unserer Welt, aber ich denke, dass selbst die gebildetsten Völker noch nicht weiter als Vorschulkinder sind.“

      „Das klingt nicht sehr schmeichelhaft, Alva.“

      „Wieso, es heißt doch nur, dass wir noch jede Menge Potenzial haben.“

      „Ja, für eine Entwicklung in diese oder jene Richtung. Ich weiß nur nicht, ob das Anlass zur Hoffnung oder Verzweiflung gibt.“

      „Warten wir es ab, im Moment haben wir ein Problem zu lösen, das diese Diskussion überflüssig machen könnte, weil die Menschheit in der uns bekannten Form in ein paar Monaten oder Jahren nicht mehr besteht.“

      „Wohl wahr, aber zunächst sollten wir wirklich erst mal essen gehen.“

      „Ja, und was dann?“

      „Müssen wir warten, bis die technische Ausrüstung eingeflogen und installiert ist. Das wird frühestens morgen sein.“ „Können wir denn gar nichts machen?“ Sara mochte es nicht, zur Untätigkeit verdammt zu sein.

      „Doch, nachdenken.“

      „Mehr nicht? Es muss doch was geben!“ Sara klang verzweifelt.

      „Unsere Aufgaben hier vor Ort werden folgende sein. Erstens: statistische Auswertungen von Daten, die weltweit gesammelt werden. Dazu brauchen wir nicht nur die Möglichkeit, Petabytes an Daten zu speichern, sondern auch zu verwalten. Außerdem müssen stabile Satellitenverbindungen geschaffen werden, über die ständig Unmengen von Informationen innerhalb kürzester Zeit übertragen werden können. Das unterstützt aber nur die Hauptarbeit. Die Untersuchungen an Tausenden Proben ist das Wichtigste. Dazu brauchen wir Hochleistungslabore. Das erste kommt heute Abend. Dazu noch ein paar Labortechniker in den nächsten Tagen, hoffentlich. Erst dann können wir wirklich loslegen.“

      „Wie lange dauert es, bis das Labor einsatzfähig ist?“

      „Ein bis zwei Tage sicherlich. So ein transportfähiges Labor besteht aus mehreren Containern, die verschiedene Funktionen haben. Zum einen das eigentliche Labor für genetische Untersuchungen, dazu Schleusen, Dekontaminationseinrichtungen, Quarantäneräume und andere Sicherheitseinrichtungen. Notstromaggregate usw., alles natürlich redundant. Dann gibt es noch ein Reinraumlabor, soziale Einrichtungen und einen kleinen Verwaltungstrakt. Außerdem Klimaanlagen, die komplett autark und redundant arbeiten, ohne Zu- oder Abluft mit Verbindung zur Umwelt. Alles ist so konzipiert, dass die Leute sich tagelang, notfalls über Wochen dort aufhalten können. Das muss alles aufgebaut und angeschlossen werden.

      „Und was mache ich dann? Ich habe alles Mögliche studiert, nur nichts mit Medizin oder Technik. Während ihr arbeitet, bohre ich in der Nase.“

      In dem Moment durchfuhr ihn ein eisiger Schreck: „Du wirst doch nicht etwa evakuiert?“

      Sara zeigte ganz offen ihre Freude. Und neckte ihn: „Hast wohl Verlassensängste?“

      Verlegen brubbelnd machte er sich an seinem Laptop zu schaffen.

      „Prof. Mauters hat mich auf die Liste setzen lassen.“ Sara sah jetzt auch nach unten.

      „Welche Liste?“

      „Die Liste derer, die hier bleiben. Ich hatte sie darum gebeten.“

      In dieser Nacht schliefen sie das erste Mal miteinander.

      „Hör auf, man sieht dir das auf 100 Meter an, Sara.“

      „Du grinst selbst wie ein Honigkuchenpferd, Alva! Und womit soll ich aufhören?“

      „Du strahlst über beide Backen. Und was ist ein Honigkuchenpferd?“

      „Weiß ich nicht. Habe ich mal bei den Deutschen aufgeschnappt. Außerdem heißt es Wangen, nicht Backen, obwohl… „ Sara grinste schon wieder.

      „Beeile dich, wir kommen zu spät. Und man kann es uns ruhig ansehen. So sehen nun mal frisch gevögelte Eichhörnchen aus.“

      Sie lachten noch, als sie den Konferenzraum betraten. Soeben schwebte ein Lastenhubschrauber mit einem Laborcontainer ein.

      Dann explodierte das Patrouillenboot.

      Die meisten stürzten zu den Fenstern, einige blieben einfach stehen und sitzen. Ein paar machten Anstalten, aus dem Raum zu fliehen, sahen aber schnell die Sinnlosigkeit ein.

      Das Boot war in einer Serie von mehreren Explosionen völlig zerrissen worden. Noch Sekunden später klatschten Trümmer ringsherum ins Meer. Das Boot war etwa 150 Meter entfernt detoniert, sofort drehten zwei andere Boote bei und näherten sich der Unglücksstelle, kreisten aber in respektvoller Entfernung um die versinkenden Reste.

      „Warum fahren die nicht hin? Vielleicht hat ja jemand überlebt!“ Da Sibo erkannte Elena Marx, eine Labortechnikerin. „So etwas überlebt niemand.“ kam von Ringstrøm. „Außerdem haben die Angst.“

      Da Sibo wusste sofort, was der Alte meinte. Er musste daran denken, dass Dr. Graber von psychischen Veränderungen gesprochen hatte, von Aggressivität. Was, wenn die Bootsbesatzung erkrankt war und sich selbst gesprengt hatte. Was, wenn es ein Anschlag war.

      „Wir sind alle schon paranoid.“ Das sagte er laut. Erstaunlicherweise sprang Ringstrøm nicht darauf an.

      „Wieso waren das mehrere Explosionen?“ Die Technikerin hatte noch Fragen.

      „Mehrere Tanks vielleicht. Außerdem hatten sie Waffen und Munition an Bord.“

      Von der Küstenseite her näherten sich zwei Hochgeschwindigkeitsboote der Küstenwache. Sie wurden von mehreren Hubschraubern überholt. Gleichzeitig nahm die 'Maaru' träge Fahrt auf und entfernte sich Richtung offene See.

      Inzwischen hatten sich die meisten wieder gesetzt, die Diskussion war aber immer noch im Gange. Sie wurde hitzig in kleinen Gruppen geführt. Man schien einhellig