Da holt man die finstersten Gammler, die ein Instrument festhalten können, aus ihren Verstecken und presst ihre Geräusche auf Schallplatten. Vielleicht fing alles nur als Experiment von Primaten Forschern an. Dann geriet das wissenschaftliche Projekt außer Kontrolle und fand den Weg nach draußen. Als eine Art Volksbelustigung. Dann fand das die westliche Jugend, mindestens teilweise, toll und man macht im Kapitalismus ein Geschäft daraus. Man kassiert ab. Aber mit welchen Folgen? Denke auch nicht, dass gegen diese Kreaturen ein Frisör Verbot ausgesprochen wurde. Ebenso könnte man bei wilden Volksstämmen nach Kleidungsähnlichkeiten fahnden. Was sichtbar als tanzen deklariert wird, gleicht dem ausgesetzt sein von Stromstößen, was ja nicht zutrifft. Weil im afrikanischen Busch eine Stromanbindung unbekannt ist. Es soll allerdings afrikanische Stämme geben, die Menschen durch Trommeln und Gebrüll töten. Hier verblödet das wichtigste Kapital einer Nation in rhythmischen Zuckungen. Die schreien sich mit schmerzverzerrten Gesichtern in Ekstase und fallen schließlich in Ohnmacht<, meint mein Führungsoffizier und zeigt mit dem Finger auf die laufende Beat Club Sendung. >So was habe ich vorher nur bei Mädels und Frauen gesehen, wenn der Führer in ihre Nähe kam. Dafür lässt sich Verständnis haben. Ich habe schließlich selber junge Mädchen die Reifen des Führer Fahrzeuges küssen sehen. Wenn es leider nicht möglich war seine Hand zu ergreifen. Ich habe diesen zappelnden Suppenkasper (er meinte Mick Jagger) mit einem flugunfähigen Vogel an seiner Seite gesehen, was er Freundin nannte. Die liefen frei in London umher. Nach einer Drogenkontrolle, durch meine Einheit, wären die sicher nicht weiterhin auf freien Fuß. Keine Chance!
Als wenn die westliche Welt nicht schon genug Probleme hätte. Jetzt ruinieren subversive Elemente die Jugend mit Love, Peace und Happiness Blödsinn, gebärden sich frei und klassenlos. Sie werden unsere Kultur vergessen und begeistert etwas anderes übernehmen. Aber, aber, aber - mein Junge, merk dir eines: Die Erde ist immer noch eine Scheibe und die Schwachen werden an den Rand gedrängt!< Es passte alles zusammen: Ende vom Vortrag, Ende vom Beat Club und Vater ging die Leuchtpistolen putzen.
Meine Mutter hatte dieses Jahr ein Freilos gezogen und kam nicht mit auf die Domäne (zum gemeinsamen Essen wurden Ehefrauen gelegentlich zugelassen) wegen einer Unterleib Operation die ihr wirklich zu schaffen machte. Zum Glück brachte auch niemand von uns heute Abend beim Oberst Dienst schieben und der Johanna helfen. Dazu konnte Rudi die Petra gewinnen. Petra die wir nur Helga nannten, weil sie Ähnlichkeit mit der Schauspielerin Helga Anders besaß. Sie war schon Mitte zwanzig und bediente in der Bahnhofswirtschaft, welche Bauunternehmer Hans (Gentos Vater) gerade gekauft und geschlossen hatte.
Der alte Inhaber konnte, oder wollte nicht, Auflagen des Gesundheitsamtes erfüllen, die aber zwingend sein müssten, so Bürgermeister Hans (auch Gentos Vater). So kaufte der Bauunternehmer das Haus mit Grundstück in exponierter Lage und wir sind gespannt was ihm dazu einfallen wird. Die Helga ist übrigens im Büro der Baufirma untergekommen, als "Mädchen für alles". Angebote, als "Mädchen für alles", beim beliebten Alfredo (Brandos Vater) zu arbeiten hatte sie bisher ignoriert. Kapitän Reinhold war diesmal nicht nach Hause gekommen. Dümpelte mit seinem Kahn irgendwo in einem Hafen, oder kämpfte sich durch schwere See. An solchen Tagen fehlte er uns besonders. Kann sein, dass die Schneemengen die Menschen etwas freundlicher machten, kann sein, dass es unsere Erwartungshaltung war, die uns diesen Tag wie einen zweiten Heiligabend vorkommen ließ. Heute Nacht wollten wir uns selbst beschenken, Türen öffnen und in die Welt der Lüste eintauchen. Die "tingel tangel Straße" war uns durch manche Begebenheit, oder erlauschten Berichten, keine Unbekannte mehr. Wir Randfiguren waren noch nicht in den Genuss gekommen die Gehsteige abzulaufen, um zu suchen, um zu finden, um zu erleben. Wie es so viele tausend Gäste, aus allen Kontinenten, über das ganze Jahr taten. Aber dieses Silvester fühlten wir uns reif und stark genug die vielen kleinen Paläste des beliebten Gewerbes in Augenschein zu nehmen. Unsere Zeit war gekommen der Versuchung zu erliegen, für ein Stück vom Sex Angebot in diesem Erotik Kaufhaus.
