halbseelig. Joëlle Schüpfer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joëlle Schüpfer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783710332289
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alle nennen ihn Sim.

      Dad trug seine schlabbrige Lieblingstrainerhose und ein helles T-Shirt. Da es Sonntag war und er frei hatte, konnte er heute machen, was er wollte.

      Endlich antwortete er mir. „Im Kochkurs, wo sonst?“

      Ich seufzte.

      „Anny, was war eigentlich gestern mit dir los?“

      Ich setzte mich neben ihn hin. „Ich weiss auch nicht. Es war einfach ein sehr verrückter Tag.“

      Dad ging gottlob nicht weiter drauf ein. „Einfach so als Tipp. Es ist 11.00 Uhr, und du solltest bald im Kickboxtraining sein“, meinte er nüchtern.

      Ich riss meine Augen auf, hastete hoch in mein Zimmer, zog ein gelbes Top und dunkle Boxer-shorts an, packte meinen Rucksack und verabschiedete mich von Dad. „Danke Dad!“

      Ich rannte aus dem Haus und machte mich auf in die Stadt. Unterwegs meinte ich, Jay, Clavia, Clor und ESABEL gesehen zu haben. Doch ich hatte mich getäuscht. Ich lief weiter und erreichte das Kickboxcenter. Drinnen zog ich meine grauen Schuhe aus.

      Im Trainingsraum begrüsste mich freundlich Amanda. „Hallo, Kleine! Bist du bereit?“, fragte sie mich, und ich verstand nicht, was sie damit meinte.

      „Wofür?“

      „Fürs morgige Turnier.“

      „Aha, ja, ich denke schon.“

      „Gut, dann los, trainiere!“

      Sie scheuchte mich zu einem Boxsack, und ich schlug mit meiner Faust darauf ein. Kurze Zeit später war auch Esabel da. Sie spielte mit einem anderen Armband in der Hand und kam auf mich zu. „Hey Anny, ich habe etwas für dich.“ Sie reichte mir das Armband.

      Ich runzelte die Stirn. Das Band war silberrot und sah cool aus. „Sorry Esabel, aber ich bin ein Mädchen, das nicht gerne Armbänder trägt. Wieso gibst du mir eines?“

      „Ich dachte eben, es würde dir gefallen.“

      „Natürlich gefällt es mir, sogar sehr, aber ich trage keine Armbänder.“

      „Nimmst du es trotzdem?“

      Ich zog es ihr zuliebe an.

      „Hhmm, es fühlt sich gut an.“

      „Ich weiss, deshalb trage ich es auch. Ich gehöre auch nicht zu den Mädchen, die gerne Schmuck tragen.“

      Schmunzelnd schlug ich mit meiner Faust noch-mals gegen den Boxsack. Esabel sah mir kurz zu, schaute dann aber wieder weg.

      „Tut mir leid, Amanda, aber ich muss mal schnell zur Toilette!“

      Amanda gab Esabel ihr Okay, und sie verliess schnell den Raum. Da ich das irgendwie merk-würdig fand, eilte ich ihr nach. Ich sah, wie Esabel vor dem Ausgang stand und hin und her blickte. Hinter der Tür versteckte ich mich. Sie verliess das Haus. Auf leisen Sohlen schlich ich hinterher. Dann rannte sie weg. Esabel bog in eine dunkle Gasse ein, wo zwei alte Häuser dicht neben-einander standen. Sie blieb stehen. Ich versteckte mich hinter einem Busch.

      „Leute, kommt raus!“

      Im Dunkeln erschienen drei Gestalten und gingen auf Esabel zu. Sie waren schwarz gekleidet, trugen alle eine Brille und hatten die Kapuze über den Kopf gezogen.

      „Und?“, sprach eine mir bekannte Stimme.

      Esabel seufzte. „Zuerst will ich eure Gesichter sehen!“, erwiderte sie gereizt.

      Die drei Gestalten nahmen die Brillen und Kapu-zen runter. Es waren Clavia, Jay und Clor.

      „Sag jetzt! Hat sie es?“, fragte Jay neugierig.

