Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747821
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Stück anbietet, wogegen ich nicht grundsätzlich abgeneigt, aber weswegen ich etwas durcheinander bin, weil ich ja gerade auch an einem anderen Theater eine kleine Rolle spiele und eigentlich gar nicht so viel Theater spielen will, außerdem komme ich nicht dazu, zu fragen, um was für ein Stück es sich eigentlich handelt, weil sie sofort die technischen Details besprechen will, zwölfhundert Euro pro Vorstellung anbietet, mit gezücktem Kugelschreiber dasitzt und gleich alles festhalten will, wobei meine neue Freundin die Hände vors Gesicht schlägt vor Freude und ich mir ausrechne, dass es ja mindestens zehn Vorstellungen geben wird, also zwölftausend Euro, damit, wenn man den zusätzlichen Stress bei Drehtagen rechnet, fast genauso viel gibt wie bei normalen Drehs, auch die Reisen von und nach München sollen bezahlt werden, was ich gegenüber meiner neuen Freundin als besonders erfreulich zur Kenntnis nehme, weil damit München als Wohnort bereits durchgesetzt ist, aber anbiete, bei aufeinanderfolgenden Vorstellungen bis zu drei Tagen in Düsseldorf zu bleiben, und dann kommt Schütz wieder vorbei, fragenden Gesichts, ob alles geklappt hat, denn er legte da großen Wert drauf und ist zufrieden, dass es nun so laufen wird, er hielt mich für die Idealbesetzung und inzwischen ist es Tag geworden, man kann aus dieser riesigen Villa von Schütz raussehen auf die anderen Villen in der Nachbarschaft, ein riesen Monsterbau neben dem anderen, eine davon im Sechziger-Jahre-Viereckstil mit unverputzten Ziegelsteinen, die viel schöner ist als die eher kitschige von Johannes Schütz, nicht mein Geschmack, und es geht in kleinen gewundenen Wegen am Hang nicht weit runter zum Meer, und ich will Frau Schütz noch was erzählen, was mir aber im selben Moment dann doch peinlich ist, da kommen die anderen Schauspieler und fangen an, sich zu maskieren, sie setzt auch einen Schnurrbart auf, es wird hektisch und sie kommt glücklicherweise nicht mehr darauf zurück, mich zu fragen, was ich erzählen wollte –

      – wir haben eine ziemlich große Fete gemacht, für die Johannes Artmann und ein in der Sonnenleite neu eingezogener dicker Ossi das Catering gemacht haben und ich gehe am nächsten Morgen zu Johannes in den Laden, um zu bezahlen, wobei mich unsere junge kleine Katze begleitet, und als ich hinten in den Betriebseingang von Johannesens Laden will, flutscht sie mit zur Tür rein und rennt gleich in den Laden, was natürlich nicht geht, allein schon aus hygienischen Gründen, ich renne ihr nach, erwische sie, aber sie flutscht wieder rein, bevor ich die Tür zuschieben kann und erst beim dritten Mal schaffe ich es, sie auszusperren, denn sie versucht weiter, reinzukommen und dort zu spielen, aber Johannes ist gar nicht sauer, sondern legt sich mit mir in eine Ecke im Hof des Bürotrakts und streichelt meine Füße, was ich sehr nett und angenehm finde, aber dann muss er im Laden arbeiten und ich weiter; ich zahle die fünfzehnhundert Euro für das Essen, das er gebracht hat, wirklich tolles, äußerst leckeres Biozeugs, was wir beide nochmal würdigen, und gehe mit Felix zu dem dicken Ossi in der Sonnenleite, der sein Büro Parterre hat, nur ein Schreibtisch mit ein paar Zetteln drauf, wo er erst rumrechnet und rumrechnet und rumrechnet und dann Abrisse von Rollen von Rechenmaschinen muffig zu mir rüberschiebt, auf denen ich nicht genau erkennen kann, wie viel ich zahlen soll, er ist auch verlegen und druckst rum und deutet dann auf einen dieser Abrisse, sagt: »ich weiß, das ist schlecht zu erkennen, aber da sieht man es genau: es sind sechstausend« – ich falle aus allen Wolken, bekomme einen Schock, weiß gar nicht, was ich sagen soll, überlege fieberhaft, wie ich das denn bezahlen soll und dass ich gar nicht mehr so viel auf der Bank habe und dann alles Geld schon wieder weg ist, ich im Minus, frage, ob er das bar oder als Scheck haben will und er sagt gesenkten Blickes: »lieber bar!«, worauf ich sage: »dann muss ich aber erstmal noch zur Bank«, woraufhin er sich zurücklehnt und ganz offensichtlich erleichtert ist, dass ich nicht weiter nachfrage und diskutiere und er mich loshat und kaum bin ich draußen und weit genug weg, dass er mich nicht hören kann, brenne ich darauf Felix, der kopfschüttelnd nachgekommen ist, sagen zu können, dass das ja der absolute Hammer ist, unvorstellbar, in keiner Relation zu dem steht, was er gebracht hat, und will schnell zu Renate, um das mit ihr zu diskutieren –

      – am Schluss des Stücks versammelt sich die ganze Gruppe – von oben gesehen – im Vorraum, mit angedeuteten Tanzbewegungen, im Kreis rumgehend, und das weiße Puder auf dem Dreiecksposten verklebt sich beziehungsweise wird verklebt und es muss im Grunde nur noch abgewartet werden, bis es trocken ist, dann kann man es abheben und der Schlusstext wird gesagt werden –

