12
Am darauffolgenden Morgen fuhr Katharina zum Kommissariat, um das Protokoll zu unterschreiben.
„Haben Sie schon eine Spur von den Tätern?“, fragte sie beiläufig.
Kommissar Steinhauf schüttelte den Kopf. „Leider nicht. Die ganze Angelegenheit ist sehr seltsam. Ich habe schon erlebt, dass Kinder entführt wurden, Männer, Frauen ... mir sind sogar einige Fälle bekannt, in denen es die Täter auf Haustiere abgesehen hatten ... aber Filme ... hm ... sehr eigenartig.“
„Ja, da gebe ich Ihnen recht“, sagte Katharina, während sie ihm das unterschriebene Protokoll gab.
Er warf einen kurzen Blick darauf und legte es dann zur Seite. „Wir haben inzwischen einige Nachforschungen über die Leute angestellt, die in diesen Fall verwickelt sind. Wie ich hörte, waren Sie früher selber einmal bei der Mordkommission.“
„Ja.“
„Und dann wurden Sie entlassen, weil ...“
„Nein“, widersprach Katharina. „Ich wurde nicht entlassen. Ich habe gekündigt, weil mir die Methoden einiger Kollegen gegen den Strich gingen.“
„Natürlich“, sagte Kommissar Steinhauf gedehnt. „Und seitdem arbeiten Sie als Privatdetektivin. Mal mehr, mal weniger erfolgreich.“
„Wollen Sie damit etwa andeuten, dass ich etwas mit der Erpressung zu tun habe?“
„Nein, dieser Gedanke ist mir überhaupt nicht gekommen. Er wäre auch ziemlich abwegig. Aber wie verhält es sich mit Ihrem Auftraggeber?“
„Joswig?“
Steinhauf nickte.
„Ich arbeite nicht für Joswig, sondern für die Versicherung.“
„O ja, natürlich. Ich vergaß. Nichtsdestotrotz könnte er darin verwickelt sein.“
„Wie kommen Sie darauf?“, wollte Katharina wissen.
„Wir haben einige Nachforschungen angestellt“, wiederholte Steinhauf. „Dieser Herr Joswig ist kein unbeschriebenes Blatt.“
„Was heißt das?“
„Eigentlich dürfte ich Ihnen diese Information gar nicht geben, denn schließlich handelt es sich um eine laufende Ermittlung.“
„Warum tun Sie es dann?“
„Na, sagen wir mal, weil ich mir davon eine Gegenleistung erhoffe.“
„Was für eine Gegenleistung?“
Steinhauf lächelte. „Falls Ihnen etwas zu Ohren kommen sollte, das für unsere Ermittlungen von Bedeutung ist, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich informieren würden.“
„Das hätte ich sowieso getan.“
„Ja, davon bin ich überzeugt.“
„Also, was ist nun mit Joswig?“
Steinhauf zögerte einen Moment, bevor er antwortete. „Wussten Sie, dass er vorbestraft ist?“
„Nein“, antwortete Katharina sichtlich überrascht. „Weswegen?“
„Steuerhinterziehung. Er saß ein Jahr im Gefängnis.“
„Aber es besteht doch ein ziemlich großer Unterschied zwischen einer Steuerhinterziehung und einer Erpressung.“
„Ach, so groß ist der Unterschied gar nicht. Wer einmal kriminelle Pfade betreten hat, verlässt sie nur selten.“
Katharina musste lächeln. Der Satz klang beinahe wie ein Kalenderspruch. Vielleicht steckte in Steinhauf ein verhinderter Philosoph. „Trotzdem glaube ich nicht, dass Joswig etwas mit der Erpressung zu tun hat.“
„Nun ja, wir werden sehen.“
„Ich informiere Sie, sobald ich etwas Wichtiges in Erfahrung bringe.“
„Gut.“
Katharina verabschiedete sich von Kommissar Steinhauf und verließ das Büro. Ihr nächster Besuch galt Kurt Brankov, um ihre Tasche abzuholen. Als sie das Büro betrat, merkte sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Der Besitzer des Kopierwerks und der ebenfalls anwesende Eckard Joswig machten Gesichter, als hätten sie eben ihre eigene Todesanzeige in der Zeitung gelesen.
„Was ist passiert?“, fragte die Detektivin.
„Die Filmrollen sind unbrauchbar gemacht worden“, antwortete Joswig.
Katharina runzelte die Stirn. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Erpresser mit den beschädigten Filmrollen bei ihr aufgetaucht waren, um das Lösegeld zu kassieren. Sie mussten doch damit rechnen, dass die Verschlüsse vor der Übergabe eingehend überprüft wurden.
„Sind Sie sicher, dass es sich um Ihren Film handelt? Vielleicht haben sie die Rollen vertauscht, um einen neuen Erpressungsversuch zu starten.“
„Nein, ausgeschlossen“, erwiderte der Produzent. „Wir haben die Filme nach der Entwicklung überprüft. Einige Szenen waren noch zu erkennen. Es ist mein Film. Am besten nehme ich mir einen Strick und melde Konkurs an.“
„Blödsinn“, schaltete sich Brankov ein. „Die Versicherung wird die gesamte Summe ersetzen, dann lässt sich die erste Hälfte des Films noch einmal drehen.“
„Ja“, sagte Joswig. „Wenn Jannick Wolfe verfügbar wäre, dann könnte ich das gesamte Team in ein paar Stunden zusammentrommeln.“
„Wo ist das Problem?“, wollte Katharina wissen.
„Ich habe Wolfe sofort angerufen, aber er hat schon einen Vertrag bei einer anderen Produktion.“
„Wie viele Tage würde der Nachdreh dauern?“, fragte Katharina.
Der Produzent überlegte einen Moment. „Inklusive Hin- und Rückflug Rom – Berlin ungefähr zehn Tage. Sämtliche Einstellungen stehen fest, die Schauspieler dürften ihren Text noch im Kopf haben, und die Kulissen stehen auch in Cinecittà. Wenn ich es schaffe, Wolfe davon zu überzeugen, dass wir ihn dringend brauchen, dann könnte es vielleicht klappen.“
„Aber wird er sich auch überzeugen lassen?“, fragte Brankov.
„Warum nicht?“, meinte Joswig. „Es geht schließlich auch um seine Karriere.“
13
Nachdem sich die Versicherung bereit erklärt hatte, den gesamten Schaden zu bezahlen, setzte sich Eckhard Joswig in sein Büro und telefonierte. Verabredungen wurden getroffen und Verträge geschlossen. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Jannick Wolfe zögerte zwar, bevor er seine Zustimmung gab, doch schließlich willigte er ein. Die Versicherungsgesellschaft hatte allerdings eine Bedingung an ihre Zahlung geknüpft. Katharina Ledermacher sollte das Filmteam nach Italien begleiten und dafür sorgen,