„Wie fühlen Sie sich heute, Herr Tillmann?“, fragte Doktor Hulke.
„Großartig“, antwortete er. „Das gefällt Ihnen nicht, wie?“
„Sie sind nicht hier, weil es Ihnen noch nie besser ging“, sagte der Arzt, „sondern weil Sie irgendeinen Krankheitsherd in sich haben.“
„Den Sie nicht finden können.“
„Sie müssen bedenken, dass wir uns die größte Mühe geben.“
„Ich bin für Sie und Ihre Kollegen ein medizinisches Rätsel, nicht wahr?“
„Nun, ich gestehe, es würde mir besser gefallen, wenn ich wüsste, woher ihr merkwürdiger Zustand kommt. Die Symptome sind uns fremd. Das erschwert natürlich die Diagnose. Organisch scheinen Sie völlig in Ordnung zu sein. Als dieser Anfall kam, hatten Sie da Schmerzen?“
„Nein.“
„Und dieser Blackout kündigte sich auch nicht irgendwie an?“
„Nein, er kam ganz plötzlich.“
Nachdenklich massierte der Arzt sein Kinn. „Merkwürdig. Höchst merkwürdig.“
„Wie geht es nun weiter?“, wollte Robert wissen.
„Mein Ehrgeiz lässt nicht zu, dass ich aufgebe“, beharrte Doktor Hulke. „Wir werden einige Tests wiederholen. Heutzutage ist der Körper eines Menschen kein Geheimnis mehr für uns Mediziner. Wir können in die Patienten hineinsehen, ohne sie aufschneiden zu müssen.“
„Ich bin froh, dass ich in diesem Jahrhundert lebe“, erwiderte Robert grinsend.
„Ich schlage vor, dass Sie für den Rest der Woche zur Beobachtung dableiben.“
„Was versprechen Sie sich davon?“
„Vielleicht haben wir Glück, und Sie kriegen diesen Blackout bei uns wieder. Unter Umständen können wir dann herausfinden, wodurch er ausgelöst wurde.“
„Aber Sie sind sich nicht sicher.“
„In Ihrem Fall befinden wir uns auf medizinischem Neuland, Herr Tillmann. Wir haben keine Erfahrungswerte, auf die wir zurückgreifen können. Wie gesagt, wir können die Tests nur wiederholen und auf ein positives Ergebnis hoffen.“
Robert schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht zur Beobachtung hierbleiben, Doktor“, sagte er entschieden.
„Sie nehmen uns die Möglichkeit, doch noch darauf zu kommen, was Ihnen fehlt“, sagte der Arzt sichtlich enttäuscht. „Ich kann Sie natürlich nicht zurückhalten. Wenn Sie gehen wollen, muss ich Sie gehen lassen. Aber das würde ich mir an Ihrer Stelle noch einmal reiflich überlegen. Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit Ihrem Wagen, und dieses Unwohlsein überkommt Sie. Damit gefährden Sie nicht nur Ihr eigenes Leben, sondern unter Umständen auch das anderer Menschen.“
„Trotzdem werde ich nicht zur Beobachtung hierbleiben“, wiederholte Robert.
Doktor Hulke zuckte mit den Schultern. „Sie müssen wissen, was Sie tun“, sagte er ernst.
„Wenn es mir besser passt, stelle ich mich Ihnen und Ihrem Team gerne noch einmal zur Verfügung.“
Doktor Hulke gab sich damit zufrieden. Er verabschiedete sich und verließ aus Zimmer. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, sprang Robert aus dem Bett. Katharina sah ihn mit großen Augen an.
„Hältst du wirklich für eine gute Idee?“, fragte sie.
„Natürlich, du hast es doch gehört. Doktor Hulke hat mir bescheinigt, dass es keinen gesünderen Menschen als mich gibt. Das heißt, dass ich wieder nach Hause kann.“
„Aber dieser Blackout ...“
„Vielleicht kehrt er nie mehr wieder.“
Er öffnete den Schrank und zog sich an. Wenige Minuten später verließen sie das Krankenhaus.
„Versprich mir trotzdem, dass du während meiner Abwesenheit vorsichtig bist“, sagte Katharina, während sie in den Wagen stieg.
„Natürlich bin ich das. Du kennst mich doch.“
„Eben.“
14
Rom empfing die Filmcrew mit seinem geschäftigen Lärm, seinen fremdartigen Gerüchen und den zahlreichen Baustellen, den ständig hupenden Autos und den grellbunten Lichtreklamen. Eckhard Joswig hatte alles bestens organisiert und Hotelzimmer für das gesamte Team reserviert. In der italienischen Filmstadt Cinecittà waren sämtliche Vorbereitungen für die Dreharbeiten am nächsten Morgen getroffen worden. Einige Aufnahmen sollten in Rom gedreht werden, andere in den Studios von Cinecittà.
Geduscht und salopp gekleidet kam Katharina Ledermacher an diesem Abend hinunter in die Halle des Marsala-Hotels, wo sich Joswigs Filmteam mit den italienischen Kollegen zu einem Begrüßungstrunk versammelt hatte. Die Detektivin beteiligte sich kaum den Gesprächen. Sie wurde einigen Leuten vorgestellt, dann setzte sie sich an die Bar, bestellte einen Orangensaft und musterte die Anwesenden. Überall wurde über den Nachdreh gesprochen.
Katharina hatte das Glas zur Hälfte leergetrunken, als sich eine dunkelhaarige Frau neben sie auf den Hocker setzte. Ihre Haut war zart und rosig wie die eines Pfirsichs. Die Lippen leuchteten in einem grellen Rot. Mit dem Kopf deutete sie auf die Umstehenden.
„Gehören Sie auch dazu, Frau ...“
„Ledermacher, Katharina Ledermacher.“
„Ich heiße Sophie Rosenbruck.“
„Angenehm. Zum Filmstar fehlt mir leider die nötige Begabung.“
„Sind Sie beim technischen Stab?“
„Nein“, erwiderte Katharina. „Ich spiele hier so eine Art Kindermädchen.“
„Aha, dann sind Sie also die Detektivin, die darauf achten soll, das man uns keinen bösen Streich spielt.“
„So kann man es nennen. Haben Sie etwas mit den Filmleuten zu tun?“
„Ich bin eine Kollegin von Jannick Wolfe. Im Film spiele ich eine geldgierige Schlampe. Es ist das erste Mal, dass ich in einem Spielfilm mitwirke. Bisher habe ich hauptsächlich für‘s Fernsehen gearbeitet. Vielleicht haben Sie schon mal einen meiner Filme gesehen.“
„Ich schaue nicht sehr viel Fernsehen.“
„Auch nicht schlimm. Es waren sowieso nur kleine Nebenrollen.“
Katharina stellte einige unverfängliche Fragen an die Schauspielerin, nach ihrer Karriere, ihren Zukunftsplänen, nach ihren Vorlieben und nach ihren Abneigungen. Danach fragte sie Sophie nach ihrer Meinung über den Diebstahl der Filmrollen.
„Es muss sich um einen Verrückten handeln. Anders kann ich mir das nicht erklären“, antwortete sie. „Schrecklich, sich vorzustellen, dass diese Leute es vielleicht noch einmal probieren könnten. Ich hoffe sehr, dass die Polizei die Verantwortlichen der verdienten Strafe zuführt.“ Sie