      – die Träume machen mindestens drei Gigabyte aus und für einen Teil der Träume braucht man eine Aktentasche • ich ziehe das Bett so zu, dass ich, wenn ich davor stehe und Träume aufschreibe, im Luftzug stehe – die Leute muss man alle getrennt und separiert beschreiben, jeder in einer eigenen Schublade in seinem eigenen Zeug, für jeden eine eigene Datei – aber die Frau vom Goetheinstitut beziehungsweise Kultusministerium war nicht da –

      – Treffen von Leuten in einem Zimmer, von dem aus sie eine enge Treppe runtergehen {wie ich Treppen runterging in eine Bar wie früher das PN oder Big Apple, aber dann unten gar niemand war und vorher die große Turnhalle, in der ich war und in die ein Fotograf kam mit lauter Gestänge, danach diese große unterirdische Vergnügungsstadt, über der oben diese Riesentruthähne watschelten} und zu mir kommen: ich bin in einer Zelle, aber da können diese Leute rein, die organisierte Leute sind, die da was mit mir machen wollen oder sogar sollen, also mit denen richtig ein Programm abgewickelt wird; sie drängeln sich da alle rein, aber normalerweise nach einer Woche wird die Mannschaft von sechs bis acht Leuten jeweils gewechselt, was jetzt so weit ist, und deswegen kommen heute neue, zwei Mädchen, die noch Schülerinnen sind, die aber überhaupt nicht verstehen, worum es da geht und nur ganz normal etwas machen wollen, aber die werden von der Truppe der letzten Woche zur Seite gedrückt, werden peinlich gemieden, weil die alte Truppe sich als was Besseres vorkommt, wie überhaupt das Ganze etwas Elitäres hat, was Besseres, man verkleidet sich und auch das jedesmal neu, sehr fantasievoll und ausgefallen mit selbst hergestellten Masken oder grimassenartig verzogenen Gesichtern, und es geht dabei auch darum, den anderen, fast im Sinne von: dem Rest der Menschheit, zu zeigen, wie blöd sie sind und dass sie nichts kapiert haben, wobei es etwas künstlerisch Verschwörerisches hat; ich bin zwar Objekt des Ganzen, es geht aber letztlich um die Dokumentation beziehungsweise Dokumentierung dieser Aktionen, also um das Ergebnis • wir stehen zu zweit auf der Straße vor einem Kulturzentrum oder ähnlichem in einer Kurstadt wie Baden Baden, wo die Leute promenieren, und sehen auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen jungen Schauspieler, den ich von »Abschnitt 40« beziehungsweise dem »Bewegten Mann« kenne, der da mit seiner Frau und einem Kinderwagen daherkommt, in dem ein offenbar frisch geborenes Kind liegt, aber dann sitze ich quer in einer Hängematte draußen und schreibe, aber der Wind weht zu stark, so dass ich reingehe, aufs Klo, das nach vorne raus offen ist, wovon ich begeistert bin, weil es trotzdem wie draußen ist, auch mit Wind, aber nicht zu viel, und ich sehe draußen sowohl die Leute, neben denen ich auf der Hängematte saß – zwei oder drei Männer und Frauen – als auch zwei Frauen, die Picknick machen mit einem Kind, mit dem sie rummachen, offenbar Probleme haben, und ich will mit den Leuten reden, bei denen ich war, aber sie sind zu weit weg, man kann nichts verstehen, auch wegen des Windes; das Ganze ist eine Abbruchlandschaft außerhalb der Stadt, deren Skyline man weit hinten auch sieht, aber sehr schön; ich überarbeite ein Stück, indem ich es weit ausholend seitlich nehme und umklappe, und dann kommt ein anderer Typ vorbei, der auch zu der Truppe von Schauspielern gehört, die da alle sind, es ist aber ein Engländer und ich sage: »ich habe ihn schon gesehen, in der Stadt rumgehen, und habe ihn auch nicht gegrüßt, obwohl er zu dem weiter hinten sitzenden Typen gehört, mit dem ich da eigentlich rede«, aber dann begrüße ich ihn, will ihm die Hand reichen, da sagt er: »naja, du hast ja kein Problem, du hast ja kein Aids« und ich frage mich, ob er Aids hat, aber vom Handgeben bekommt man ja kein Aids, und dann gehen wir in dieses Kulturzentrum rein, in dem eine kleine Filmwerkstatt ist, in der wir uns den »Bewegten Mann« ansehen wollen, wir sind jetzt zu dritt und als die ersten Bilder beginnen – zwei Männer sitzen in einem Lokal und warten auf einen dritten –, denke ich: »mein Gott, hat man ewig nicht mehr gesehen, das ist jetzt ein historischer Film, das konnte man sich gar nicht vorstellen, als man ihn drehte«, ein Klassiker, der in Burkina Faso gedreht wurde, gerade auch die Szene, wie der eine den anderen sieht und dann abwinkt, das ist geradezu ein unabänderliches Ding, ein Monument der Filmgeschichte, und es ist ein komi-sches Gefühl, da dabeigewesen zu sein, aber nach den ersten Bildern breche ich die Vorführung ab, denn ich will meine Szenen nicht sehen und habe Sönke gefragt, wie viel beziehungsweise wie lange