Zumal einige Läden in diesem Milieu von Brandos Vater, dem so beliebten Alfredo, geführt wurden. Über Jahre haben Gento, Brando und ich den Stallgeruch dieses Vergnügungsviertel zugeweht bekommen. Vor allem, durch diese besonderen Mädchen, die uns in Alfredos Privatgehege, der gelben Villa, begegnet waren. Durch die Strahlkraft der Dinge mit denen Alfredo sein Leben bestritt waren wir unaufhaltsam reif für die Empfänglichkeit weiblicher Signale geworden. Das wir uns in letzter Zeit als ziemlich erwachsen betrachteten erkannte man schon an den neuen, passenderen Rufnamen wie Brando, nach dem coolen amerikanischen Schauspieler und Gento, nach dem Fußballspieler vom Real Madrid. Irgendwie passten die neuen Namen auf meine Freunde, mich nannte man weiterhin nur: Junge! Ich wirkte wohl nicht älter. Oder vielleicht, weil ich gut zuhören kann und lange schweigen. Schweigen, das mehr sagen kann, als eine lange Reihe von Worten. Gento lag das überhaupt nicht, er kam mehr nach seinem Vater, dem Baulöwen und Bürgermeister in Personalunion. Brando war damals am privilegiertesten und hatte deshalb die besten Anführer Qualitäten, wenn das nicht auch Gento übernommen hätte. Ab dieser Zeit nahmen Mädchen, Frauen und Männer mich gerne beiseite und erklärten mir die Welt. Zuerst dachte ich sie würden instinktiv einen Gegenpol bilden, zum Unterricht meines Führungsoffiziers. Aber das war es nicht, denn viele konnten in ihm nur den normalen Zollbeamten erkennen, der sich um den Zollgrenzbezirk sorgte und besonders nett zu jungen Fräuleins war. Also, im normalen Fahrwasser der Vätergeneration schwamm. Wir waren 9 oder 10 Jahre alt, als wir uns füreinander entschieden. Freunde nennen wollten. Diese Begeisterung dafür habe ich in anderen Jahren, bei neuen Freundschaftsbünden, nicht mehr erlebt. Trotz der Zahl drei gab es nie Streit, Missgunst, oder Intrigen. Es passte einfach und wir gönnten uns die Errungenschaften tiefer Freundschaft.
Wenn etwas die Größe unserer Freundschaft unterstreichen könnte, dann war es die Zeit der Jugend. Sehr selten findet sich in späteren Jahren eine neue Freundschaft die eine derartige Qualität und Beständigkeit aufweisen wird. Womit ich nicht sagen will das viele Jugendfreundschaften bei Männern sehr lange halten werden. Bald versuchen die Ehefrauen die alten Freunde zu ersetzen, um ihren Mann besser in ihrem Bannstrahl zu halten. Schwache Exemplare der männlichen Gattung lassen das mit sich geschehen und geben sinnlos einen der größten Schätze ihrer Jugend preis: die alten Freunde. Als das Tragen von langen Haaren bei den amerikanisierten und Negermusik hörenden Nachkommen der patriotischen Elitesoldaten, für die sich unsere Väter hielten, Mode wurde, hatten wir drei einen gemeinsamen Vorteil. In unseren Elternhäusern hingen Bilder von ihnen, aus den dreißiger und vierziger Jahren. In voller Montur auf Heimaturlaub, oder an den Fronten. Und sie besaßen eine wallende Löwenmähne als Kopfschmuck. Nicht lang, aber oben voluminös lockig, allerdings an den Seiten kurz. Die waren damals auch erst in ihren Zwanzigern. Wenn die Großdeutsche Wehrmacht derartigen Kopfschmuck durchgehen ließ, dürften unsere väterlichen Führer wenig Einwände zeigen. Zu erdrückend das vorhandene Beweismaterial. Obwohl ich meinen Vater reden hörte, ich hätte ihn sehen sollen, in Russland, wenn Ungeziefer Gefahr vorlag und er mit einer Glatze den Iwan “fernhielt“. Läuse und ähnliches waren in unseren Breiten aber kein wirkliches Argument, soviel war klar. Silvester ist