halbseelig. Joëlle Schüpfer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joëlle Schüpfer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783710332289
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du damit sagen, dass Mädchen, die Geld haben, dumm und zickig sind?“

      Er schüttelte den Kopf. „Ich meine nicht dich, sondern Debby. Sie ist zu geldsüchtig, du nicht, und das ist gut so.“

      Jetzt war ich aber erleichtert.

      „Und du? Hättest du eigentlich gerne einen Freund?“

      „Nee, ist nicht mein Ding, ich bleibe solo.“

      „Aber du kommst zu Debbys Party, wenn du eine Einladung kriegst, oder?“, hakte Levi nach und schaute mich hoffnungsvoll an.

      Ich schloss leicht meine Augen. „Ja, ich komme, aber du auch!“, meinte ich mürrisch.

      Lächelnd nickte Levi.

      Wir blieben vor der Bäckerei stehen. Levi ging dann doch rein, um uns einen köstlichen Berliner zu kaufen.

      Schnell ass ich ihn auf. Er war so lecker, dass ich es nicht lassen konnte, meine Finger abzulecken, die mit Marmelade und Puderzucker verschmiert waren.

      Nach ein paar Minuten erreichten wir das Schul-haus.

      Unser Schulhaus heisst NJ High School und ist von stolzer Grösse. Es ist dreistöckig, aus weissem Beton gebaut und macht einen äusserst gepflegten Eindruck. Die erste bis siebte Klasse ist jedoch in einem anderen Schulgebäude unter-gebracht, das gleich nebenan ist. Wir alle haben denselben Pausenplatz. Die Schüler der achten bis zehnten Klasse gehen ins weisse Schulhaus.

      Eigentlich gibt es da nur blaue Spinde, die fast alle mit Graffiti besprayt wurden. Mein Spind ist eisblau mit pinken Sternen und der von Levi neongrün mit einer schwarzen Brille besprüht. Die Glasein-gangstür ist stets offen. Oberhalb der Tür prangt eine unübersehbare Digitaluhr.

      Unser Pausenhof hat genügend Platz zum Ver-weilen, und es gibt sehr viele Bänke zum Chillen. Levi und ich haben eine Bank, die nur uns gehört, also sozusagen reserviert für uns ist. Ausserdem gibt es einen tollen Fussball-, Basketball- und Volleyballplatz.

      Gleich neben dem Schulhaus befindet sich ein beachtlicher Unterstand. Dort dürfen wir uns aufhalten, wenn es regnet.

      Levi und ich liefen ins Schulhaus und begaben uns zu unseren Spinden.

      Unsere Spinde liegen nebeneinander und direkt neben unserem Klassenzimmer. Der Boden des langen und breiten Flurs ist aus Holz und die Wand aus weissem Beton. Die Spinde sind an der Wand festgeschraubt, und der ganze Flur ist von Türen gesäumt.

      Aus meinem Spind nahm ich mein Mathebuch und das Naturkundebuch heraus und knallte ihn gleich wieder zu.

      Wie aus dem Nichts tauchte Debby neben mir auf. Ich erschrak und fuhr zusammen.

      Debbys Haare sind hellbraun, leicht gewellt und gehen bis zu ihrer Brust. Ihre Augen sind smaragd-grün, und ihre Haut ist leicht dunkler als meine. Debby ist extrem schlank, fast dünn. (Oke, ich bin auch schlank, aber ich besitze noch Muskeln, die ich trainiere und brauche, Debby hingegen nicht.) Ihre Wimpern hat sie verlängert und angemalt. An jenem Tag trug sie ein weisses T-Shirt mit einem Jeansgilet darüber und graublaue Jeans. Wir haben beinahe dieselben Skechers, sie pinke und ich graue.

      Debby kaute widerlich auf einem Kaugummi. „Ich gebe morgen eine Party, und du bist herzlich eingeladen“, murmelte sie.

      „Cool ... Ich komme.“

      Sie verdrehte unhöflich ihre Augen und lief davon.

      „So eine eingebildete Kuh!“, brummte ich.

      Levi schloss schmunzelnd seinen Spind ab, und wir gingen ins Klassenzimmer.

      Als der Unterricht endlich zu Ende war, machten Levi und ich uns zusammen auf den Heimweg.

