Kalte Nacht. Anne Nordby. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Nordby
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839263587
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kriege ich einen Teil seiner Bäume, wenn sie erntereif sind.« Dahlberg macht eine Pause und schluckt, sein großer Adamsapfel hüpft auf und ab. Hinter ihm beginnt es, unruhig zu fiepen, und erst jetzt bemerkt Skagen den Jagdhund auf dem Rücksitz. Ihm kommt der Gedanke, dass ein oder zwei Spürhunde für ihre Suche nicht verkehrt wären, und er beschließt, mit Göran darüber zu sprechen, sobald sich die Gelegenheit bietet.

      »Das ist Nelly, unser Elchhund«, erklärt Dahlberg und tätschelt das Tier liebevoll. »Sie ist sehr lieb.« Er schluckt erneut. »Schrecklich, das mit Herrn Nowak und seinen Töchtern.«

      »Sie haben davon gehört?«

      Dahlberg stößt einen beinahe amüsierten Laut aus. »Es ist das Gesprächsthema in Hultsjö. Der Buschfunk ist hier eine größere Pest als der Borkenkäfer. Über die Nowaks wird ohne Ende spekuliert.«

      »Aha, und was?«

      »He, Tom!« Es ist Maja, die nach ihm ruft, und Skagen gibt ihr zu verstehen, dass er gleich bei ihr sein wird.

      »Ihr Typ wird offensichtlich verlangt«, sagt Dahlberg und zwinkert ihm zu. »Kommen Sie doch später bei mir vorbei, ich wohne auf dem Ärkilsgård, den Hof kennt jeder in der Gegend. Sie brauchen nur danach zu fragen. Ich erzähle Ihnen dann, was ich weiß. Meine Frau kann bestimmt auch was dazu sagen. Aber Tina haben wir seit Längerem nicht gesehen. Ich hoffe, Sie finden sie.«

      »Das hoffe ich auch. Danke erst mal.«

      Dahlberg tippt sich an die Mütze und fährt weiter.

      »Na, hast du schon Freundschaft geschlossen?«, fragt Maja, als er sich zu ihr gesellt. Neben ihr stehen Göran und ein rothaariger Polizist, der wirkt, als sei er gerade erst volljährig geworden. Göran blickt Skagen durch seine Sonnenbrille im Pilotenlook an. Alles an ihm sitzt perfekt, die Uniform, die kurzgeschnittenen dunklen Haare, selbst das überlegen wirkende Lächeln. Skagen kann zwar seine Augen nicht sehen, dennoch spürt er deutlich, dass sich Berg durch seine Anwesenheit herausgefordert fühlt. Soll er ihm direkt sagen, dass er nur zufällig hier ist, um ihm die Sache zu erleichtern?

      »Joakim und ich werden weiter die Leute im Ort befragen, während die anderen in Richtung des Nowak-Hauses ausschwärmen«, erklärt Maja. »Willst du uns begleiten oder bei der Suche helfen?«

      Skagen zögert, blickt von Görans kontrolliert cooler Miene zu Joakims gerötetem Gesicht. »Ich glaube«, sagt er vorsichtig, »ich möchte mir zuerst einen Eindruck von dem Haus verschaffen. Ist es von der Kriminaltechnik freigegeben?« Bei der Durchsuchung kann er, ohne die Befugnisse dafür zu haben, nicht viel falsch machen, bei Befragungen schon. Also würde er sich da vorerst raushalten.

      »So weit, ja«, entgegnet Göran. »Natürlich kann es sein, dass wir noch nachträgliche Beweise sichern müssen, also verändern Sie nichts, okay?«

      »Klar.« Auch wenn sich der Ermittlungsleiter ihm gegenüber wie eine einzige Provokation verhält, hütet Skagen sich, darauf einzusteigen. Allerdings nicht, weil er generell Kompetenzgerangel meidet, sondern weil es in seiner prekären Situation äußerst unklug wäre, einen Streit anzuzetteln.

      »Okay«, sagt Maja. »Dann knüpfen wir da an, wo wir gestern aufgehört haben, und arbeiten uns systematisch durch die Straßen.«

      »Alright, wir halten Funkkontakt.« Göran Berg gibt ihnen ein Zeichen, und die vier Gruppen von Polizisten marschieren los. Zuerst in Richtung der Bahngleise, die den Ort in zwei Hälften schneiden, danach wartet das unwegsame Gelände des Waldes auf sie.

      Keine zehn Minuten später hält Berg mit dem Mannschaftswagen vor der Polizeiabsperrung in der Einfahrt der Nowaks. Auf dem Weg hierher hat Skagen ein Schild mit »Ärkilsgård« darauf entdeckt. Ture Dahlberg wohnt also tatsächlich in der Nähe.

      Als sie aussteigen, rückt Göran Berg seine Sonnenbrille zurecht und faltet die Karte von Hultsjö und Umgebung auseinander, die er an der Windschutzscheibe des Busses befestigt.

      »Halten Sie das eigentlich für angemessen?«, fragt er, ohne sich umzudrehen.

      »Was meinen Sie?«, erkundigt Skagen sich irritiert.