      Esabel stemmte ihre Hände in die Hüften. „Natürlich hat sie das Armband. Ihr könnt froh sein, dass ich sie überzeugen konnte.“

      Reden die über mich?, dachte ich und lauschte weiter.

      „Und weiss es Anny schon?“, fragte Clor.

      Esabel verpasste ihm eine leichte Ohrfeige. Clavia lachte sich krumm.

      „Sicher weiss sie es noch nicht, du dummes Huhn! Ich sag es ihr bestimmt nicht!!“, entgegnete Esabel wütend.

      Clor rieb sich die Wange, und Clavia lachte noch immer.

      „Das nächste Mal, wenn du mir so eine be-scheuerte Frage stellst, schlag ich dich mit meiner Peitsche!!“, drohte Esabel.

      Spätestens jetzt musste ich mich zu erkennen geben …

      „Was weiss ich noch nicht?“

      Alle vier sahen mich verwirrt an, und Esabel klatschte sich die Hand auf den Mund.

      „Super, Esabel!“, meinte Clor empört und schlug sie in den Nacken.

      „SPINNST DU!!!“, brüllte Esabel und stiess Clor gegen die Wand.

      Clor ballte die Hand zu einer Faust.

      „Hey Leute, beruhigt euch! Ich denke, wir haben ein grösseres Problem!“, mischte sich Clavia ein.

      Sie deutete mit ihrem Kopf auf mich.

      „Was wisst ihr über mich?“, fragte ich aufdringlich und zugleich nervös.

      Die vier kamen näher auf mich zu.

      „Ist das Anny?“, wollte Jay wissen.

      Esabel nickte.

      Jay zog eine Augenbraue hoch. „Oha, also hübsch ist sie.“

      „Anny, es ist schwer zu erklären, aber …“, sprach Esabel. Sie zögerte, strich sich durchs Haar und fuhr weiter: „Ich kann es ihr nicht sagen!!“

      Die anderen drei schnauften tief.

      Clavia kam ganz nahe zu mir. „Zuerst einmal musst du wissen, wie wir heissen.“

      „Ich weiss schon, wie ihr heisst!“, sagte ich laut und wich ein paar Schritte zurück. „Dein Name ist Clavia. Und du bist Clor und du Jay!“

      Sie waren sprachlos und schauten sich gegen-seitig verdutzt an.

      „Woher weisst du das?“, fragte Jay.

      „Vor zwei Tagen, als ihr drei gegen dieses Ratten-vieh gekämpft habt, habe ich euch zugesehen.“

      Clor musterte mich. „Moment mal ... Bist du dieses Mädchen, das mir in den Bauch geschlagen hat?“

      Ich blickte verlegen auf den Boden.

      „Einfach, dass du es weisst, Anny, es war kein Rattenvieh, sondern ein Soulkiller.“

      Ich bekam Angst. „Ein Soulkiller?!“, rief ich.

      Jay kam auf mich zu und legte seine Hand auf meinen Mund.

      „Nicht so laut!“, befahl er, und ich schlug reflexartig seine Hand weg.

      „Schön, und jetzt erklärt es mir!“

      Alle standen um mich herum.

      „Weisst du, wir sind nicht normal“, meinte Clavia.

      Meine Hände zitterten. Ich stolperte über einen Busch und fiel auf meinen Rücken. Jay reichte mir seine Hand und half mir hoch. „Du weisst doch bestimmt, dass Menschen Seelen haben“, sprach er.

      „Ja, so wie ihr und ich!!“, entgegnete ich.

      „Nicht ganz“, erwiderte Clor.

      „Nicht ganz?! Häää?“

      „Wir haben nur die Hälfte einer Seele.“

      „DIE HÄLFTE??!!“ Mir wurde schwindelig, und ich begann zu schwitzen. „Aber dann würdet ihr ja gar nicht mehr leben, oder?“

      Alle schüttelten den Kopf.

      „Darum sind wir sehr aussergewöhnlich und haben spezielle Kräfte. Und dieses Symbol, das du gestern auf meiner Handfläche gesehen hast,