      „Anny, was ziehst du morgen an?“

      „Weiss nicht. Vielleicht kaputte Jeans, das blaue, luftige T-Shirt, eine Jeansjacke und mehr muss ich ja nicht.“

      Levi erzählte mir dann irgendetwas Belangloses. Ich sah mich um und überlegte, ob ich noch etwas Besseres aus meinem überfüllten Kleiderschrank anziehen könnte.

      Da sichtete ich etwas Merkwürdiges. Ein Mädchen mit knallblauen Augen, einer natürlichen, hellen Hautfarbe und schwarzen Haaren stand etwa zehn Meter von Levi und mir entfernt. Ihre schulterlan-gen Haare waren frech durchgestuft. Sie schaute sich nervös um.

      Ich zupfte Levi am Arm.

      „Aua, was soll das?“, fragte er sauer und rieb sich seinen Arm.

      Ich zeigte auf das Mädchen.

      „Was ist mit der?“

      „Schau auf ihre Hose! Da glänzt doch irgend-etwas.“

      „Ist das ein Messer?“

      Ich zuckte mit den Schultern.

      In diesem Moment erspähte uns das Mädchen. Wir fuhren zusammen und taten so, als hätten wir sie nicht gesehen. Ich schaute kurz und unauffällig zu ihr, das Mädchen sah sofort wieder weg.

      „Tut mir leid, Anny, aber ich gehe jetzt nach Hause“, laberte Levi zu meiner Verwunderung und rannte schleunigst davon.

      Das war schon ziemlich feige von ihm. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er sich fürchtete. Welch ein Angsthase!

      Hinter einem Baum versteckte ich mich und schlich mich näher an das Mädchen heran. Ich beobach-tete, wie sie in eine Gasse blickte.

      „Jay?!“, rief sie, doch niemand gab Antwort. „JAY?!! CLOR?!!“, brüllte sie lauter.

      „Alter, Clavia, halt deinen Mund! Der Soulkiller muss hier irgendwo sein!“, schrie eine Jungen-stimme zurück.

      Ich musterte nochmals das Mädchen.

      „Ja, wegen dem rufe ich auch nach euch!!“

      Hinter einem Haus erschien ein Junge mit dunkel-braunen und verstrubbelten Haaren. Seine Frisur glich einer Löwenmähne. Seine Augen leuchteten grünsilbern, und er sah richtig süss aus. Seine Haut hat sogar den gleichen Teint wie meine.

      Er trug eine coole Elvis Presley-Lederjacke, moderne Bluejeans und graue Sneakers. Mir verschlug es beinahe den Atem, er sah derart gut aus.

      „Was hast du gesehen, Clavia?“, fragte der hübsche Junge.

      „Dort drüben hat sich vorhin etwas bewegt“, sprach sie hastig und deutete in die Gasse.

      „Clor, komm mal!“, rief der Junge.

      Ein zweiter Junge mit goldblonden Haaren und braungoldenen Augen kam angerannt. Er war ziemlich blass. Seine Haare trug er ein wenig länger als der andere Junge. Ich schätzte ihn und die anderen auf etwa 14 Jahre. Er trug eine dunkelblaue Jacke, eine schwarze, kaputte Hose und blaue Turnschuhe.

      „Was hast du gesehen, Clavia?“, fragte er.

      „Etwas ist in dieser Gasse, und du hast heute die Lockvogel-Karte gezogen. Also los, Clor, schau, was dort hinten los ist“, sprach der süsse Junge dazwischen.

      Clor knurrte und schlug dem anderen Jungen auf den Hinterkopf. „Du bist so asi, Jay!“

      Ich blickte die drei an und merkte mir die Namen.

      Das Mädchen heisst Clavia, der heisse Junge Jay und der andere Boy Clor. „Was sind denn das für Namen? Jay klingt normal, aber Clor und Clavia, das sind doch keine natürlichen Namen“, murmelte ich leise.

      Ich studierte die drei genauer. Da sah ich, wie Clor plötzlich ein silbernes Schwert in der Hand hielt. Mein Herz pochte, und ich zitterte.

      Schande!, dachte ich.

      Clor bewegte sich langsam auf die dunkle Gasse hin, in der ich einen wild hin und her bewegenden schwarzen Schwanz entdeckte. Er sah scharf und bedrohlich aus. Ich fürchtete mich.

      „Hey, Soulkiller“, sagte Clor.

      Soulkiller?, fragte ich mich und schaute genauer zu Clor hin.

      Clavia