      Der Ermittlungsleiter zeigt auf sein T-Shirt. »Na, der Spruch. Reichlich unpassend für einen Polizisten, finden Sie nicht?«

      Skagen schaut an sich hinunter und begreift. Auf seiner Brust prangt der Satz »Who can you trust?«, der Titel seiner Lieblingsplatte von Morcheeba. Göran Berg hat recht. Es spiegelt tatsächlich nicht das Bild eines seriösen Polizeibeamten wider. Normalerweise trägt er das Shirt nicht bei der Arbeit, aber als er gestern Nacht losgefahren ist, wusste er ja nicht, dass er heute an einer polizeilichen Aktion teilnehmen würde.

      Ohne einen Kommentar zieht Skagen das T-Shirt aus und dreht es auf links. Dabei entgeht ihm nicht, dass Göran seinen bloßen Oberkörper taxiert und die Narben auf der Brust entdeckt. Schnell streift er das Shirt wieder über und fragt, ob es so okay ist. Fast hätte er erwartet, dass Göran jetzt auch noch die Schweißflecke unter seinen Achseln moniert, doch der Polizeiinspektor nickt mit großzügiger Geste. Danach zieht er sein Funkgerät aus der Halterung an seinem Gürtel und folgt Skagen auf dem Weg zum Haus. Das ständige Knacken und Knistern des Funks durchbricht dabei die Stille des Waldes.

      Skagen versucht, alles Störende auszublenden, und geht mit wachen Sinnen die Schotterauffahrt entlang. Zuerst kommt eine Scheune in Sicht. Langgestreckt und windschief kauert sie neben dem Weg. Bestimmt ist sie über 100 Jahre alt. Das hier muss mal ein Bauernhof gewesen sein. Aber eher einer von der ärmlichen Sorte, auf dem sich die Menschen den Rücken krumm gearbeitet haben, um in dieser kargen Umgebung zu überleben. Keine dieser hübschen småländischen Bilderbuchvillen mit ihren Mansardengiebeldächern, wie man sie aus Reiseprospekten kennt.

      Das Wohnhaus der Hofstelle sieht in Wirklichkeit wesentlich heruntergekommener aus, als es das auf den Bildern der Nachbarstochter Jenny getan hat. Vermutlich liegt es daran, dass gerade renoviert wird. Jemand hat begonnen, die Farbe an der Fassade abzukratzen und einige der weißen Rahmen um die Fenster abzulösen. Skagen nimmt an, dass sie morsch geworden sind und nach dem Streichen gegen neue ersetzt werden sollten. Doch das wird wohl erst mal nicht geschehen.

      Er bleibt stehen und nimmt den Gesamteindruck der Gebäude in sich auf. Hinter ihm stoppt Göran, Skagen fühlt dessen Blick in seinem Rücken. Er kann es dem Ermittlungsleiter nicht verübeln, schließlich ist er eine unbekannte Komponente. Wenn er Berg wäre, würde er ihn genauso im Auge behalten.

      Skagen konzentriert sich wieder auf das Haus. Es ist einstöckig mit einem stinknormalen ziegelgedeckten Satteldach, das von Moos übersät ist. Der Hauseingang wird durch einen Windfang mit Einfachverglasung geschützt. Der Bau wirkt insgesamt schlicht, weist kaum Zierelemente auf und besitzt ein Steinfundament, in dem sich vermutlich ein Kriechkeller befindet, wie es für solche Häuser typisch ist.

      Skagen wendet den Kopf und entdeckt am Rand des Gartens, der von einer Mauer aus Findlingen begrenzt wird, einen Erdkeller, dessen Tür offen steht. Auf dem vertrockneten Rasen wachsen mehrere alte Apfelbäume, die lange nicht mehr professionell geschnitten worden sind. Eine Wand aus hohen Tannen umringt das Grundstück auf drei Seiten und nimmt viel Licht weg. Alles in allem ist es ein nicht besonders gepflegter Besitz. Viel können die Nowaks dafür nicht bezahlt haben.

      Langsam geht Skagen um das Haus herum. Die Funkgeräusche verraten ihm, dass Göran ihm folgt. Doch Skagen versucht weiterhin, die Stimmung einzufangen. Das ist wichtiger als sein Ärger über den aufdringlichen Kollegen.

      Auf der Rückseite des Hauses befindet sich eine überdachte Veranda, die definitiv bessere Tage gesehen hat. Einige der Planken sind durchgemodert und bilden gefährliche Stolperfallen.

      Das Gelände auf dieser Seite des Grundstücks fällt leicht ab, und rasch hat Skagen eine Kloakengrube entdeckt, die am Waldrand hinter einem Erdwall liegt. Der Geruch nach Fäkalien dringt in seine Nase, als er sich dem Betondeckel nähert. Ein Stück weiter links liegt ein altes Sickerbecken, das seinen Dienst an den Menschen getan hat, bevor die modernere Mehrkammertechnik eingeführt wurde. Verdorrtes Schilf zeigt an, dass in dem kleinen Tümpel normalerweise Wasser steht, jetzt ist er bis auf den rissigen Grund ausgetrocknet.